Paul Hannes

Verlegeort
Sächsische Str. 48
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
12. Mai 2006
Geboren
26. Juni 1875 in Dresden
Deportation
am 09. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
28. August 1942 im Ghetto Theresienstadt

Paul Hannes wurde am 26. Juni 1875 in Dresden geboren. Er war der Sohn von Theodor Hannes (29. Dezember 1841 - 08. Oktober 1890) und Ida Hannes, geb. Friedenthal (16. April 1844 - 10. Mai 1899). Er hatte 4 ältere Geschwister (Georg, Regina, Martha, Wally), die alle vor 1933 gestorben sind und einen jüngeren Bruder Walther, dem die Emigration nach England und später in die USA gelang. <br />
<br />
Paul heiratete am 17. Mai 1906 Anna Hannes geb. Isaacsohn, die am 09. Januar 1881 in Berlin geboren wurde. Am 17. April 1907 kam ihre gemeinsame Tochter Ida Helene (Leni) in Frankfurt zur Welt. Ihre Tochter Leni schenkte ihnen zusammen mit ihrem Mann Dr. Rudolf Moritz Löwenstein zwei Enkelkinder, Ulla (geboren am 12. Juni 1934) und Ruth (geboren am 2. März 1937). Die Familie Löwenstein wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.<br />
<br />
Paul hat vom 1. April 1891 bis zum 1. April 1894 eine Lehre zum Großhandelskaufmann in der Berliner Damenwäschefabrik Heinrich Stern & Co. In der Spandauer Straße 16-17 absolviert. Anschließend war er dort als Expedient und Verkäufer bis zum 31. Dezember 1898 angestellt. Sein überliefertes Arbeitszeugnis empfiehlt ihn als „tüchtigen, intelligenten und zuverlässigen jungen Mann". Vom 15. Juni 1899 bis zum 30. September 1926 war Paul als Handelsvertreter für die Berliner Firma van Bienen & Fischbein in Süddeutschland tätig. Diese Firma war ein Großhandel für Textilwaren und Bekleidung und hatte ihren Firmensitz in Berlin SW19, Kommandantenstraße 6. Paul muss seit der Gründung der Firma dort tätig gewesen sein, denn ausweislich des Berliner Firmenbuchs wurde die Firma 1900 gegründet. Das überlieferte Arbeitszeugnis, das Paul bei seinem Ausscheiden 1926 ausgestellt wurde, stellt seine guten Verkaufserfolge, seine Beliebtheit bei den Kunden, seine Fachkenntnisse und seine einwandfreien Charaktereigenschaften heraus. Nach seinem Ausscheiden bei von Bienen & Fischbein hat Paul ab dem 15. März 1927 für die Damenwäschefabrik Paul Hamm & Co. In Berlin, Spandauer Str. 41 als Reisender für Süddeutschland, das Saargebiet und die Schweiz gearbeitet. Sein Arbeitgeber schreibt im überlieferten Arbeitszeugnis „Wir haben in den vergangenen Jahren Herrn Hannes als einen in jeder Beziehung korrekten und charakterlich einwandfreien Mitarbeiter schätzen gelernt und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute." Das Arbeitszeugnis vom 23. Dezember 1938 enthält den etwas merkwürdigen Satz „Das Anstellungsverhältnis erlischt mit dem 31. Dezember ds. Js." Dieses dürfte damit zusammenhängen, dass die jüdische Firma Paul Hamm in 1938 arisiert wurde und in diesem Zusammenhang die Arbeitsverträge mit den jüdischen Mitarbeitern ohne Kündigung aufgelöst wurden.<br />
<br />
Am 21. Juni 1942 schrieben Paul und Anna, die inzwischen in der Dahlmannstr. 27 in Berlin-Charlottenburg wohnten, einen Brief an seinen Cousin Berthold und dessen Frau Inge in Hamburg, die dort in einer sogenannten „Privilegierten Mischehe“ mit ihrem Sohn Klaus lebten. Aus diesem im Original überlieferten Brief ist hier zitiert:<br />
<br />
„Wie schön war es noch im vorigen Jahr, als wir Dich, lb. Berthold, nochmal wiedersahen und gemütlich beisammen waren. Ja, wie vieles hat sich in dem Jahr geändert, was man nicht für menschenmöglich gehalten. ... Für uns gibt es im Augenblick überhaupt kein Gemüse, also man gewöhnt sich schon langsam, aber sicher an den Hunger, der einem ja draußen blüht. Wenn ich wüßte, dass ich die Kartoffeln, die Du lb. Inge, mir kürzlich angeboten, noch hier aufessen könnte, würde ich froh sein, Paul mal abends ein paar kochen zu können. ... Eure Aennie“<br />
