Lucia Heidemann geb. Jäger

Verlegeort
Lessingstr. 5
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
17. September 2019
Geboren
12. Februar 1909 in Leipzig
Deportation
am 14. September 1943 nach Auschwitz
Später deportiert
im Dezember 1944 in das KZ Ravensbrück
Später deportiert
in das Außenlager Malchow des KZ Ravensbrück
Überlebt

Lucia Jäger wurde 1909 in Leipzig geboren. Ihr Vater war Ferdinand Jäger, die Mutter Marie, geb. Kalmann. Über ihre Kindheit in Leipzig sagt sie: „For a little girl life was wonderful“. Am 8. April 1911 kam ihr Bruder Hans zur Welt, der später „sehr religiös“ wurde. <br />
1936 flüchtete Hans mit seinen Eltern nach Holland. Lucia blieb zunächst bei ihrer Tante Goldina Gerson, einer Schwester ihrer Mutter, in der Auenstr. 23 in Leipzig. „Wir telefonierten jeden Tag.“ Im Februar 1938 heiratete sie dann in Leipzig Günther Heidemann aus Berlin. Am 6. April 1938 floh sie mit Günther nach Holland (Zaandam/Amsterdam), wo ihr Bruder Hans mit Stoffen handelte. Zuerst lebte das Paar bei Lucias Eltern in Zaandam, dann in der Lekstraat 152 in Amsterdam. Vier Jahre lebten Lucia und Günther zusammen (1938–1942). Lucia erwähnt noch Cousins, Tanten und Onkel, die ebenfalls in Amsterdam waren, ohne Namen zu nennen.<br />
<br />
Lucia wurde am 30. Dezember 1942 zusammen mit ihrem Mann Günther nachts um zwei Uhr von einem holländischen Polizisten der NSB (Nactionaal-Socialistische Beweging) abgeholt. Sie nahm einen Rucksack, Kleider, Schuhe mit. Mit dem Zug wurden die Eheleute ins „Transitlager“ Westerbork gebracht. Lucias Vater befand sich zu diesem Zeitpunkt in Amsterdam im Gefängnis. <br />
Ihre Mutter ging bei der Ankunft in Westerbork zu Joseph Samson, dem holländischen Leiter des Konzentrationslagers, und sagte, dass die Rucksäcke von Lucia und Günther fehlten. Daraufhin konnten sie erst einmal in Westerbork bleiben. Auch Lucias Eltern blieben vorerst dort. „Dutch people were in charge“. Wir wussten nicht, wohin wir gebracht werden sollten.“ Am 14. September 1943 wurden Lucia und Günther in einem Viehwagen nach Auschwitz deportiert. „My mother told me that we wouldn’t see each other again.“ „Frauen links, Männer rechts“, hieß es am Bahnsteig in Auschwitz. 1943 sei sie 34 Jahre alt gewesen. Die Eltern seien später nach Birkenau deportiert worden. Sie sei im Block 10 als „guinea pig“ (Versuchskaninchen) gewesen, zusammen mit weiteren 200 Frauen. Dr. Mengele habe sie persönlich am Tag der Ankunft für seine Menschenversuche selektiert. 50 gesunde Frauen wurden aussortiert, von Kopf bis Fuß rasiert, ihrer Kleider beraubt und in eine Häftlingsuniform gesteckt („one frock for three years“). Mit 200 Frauen habe sie in einer Baracke gehaust, 100 davon aus Holland. Am ersten Tag bekam jede eine Nummer eintätowiert.<br />
