Isaak Walzer

Verlegeort
Choriner Str. 68
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
12. Mai 1864 in Lubaczów (Galizien)
Beruf
Kaufmann
Deportation
am 29. Januar 1943 von Berlin nach Theresienstadt
Ermordet
17. August 1943 in Theresienstadt

Isaak Walzer wurde am 12.5.1864 in Lubaczów geboren. Die seit 1918 zu Polen gehörende Stadt liegt an der jetzigen Grenze zur Ukraine, 24 km von Lwiw (früher Lemberg) entfernt. 1885 heiratete er mit 21 Jahren die ebenfalls aus Lubaczów stammende 17jährige Chaja, geb. Storch. Sie wurde am 14.4.1868 in Lubaczów geboren. In Lubaczów bekam das jüdische Paar 9 Kinder: Rosa, Bernhard (Berl), Erna, Jakob, Israel, Cyla (Cilla), Rachel (Regina), Syma (Sabine) und Samuel.  In Lubaczów war Isaak Walzer Eigentümer einer Getreidegroßhandlung.

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 zog die Familie nach Wien, acht Jahre später, 1922, nach Berlin. 

Die Söhne Bernhard, Jacob und Israel Walzer und Tochter Erna lebten bereits hier.

Die älteste Tochter Rosa, verheiratete Fischler, blieb mit ihrer Familie in Wien.

In den Berliner Adressbüchern ist Isaak Walzer ab 1924 als Haushaltsvorstand mit dem Beruf Kaufmann gemeldet. Ihre erste Wohnung bezog die Familie in der Linienstraße 64, wo sie bis zum Umzug in die Choriner Straße 68 im Jahr 1933 lebte. Die Choriner Straße 68 war der letzte freiwillig gewählte Wohnort der Familie. Die Wohnung befand sich im 1. Obergeschoss links des Vorderhauses und hatte 3 Zimmer und eine Küche.

1924 gründeten Bernhard Walzer, sein Bruder Jakob und Bernhard Walzers Schwager Oskar Scheindling die WACO-Schuhfabrik. Isaak Walzer brachte sein Vermögen als stiller Teilhaber in die Firma ein. Im Handelsregister wurde die Firma als Waco Schuhfabrik Walzer & Co eingetragen. Jakob Walzer verließ die Schuhfabrik und gründete 1936 eine Firma für Krawatten und Schals, Mechanische Weberei-Erzeugnisse Jakob Walzer mit Sitz Leipziger Straße 51. Beiden Söhnen und ihren Familien ging es wirtschaftlich so gut, dass sie Grundbesitz mit Wohnhäusern erwerben konnten. Bernhard Walzer lebte mit seiner Familie in einer, wie seine Schwester Cyla Leser berichtete, „hocheleganten 6-Zimmer-Wohnung“ in der Levetzowstraße 19.

Auch die Töchter Erna und Cyla hatten sich in Berlin beruflich erfolgreich selbständig gemacht. Erna Walzer führte zunächst in der Oranienstraße ein Stoffgeschäft. Nach der Eheschließung 1926 mit Julius Nagler führten Beide in der Saarbrückerstraße 30 einen Wäscheverleih. Cyla Walzer machte sich nach ihrer Ausbildung als Zuschneiderin selbständig und gründete das Modeatelier Cyla Walzer Modeatelier in der Linienstraße an der Volksbühne. 1929 heiratete sie den Kaufmann Jakob Leser. Jakob Leser war Hersteller feiner Seiden Damen Unterwäsche, die er in ihrem Salon verkaufte. Sima (Sabine) Walzer trat nach Abschluss der Mittelschule für Mädchen in der Kaiserstraße 4 1927 als Lehrmädchen in den Modesalon ihrer Schwester Cyla ein und war dort bis zur Auflösung des Salons 1933 Schneiderin. Zuletzt war der Modesalon in der Rosenthaler Str. 2 im Hause Fabisch untergebracht. Der jüngste Sohn der Familie Walzer, Samuel, besuchte die Volksschule der jüdischen Gemeinde in der Linienstraße 19 und dann die Mittelschule Talmud Thora der Synagogengemeinde in der Großen Hamburger Straße 27. In diesem Haus befindet sich jetzt das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn. Anschließend schloss Samuel Walzer eine Ausbildung als Kürschner ab. 