<br />
Während sie dieses schreibt, muss ein Brief aus Hamburg eingetroffen sein, in dem Klaus seinen Besuch in Berlin ankündigt. Anna schreibt unter ihre Unterschrift noch ein PS an, die kurzfristig drohende Deportation vor Augen:<br />
<br />
„Soeben treffen Deine lb. Zeilen, mein lieber Klaus ein und lösen eine Riesenfreude bei uns aus. Hoffentlich können wir Dich noch in Ruhe genießen, lb. Klaus. Wie ich schon erwähnte, wäre ich für Kartoffeln, ... wenn Ihr sie übrig habt, dankbar. Recht gute Reise und auf ein Wiedersehen freue ich mich schon sehr.“<br />
<br />
In der letzten Juniwoche 1942 erhielten Paul und Anna, dann den angekündigten Besuch von ihrem Neffen Klaus aus Hamburg. Am 27. Juni 1942 verließ Klaus sie in Richtung Ostsee für ein paar Urlaubstage. Sie schickten ihm einen im Original überlieferten Brief hinterher an sein Urlaubsziel, aus dem hier zitiert ist: <br />
<br />
„... Zunächst lasse Dir nochmals aus ganzem Herzen danken für all Deine Liebe und Güte, die Du mir erneut in so reichem Maße bewiesen hast. Dein Mitgefühl und die Innigkeit Deines Mitempfindens haben mir außerordentlich wohlgetan und sollen dazu beitragen, das schwere Geschick, das uns bevorsteht, standhaft zu meistern. Die schönen Stunden gemeinsamer Zwiesprache sollen und werden mir immer in unverlierbarer, teurer Erinnerung bleiben. ... Gruß und Kuß Dein Onkel Paul“<br />
<br />
Anna schreibt im Brief weiter:<br />
<br />
„... Es war einzig schön unser kurzes Zusammensein, es war so lieb und gütig von Dir Dich unseretwegen größeren Strapazen auszusetzen, es hat uns Halt und Mut gegeben, zu versuchen das unverdiente Geschick zu tragen und auf ein Wiedersehen zu hoffen. ... Wir zehren nun noch von der Erinnerung. ... In inniger Liebe grüßt Dich herzlich Tante Aennie“<br />
<br />
Nur wenige Tage nach der Abreise von Klaus, am Morgen des 09. Juli 1942, wurden Paul und Anna mit dem „18. Alterstransport“ vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert. Der Transport kam dort am Abend des gleichen Tages an.<br />
<br />
In Theresienstadt überlebten sie nur noch kurze Zeit. Anna starb bereits am 30. Juli 1942 mit 61 Jahren. Aus dem überlieferten Obduktionsbericht geht hervor, dass sie zuletzt in Q707, Zimmer 115 gelebt hat. Q707 stand für vormals Berggasse 7. Im heutigen Terezín hat das Gebäude, das noch steht, die Anschrift Prasżká 170. Wenn die im Obduktionsbericht angegebene Todesursache stimmt, ist Anna an einer Meningitis (Hirnhautentzündung) gestorben.<br />
<br />
Paul überlebte nach dem Tod seiner Frau noch etwa einen Monat und starb am 28. August 1942 an Herzschwäche, wenn die angegebene Todesursache stimmt. Er wurde 67 Jahre alt. Als sein letztes Zimmer im Ghetto wird auf der Todesfallanzeige Q707-709, Zimmer 13 angegeben. Es muss sich dabei um das Doppelhaus Berggasse 7-9 handeln, heute Prasżká 170-171.<br />
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Für Paul und Anna Hannes und für die Familie ihrer Tochter Leni ist ein gemeinsamer Gedenkstein auf dem alten Teil des jüdischen Friedhofs in Dresden verlegt.<br />
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Paul Hannes wurde am 26. Juni 1875 in Dresden geboren. Er war der Sohn von Theodor Hannes (29. Dezember 1841 - 08. Oktober 1890) und Ida Hannes, geb. Friedenthal (16. April 1844 - 10. Mai 1899). Er hatte 4 ältere Geschwister (Georg, Regina, Martha, Wally), die alle vor 1933 gestorben sind und einen jüngeren Bruder Walther, dem die Emigration nach England und später in die USA gelang.