Sie habe 75 Injektionen „over a period of time" erhalten, acht Zähne wurden ihr gezogen ohne Anästhesie, alle an einem Tag, keine Schmerzmittel danach. „I had a face like that“ (macht ein Handbewegung um ihre Mundpartie). „Ich hatte eine Freundin, die auch aus Leipzig war, Renée Döhring, sie hat auch überlebt. Durch sie hat Günther ihr einen Ehering aus Blech mit ihrem eingravierten Namen geben können. Günther sei nähe Danzig (sie meint Stutthof) in der Gaskammer umgekommen. (Aus dem Interview wird allerdings klar, dass sie ganz lange nach dem Krieg noch gehofft hatte, dass Günther auch überlebt haben könnte.) Ende 1944 seien sie dann nach Ravensbrück gelaufen – eine Woche Todesmarsch. Ihre Freundin Renée glaubte, „dass ich erschossen worden sei.“ Kein Essen. „I couldn’t walk any more. Ravensbrück was worse than Auschwitz“. „German women hit us.“ In Malchow nahe bei Berlin wurde sie von den Russen befreit. (In Malchow war ein Außenlager von Ravensbrück.) Auch nach der Befreiung gab es erst nichts zu essen. Russische Soldaten halfen ihnen. Über Berlin und Leipzig ging sie nach Maastricht und dann zurück nach Amsterdam. Ein Onkel und eine Tante waren in der Schweiz. Das wusste sie aber damals noch nicht. Eine andere Tante war in Holland/Amsterdam. „I didn’t know about the family, for years waiting. I didn’t find anybody!“ Sie wartete sehr lange noch auf die Rückkehr von Familienangehörigen. „Meine Cousine Ilse Urbach und mein Onkel, die in Australien lebten, wollten mich sehen.“ Die Cousine kam nach Holland. „She sent me the permit to come to Australia.“ 1950 konnte sie dann mit 41 Jahren nach Australien auswandern. Vier Jahre lebte sie mit Ilse Urbach zusammen. Fünf Mal sei sie verlobt gewesen, aber immer habe sie auf ihren Mann gewartet. Lucy Jäger blieb mit ihrem Freund Lewinnek dann 40 Jahre zusammen. Sie habe in einer Hemdenfabrik gearbeitet. Sie liest viel auf deutsch. Sie kann nicht glauben, warum es Menschen gibt, die nicht glauben, dass es Auschwitz gab. „But I was there.“ Sie hat ein Foto von ihrem Mann Günther aufbewahren können, es sei 1938 in Leipzig gemacht worden. 32 Verwandte von ihr seien im Holocaust umgekommen, auch ihre Eltern und ihr Bruder Hans. <br />
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Lucia Jäger wurde 1909 in Leipzig geboren. Ihr Vater war Ferdinand Jäger, die Mutter Marie, geb. Kalmann. Über ihre Kindheit in Leipzig sagt sie: „For a little girl life was wonderful“. Am 8. April 1911 kam ihr Bruder Hans zur Welt, der später „sehr religiös“ wurde.
1936 flüchtete Hans mit seinen Eltern nach Holland. Lucia blieb zunächst bei ihrer Tante Goldina Gerson, einer Schwester ihrer Mutter, in der Auenstr. 23 in Leipzig. „Wir telefonierten jeden Tag.“ Im Februar 1938 heiratete sie dann in Leipzig Günther Heidemann aus Berlin. Am 6. April 1938 floh sie mit Günther nach Holland (Zaandam/Amsterdam), wo ihr Bruder Hans mit Stoffen handelte. Zuerst lebte das Paar bei Lucias Eltern in Zaandam, dann in der Lekstraat 152 in Amsterdam. Vier Jahre lebten Lucia und Günther zusammen (1938–1942). Lucia erwähnt noch Cousins, Tanten und Onkel, die ebenfalls in Amsterdam waren, ohne Namen zu nennen.

Lucia wurde am 30. Dezember 1942 zusammen mit ihrem Mann Günther nachts um zwei Uhr von einem holländischen Polizisten der NSB (Nactionaal-Socialistische Beweging) abgeholt. Sie nahm einen Rucksack, Kleider, Schuhe mit. Mit dem Zug wurden die Eheleute ins „Transitlager“ Westerbork gebracht. Lucias Vater befand sich zu diesem Zeitpunkt in Amsterdam im Gefängnis.