Ab 1933 verschlechterte sich das Leben für jüdische Menschen in Deutschland Zug um Zug. Chaja und Isaak Walzers Kinder Cyla, verh. Leser, Sabine (Syma), Israel und Samuel Walzer emigrierten 1933 nach Palästina. 

Im Oktober 1938 verschlechterte sich das Leben für polnische Jüdinnen und Juden noch einmal dramatisch. Bei der sogenannten ‚Polenaktion‘ wurden polnische jüdische Männer aus dem Deutschen Reich abgeschoben.

„[...] etwa 17.000 vorrangig männliche erwachsene Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit [wurden] am 28. und 29. Oktober 1938 zu Übergangsbahnhöfen an der Grenze zu Polen gebracht. In lokalen Zügen wurden sie nach Polen weiterbefördert, die meisten von ihnen jedoch noch im Laufe der Nacht zu Fuß über die Grenze gejagt. Andere wurden in einem Lager bei Bentschen (Zbaszyn) interniert. Ein Großteil der nach Polen abgeschobenen Juden gelangte in andere polnische Städte und Ghettos. Starben sie nicht an den dortigen Arbeits- und Lebensbedingungen, so fielen sie in der Folgezeit den brutalen Vernichtungsaktionen zum Opfer. [...] Wer nicht fliehen konnte, geriet auf unterschiedliche Weise in den Verfolgungs- und Vernichtungsapparat. So waren Juden 1938 überproportional von KZ-Einweisungen im Zuge der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ betroffen.“ (Bundesarchiv; Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945; Die Abschiebung polnischer Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich 1938/1939) 

Betroffen von dieser Vertreibung waren Isaak Walzers Söhne Bernhard und Jacob und der Ehemann seiner Tochter Erna, Julius Nagler. Im Laufe des folgenden Jahres war es den Vertriebenen möglich, ihre Familien nachzuholen. Die Firmen wurden ‚arisiert‘ oder aufgelöst.

Die in Palästina lebenden Kinder hielten Kontakt und hatten seit ihrer Flucht immer wieder versucht, ihre Angehörigen zur Auswanderung zu bewegen. Auch versuchten Sie, ihren Eltern und Geschwistern die Emigration durch finanzielle Unterstützung, durch Einreisezertifikate für Palästina, sowie ‚Effidevit‘ (Affidavit) für Amerika zu ermöglichen, leider vergebens. Bereits bei Besuchen in Tel Aviv 1934 und 1935 hatte Bernhard Walzer seiner Schwester Cyla versprochen, bald nachzukommen, um sich in Palästina eine neue Existenz aufzubauen. Er sei, so Cyla Leser, aber ein Zauderer gewesen und habe sich schwer entscheiden können. Der Krieg habe dann alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht.

Am Tag der Novemberpogrome, am 10. November 1938 schlossen die bei ihren Eltern lebende Tochter, mittlerweile ausgebildete Kontoristin, Rachel Walzer und der Schneider Moses David Linzer die Ehe.  Fortan lebte das Paar mit in der elterlichen Wohnung Choriner Str. 68.  Am 23. August 1939 zog vorübergehend eine weitere Familie zur Familie Walzer in die Choriner Straße 68. Ob und inwieweit die kleine Familie Wajcer aus der Krausnickstraße 18 mit der Familie Walzer verwandt war, ist nicht bekannt.

Im Zuge einer zweiten Verhaftungswelle polnischer Juden vom 13. und 16. September 1939, nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, wurde Rachels Ehemann Moses Linzer am 13. September 1939 in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Dort verstarb er am 24. April 1940. Bestattet wurde seine Urne auf Veranlassung seiner Schwiegermutter Chaja Walzer auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Von der vormals großen Familie Walzer lebten in Berlin nun nur noch Isaak, Chaja und die verwitwete Tochter Rachel. Lange noch erhielt die Familie finanzielle Unterstützung durch Mietüberschüsse des Hauses ihres Sohnes Bernhard Walzer und seiner Frau. Tochter Rachel Linzer war zur Zwangsarbeit bei den Siemens-Schuckert-Werken verpflichtet, über die sie ein geringes Einkommen erwarb.