Paul heiratete am 17. Mai 1906 Anna Hannes geb. Isaacsohn, die am 09. Januar 1881 in Berlin geboren wurde. Am 17. April 1907 kam ihre gemeinsame Tochter Ida Helene (Leni) in Frankfurt zur Welt. Ihre Tochter Leni schenkte ihnen zusammen mit ihrem Mann Dr. Rudolf Moritz Löwenstein zwei Enkelkinder, Ulla (geboren am 12. Juni 1934) und Ruth (geboren am 2. März 1937). Die Familie Löwenstein wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Paul hat vom 1. April 1891 bis zum 1. April 1894 eine Lehre zum Großhandelskaufmann in der Berliner Damenwäschefabrik Heinrich Stern & Co. In der Spandauer Straße 16-17 absolviert. Anschließend war er dort als Expedient und Verkäufer bis zum 31. Dezember 1898 angestellt. Sein überliefertes Arbeitszeugnis empfiehlt ihn als „tüchtigen, intelligenten und zuverlässigen jungen Mann". Vom 15. Juni 1899 bis zum 30. September 1926 war Paul als Handelsvertreter für die Berliner Firma van Bienen & Fischbein in Süddeutschland tätig. Diese Firma war ein Großhandel für Textilwaren und Bekleidung und hatte ihren Firmensitz in Berlin SW19, Kommandantenstraße 6. Paul muss seit der Gründung der Firma dort tätig gewesen sein, denn ausweislich des Berliner Firmenbuchs wurde die Firma 1900 gegründet. Das überlieferte Arbeitszeugnis, das Paul bei seinem Ausscheiden 1926 ausgestellt wurde, stellt seine guten Verkaufserfolge, seine Beliebtheit bei den Kunden, seine Fachkenntnisse und seine einwandfreien Charaktereigenschaften heraus. Nach seinem Ausscheiden bei von Bienen & Fischbein hat Paul ab dem 15. März 1927 für die Damenwäschefabrik Paul Hamm & Co. In Berlin, Spandauer Str. 41 als Reisender für Süddeutschland, das Saargebiet und die Schweiz gearbeitet. Sein Arbeitgeber schreibt im überlieferten Arbeitszeugnis „Wir haben in den vergangenen Jahren Herrn Hannes als einen in jeder Beziehung korrekten und charakterlich einwandfreien Mitarbeiter schätzen gelernt und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute." Das Arbeitszeugnis vom 23. Dezember 1938 enthält den etwas merkwürdigen Satz „Das Anstellungsverhältnis erlischt mit dem 31. Dezember ds. Js." Dieses dürfte damit zusammenhängen, dass die jüdische Firma Paul Hamm in 1938 arisiert wurde und in diesem Zusammenhang die Arbeitsverträge mit den jüdischen Mitarbeitern ohne Kündigung aufgelöst wurden.

