Rachel Linzer geb. Walzer

Verlegeort
Choriner Str. 68
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
15. März 1909 in Lubaczów (Galizien)
Deportation
am 03. Februar 1943 von Berlin nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Rachel Walzer wurde am 15. März 1909 in Lubaczów als sechstes von neun Kindern geboren. Sie hatte vier Brüder und vier Schwestern. Ihre Eltern waren der jüdische Getreidehändler Isaak Walzer (1864-1943) und seine jüdische Frau Chaja, geb. Storch (1886-1945). In der Familie wurde Rachel Regina genannt.

Der Ort Lubaczów gehörte damals zur ungarisch-österreichischen Habsburg Monarchie, ab November 1918 zum neugegründeten Polen. Die polnische Stadt liegt an der Grenze zur Ukraine, 24 km vom jetzigen Lwiw (früher Lemberg) entfernt.

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 floh die Familie nach Wien. Dort besuchte Rachel bis zum Jahr 1922 die Jüdische Mädchenmittelschule in der Kaiserstraße. Ende 1922 zog die Familie nach Berlin, wo bereits Rachels Brüder Bernhard (1891-1943), Jacob (1898-) und Israel Walzer und ihre Schwester Erna lebten. Sie waren bereits 1920 nach Berlin gezogen. Ihre Schwester Rosa, verheiratete Fischler, blieb mit ihrer Familie in Wien.

Bernhard und Julius Walzer gründeten die, in den 30er Jahren erfolgreiche, Damen Luxus-Schuhfabrik Waco Schuhfabrik Walzer & Co.. Dort erhielt Rachel Walzer ihre Berufsausbildung. Bis zur Zwangs-Auflösung / Arisierung der Firma 1938 war sie in der Schaftstepperei in einer Vertrauensanstellung tätig. Sie lebte im Haushalt ihrer Eltern.

Rachels Vater Isaak Walzer ist in den Berliner Adressbüchern von 1924 bis zur Deportation nach Theresienstadt 1943 als Haushaltsvorstand zu finden. Zunächst in der Linienstraße 64, ab 1934 in der Choriner Straße 68. Bei der Volkszählung 1939 findet sich auch Rachel in der Wohnung der Eltern, nun unter ihrem neuen Familiennamen Linzer. Auch ihr Ehemann Moses Linzer (1908-1940) lebte 1939 hier.

Den ein Jahr älteren Schneider Moses David Linzer hatte die Kontoristin Rachel Walzer am 10. November 1938 um 9 Uhr, am Tag der Novemberpogrome, mit 29 Jahren geheiratet. Das Aufgebot hatten sie am 14. Oktober im Standesamt Prenzlauer Berg bestellt. Beide waren polnische Staatsbürger. Trauzeugen der Eheschließung waren der 22jährige Bügler Willi Becker und die 30jährige Uhrmacher-Gattin Rosa Hirsch. Zur Zeit der Eheschließung war Rachel „ohne Anstellung“.  Das Paar plante, zu den Geschwistern nach Palästina auszuwandern. Da zu der Zeit keine Emigration nach Palästina mehr möglich war, planten sie dies mit illegalen Organisationen über das Meer, wovon ihnen aber die bereits in Palästina lebende Schwester Cyla abriet, da diese Boote von der englischen Flotte aufgebracht und zurückgeschickt würden. 

Im Oktober 1938 hatte sich das Leben für polnische Jüdinnen und Juden dramatisch verschlechtert. Bei der sogenannten ‚Polenaktion‘ wurden polnische jüdische Männer aus dem Deutschen Reich abgeschoben.

Rachels Brüder Bernhard und Jacob Walzer sowie ihr Schwager Julius Nagler waren davon betroffen. Sie holten ihre Familien im Laufe des folgenden Jahres in ihre Geburtsorte nach.

Rachels ältere Schwester Cyla Leser, geb. Walzer (1905-) war 1933 nach Palästina emigriert, ebenso ihre Geschwister Sabine (Syma) (1911-), Israel und Samuel Walzer. Die Geschwister hielten weiterhin Kontakt zu ihrer Familie in Berlin.

Im Zuge einer zweiten Verhaftungswelle polnischer Juden vom 13. und 16. September 1939, nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, wurde Rachels Ehemann Moses Linzer am 13. September 1939 in das KZ Sachsenhausen verschleppt.

Dort verstarb er am 24. April 1940 um 18:15 Uhr. Als Sterbeursache wurde Herzmuskelschwäche angegeben. Bestattet wurde seine Urne auf Veranlassung seiner Schwiegermutter Chaja Walzer auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Über das Rote Kreuz hatten Rachel Linzer und ihre Eltern regelmäßigen Briefkontakt mit Cyla Leser in Palästina. Sie versuchte, letztlich vergeblich, die Übersiedlung ihrer Eltern und Schwester zu ermöglichen. 

Rachel Linzer war nach der Zwangs-Auflösung der brüderlichen Schuhfirma 1938 zunächst ohne Beschäftigung. Zuletzt wurde sie zur Zwangsarbeit bei den Siemens-Schuckert-Werken verpflichtet. 

Lange noch erhielt die Familie weitere finanzielle Unterstützung durch Mietüberschüsse des Hauses ihres Bruders Bernhard.

Auf ihrer letzten Karte an ihre Schwester in Palästina schrieb Rachel Linzer im Dezember 1942, dass sie bald Berlin verlassen müssten und sie darüber sehr traurig seien. 

Am 29. Januar 1943 mussten ihre Eltern Isaak und Chaja Walzer Berlin mit dem 84. Alterstransport Richtung Theresienstadt verlassen. Die auf der Deportationsliste vermerkte letzte Adresse war Auguststraße 14/15. Unter dieser Adresse befand sich zunächst das Jüdische Krankenhaus, später das jüdische Kinderheim AHAWAH und zuletzt das „Siechenheim“, missbraucht als Sammellager für alte und gebrechliche jüdische Menschen zur Deportation in den sicheren Tod.

In Theresienstadt war ihre Adresse Westgasse 3, Kinosaal. Hier starb Rachels Vater Isaak Walzer am 17. August 1943. Ihre Mutter Chaja Walzer wurde am 18. Dezember 1943 von Theresienstadt aus nach Auschwitz in den Tod deportiert.

Fünf Tage nach der Deportation ihrer Eltern aus Berlin nach Theresienstadt, musste Rachel Linzer am 03. Februar 1943 Berlin mit dem 28. Osttransport verlassen. Als ihre letzte Adresse wird Choriner Straße 68 genannt. Ziel des Transports war Auschwitz. 

Ihr Name auf der Deportationsliste ist ihr letztes Lebenszeichen.

Rachels Bruder Bernhard Walzer wurde Ende 1938, während der sog. Polenaktion, nach Polen abgeschoben. Anfang 1939 folgen ihm seine Frau Frieda und der 13-jährige Sohn Manfred nach Lubaczów. Vermutlich bei einem Massaker am 7. Januar durch die deutschen Besatzer wurde die Familie erschossen.

Vermutlich ebenfalls in Polen, im Heimatort des Julius Leser in Polnisch-Galizien, wurde Rachels Schwester Erna Leser mit ihrem Mann Julius und Sohn Adolf, Addi genannt, bei einem Massaker ermordet, so berichtete Cyla Leser.

Als verschollen gilt Rachels Schwester Rosa, verheiratete Fischler. Ihr Ehemann und die gemeinsamen vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, konnten überleben.

Überleben konnten auch Rachel Linzers Schwester Cyla, (1905-) sowie die Geschwister Syma, Jacob, Israel und Samuel.