Auf ihrer letzten Karte an ihre in Palästina lebende Schwester im Dezember 1942 schrieb Regina , wie sie in der Familie genannt wurde, dass sie und ihre Eltern bald Berlin verlassen müssten und sie darüber sehr traurig seien.

Das Ehepaar Isaak und Chaja Walzer wurde vermutlich bereits um diese Zeit getrennt.

Isaak Walzer lebte Anfang Januar 1943 bereits im ‚Siechenheim‘ der Jüdischen Gemeinde in der Auguststraße 14/15. Unter dieser Adresse befand sich zunächst das Jüdische Krankenhaus, später das jüdische Kinderheim AHAWAH und zuletzt das „Siechenheim“, missbraucht als Sammellager für alte und gebrechliche jüdische Menschen zur Deportation in den sicheren Tod.

Dort unterschrieb Isaak Walzer am 9. Januar 1943 als Heiminsasse die Vermögenserklärung.

Drei Wochen später, am 29. Januar 1943, wurde das Ehepaar Isaak und Chaja Walzer, 78 und 74 Jahre alt, von Berlin mit dem 84. Alterstransport Richtung Theresienstadt deportiert. Die auf der Liste vermerkte letzte Adresse war Auguststraße 14/15. 

Sieben Monate später, am 17.August 1943 um 15:30 Uhr verstarb Isaak Walzer unter der Adresse Theresienstadt, Westgasse 3, Kinosaal. Die Totenschau führte Dr. Margit Pereles durch. Als Todesursache vermerkte sie „Anämie, Herztod“.

Isaak Walzers Witwe Chaja wurde drei Monate später, am 18. Dezember 1943 von Theresienstadt noch einmal verschleppt. In das Konzentrationslager Auschwitz in den Tod.

Fünf Tage nach der Deportation ihrer Eltern in das Ghetto Theresienstadt, musste auch Tochter Rachel, verwitwete Linzer, am 03. Februar 1943 Berlin verlassen. Auf der Liste des 28. Osttransports mit Ziel Auschwitz findet sich ihr letztes Lebenszeichen. Ihre letzte Adresse war Choriner Straße 68.

Die Wohnung Choriner Str. 68 wurde der Vermögensverwertungsstelle als am 31. Mai 1943 geräumt gemeldet. 

Sohn Bernhard Walzer, seine Frau Frieda und der 13-jährige Sohn Manfred lebten ab 1939 wieder in Lubaczów, im Ghetto. Am 6. Januar 1943 wurde das Ghetto durch eine Massenerschießung aufgelöst.

Überlebende des Massakers in Lubaczów berichteten, die kleine Familie Walzer habe sich in einem Bunker versteckt. Sie seien entdeckt, aus dem Bunker geholt und sofort erschossen worden.

Tochter Erna Nagler folgte 1939 ihrem Mann mit Sohn Adolf, Addi genannt, in seinen Heimatort, eine Kleinstadt in Polnisch-Galizien.3 Seitdem gelten sie als vermisst.

Jakob Walzer überlebte das Arbeitslager Plaszow und das Ghetto Krakau. Ehefrau Maria und Sohn Heinz wurden in Cianowice bei Krakau abgeholt. Sie sind verschollen.

Die in Wien verbliebene älteste Tochter Rosa Fischler wurde am 19.10.1941 von Wien in das Ghetto Litzmannstadt deportiert. Hier verliert sich ihre Spur.

Ihr Mann Markus Fischler war bereits im Zuge der Novemberpogrome in Wien mit rund 3700 Männern in das KZ Dachau verschleppt worden. Er überlebte und verstarb 1945 entkräftet in Israel.

Ihre vier Kinder konnten fliehen und überleben.

Ebenfalls überleben konnten Jakob Walzer, Israel Walzer, Cyla Leser, geb. Walzer, Sima und Samuel Walzer.