Am 21. Juni 1942 schrieben Paul und Anna, die inzwischen in der Dahlmannstr. 27 in Berlin-Charlottenburg wohnten, einen Brief an seinen Cousin Berthold und dessen Frau Inge in Hamburg, die dort in einer sogenannten „Privilegierten Mischehe“ mit ihrem Sohn Klaus lebten. Aus diesem im Original überlieferten Brief ist hier zitiert:

„Wie schön war es noch im vorigen Jahr, als wir Dich, lb. Berthold, nochmal wiedersahen und gemütlich beisammen waren. Ja, wie vieles hat sich in dem Jahr geändert, was man nicht für menschenmöglich gehalten. ... Für uns gibt es im Augenblick überhaupt kein Gemüse, also man gewöhnt sich schon langsam, aber sicher an den Hunger, der einem ja draußen blüht. Wenn ich wüßte, dass ich die Kartoffeln, die Du lb. Inge, mir kürzlich angeboten, noch hier aufessen könnte, würde ich froh sein, Paul mal abends ein paar kochen zu können. ... Eure Aennie“

Während sie dieses schreibt, muss ein Brief aus Hamburg eingetroffen sein, in dem Klaus seinen Besuch in Berlin ankündigt. Anna schreibt unter ihre Unterschrift noch ein PS an, die kurzfristig drohende Deportation vor Augen:

„Soeben treffen Deine lb. Zeilen, mein lieber Klaus ein und lösen eine Riesenfreude bei uns aus. Hoffentlich können wir Dich noch in Ruhe genießen, lb. Klaus. Wie ich schon erwähnte, wäre ich für Kartoffeln, ... wenn Ihr sie übrig habt, dankbar. Recht gute Reise und auf ein Wiedersehen freue ich mich schon sehr.“

In der letzten Juniwoche 1942 erhielten Paul und Anna, dann den angekündigten Besuch von ihrem Neffen Klaus aus Hamburg. Am 27. Juni 1942 verließ Klaus sie in Richtung Ostsee für ein paar Urlaubstage. Sie schickten ihm einen im Original überlieferten Brief hinterher an sein Urlaubsziel, aus dem hier zitiert ist:

„... Zunächst lasse Dir nochmals aus ganzem Herzen danken für all Deine Liebe und Güte, die Du mir erneut in so reichem Maße bewiesen hast. Dein Mitgefühl und die Innigkeit Deines Mitempfindens haben mir außerordentlich wohlgetan und sollen dazu beitragen, das schwere Geschick, das uns bevorsteht, standhaft zu meistern. Die schönen Stunden gemeinsamer Zwiesprache sollen und werden mir immer in unverlierbarer, teurer Erinnerung bleiben. ... Gruß und Kuß Dein Onkel Paul“

Anna schreibt im Brief weiter:

„... Es war einzig schön unser kurzes Zusammensein, es war so lieb und gütig von Dir Dich unseretwegen größeren Strapazen auszusetzen, es hat uns Halt und Mut gegeben, zu versuchen das unverdiente Geschick zu tragen und auf ein Wiedersehen zu hoffen. ... Wir zehren nun noch von der Erinnerung. ... In inniger Liebe grüßt Dich herzlich Tante Aennie“

Nur wenige Tage nach der Abreise von Klaus, am Morgen des 09. Juli 1942, wurden Paul und Anna mit dem „18. Alterstransport“ vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert. Der Transport kam dort am Abend des gleichen Tages an.

In Theresienstadt überlebten sie nur noch kurze Zeit. Anna starb bereits am 30. Juli 1942 mit 61 Jahren. Aus dem überlieferten Obduktionsbericht geht hervor, dass sie zuletzt in Q707, Zimmer 115 gelebt hat. Q707 stand für vormals Berggasse 7. Im heutigen Terezín hat das Gebäude, das noch steht, die Anschrift Prasżká 170. Wenn die im Obduktionsbericht angegebene Todesursache stimmt, ist Anna an einer Meningitis (Hirnhautentzündung) gestorben.

Paul überlebte nach dem Tod seiner Frau noch etwa einen Monat und starb am 28. August 1942 an Herzschwäche, wenn die angegebene Todesursache stimmt. Er wurde 67 Jahre alt. Als sein letztes Zimmer im Ghetto wird auf der Todesfallanzeige Q707-709, Zimmer 13 angegeben. Es muss sich dabei um das Doppelhaus Berggasse 7-9 handeln, heute Prasżká 170-171.

Für Paul und Anna Hannes und für die Familie ihrer Tochter Leni ist ein gemeinsamer Gedenkstein auf dem alten Teil des jüdischen Friedhofs in Dresden verlegt.