Ihre Mutter ging bei der Ankunft in Westerbork zu Joseph Samson, dem holländischen Leiter des Konzentrationslagers, und sagte, dass die Rucksäcke von Lucia und Günther fehlten. Daraufhin konnten sie erst einmal in Westerbork bleiben. Auch Lucias Eltern blieben vorerst dort. „Dutch people were in charge“. Wir wussten nicht, wohin wir gebracht werden sollten.“ Am 14. September 1943 wurden Lucia und Günther in einem Viehwagen nach Auschwitz deportiert. „My mother told me that we wouldn’t see each other again.“ „Frauen links, Männer rechts“, hieß es am Bahnsteig in Auschwitz. 1943 sei sie 34 Jahre alt gewesen. Die Eltern seien später nach Birkenau deportiert worden. Sie sei im Block 10 als „guinea pig“ (Versuchskaninchen) gewesen, zusammen mit weiteren 200 Frauen. Dr. Mengele habe sie persönlich am Tag der Ankunft für seine Menschenversuche selektiert. 50 gesunde Frauen wurden aussortiert, von Kopf bis Fuß rasiert, ihrer Kleider beraubt und in eine Häftlingsuniform gesteckt („one frock for three years“). Mit 200 Frauen habe sie in einer Baracke gehaust, 100 davon aus Holland. Am ersten Tag bekam jede eine Nummer eintätowiert.
Sie habe 75 Injektionen „over a period of time" erhalten, acht Zähne wurden ihr gezogen ohne Anästhesie, alle an einem Tag, keine Schmerzmittel danach. „I had a face like that“ (macht ein Handbewegung um ihre Mundpartie). „Ich hatte eine Freundin, die auch aus Leipzig war, Renée Döhring, sie hat auch überlebt. Durch sie hat Günther ihr einen Ehering aus Blech mit ihrem eingravierten Namen geben können. Günther sei nähe Danzig (sie meint Stutthof) in der Gaskammer umgekommen. (Aus dem Interview wird allerdings klar, dass sie ganz lange nach dem Krieg noch gehofft hatte, dass Günther auch überlebt haben könnte.) Ende 1944 seien sie dann nach Ravensbrück gelaufen – eine Woche Todesmarsch. Ihre Freundin Renée glaubte, „dass ich erschossen worden sei.“ Kein Essen. „I couldn’t walk any more. Ravensbrück was worse than Auschwitz“. „German women hit us.“ In Malchow nahe bei Berlin wurde sie von den Russen befreit. (In Malchow war ein Außenlager von Ravensbrück.) Auch nach der Befreiung gab es erst nichts zu essen. Russische Soldaten halfen ihnen. Über Berlin und Leipzig ging sie nach Maastricht und dann zurück nach Amsterdam. Ein Onkel und eine Tante waren in der Schweiz. Das wusste sie aber damals noch nicht. Eine andere Tante war in Holland/Amsterdam. „I didn’t know about the family, for years waiting. I didn’t find anybody!“ Sie wartete sehr lange noch auf die Rückkehr von Familienangehörigen. „Meine Cousine Ilse Urbach und mein Onkel, die in Australien lebten, wollten mich sehen.“ Die Cousine kam nach Holland. „She sent me the permit to come to Australia.“ 1950 konnte sie dann mit 41 Jahren nach Australien auswandern. Vier Jahre lebte sie mit Ilse Urbach zusammen. Fünf Mal sei sie verlobt gewesen, aber immer habe sie auf ihren Mann gewartet. Lucy Jäger blieb mit ihrem Freund Lewinnek dann 40 Jahre zusammen. Sie habe in einer Hemdenfabrik gearbeitet. Sie liest viel auf deutsch. Sie kann nicht glauben, warum es Menschen gibt, die nicht glauben, dass es Auschwitz gab. „But I was there.“ Sie hat ein Foto von ihrem Mann Günther aufbewahren können, es sei 1938 in Leipzig gemacht worden. 32 Verwandte von ihr seien im Holocaust umgekommen, auch ihre Eltern und ihr Bruder Hans.