Hannchen Lorber geb. Masur

Verlegeort
Stargarder Str. 78
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
05. Mai 2024
Geboren
11. November 1869 in Lissa (Schlesien) / Leszno
Deportation
am 01. November 1941 von Berlin in das Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert
am 01. April 1942 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet
09. Mai 1942 im Chełmno / Kulmhof

HANNCHEN LORBER geb. Masur kam am 11. November 1869 in Lissa b. Posen/ Leszno auf die Welt. Ihr Vater, der Handelsmann Julius Masur und ihre Mutter Bertha geb. Feuerstein, beide jüdischen Glaubens lebten dort „mit den Rechten von Inländern ausgestattet“. Sie hatten 1863 geheiratet. Es folgten neun Kinder - Minna (1865 - 1940), Elias (1866 - 1931), Julie (1874 – 1958), Hannchen (1869 - 1942), Adelheid (1875 – 1942), Moritz (1876 -1938), Charlotte (1879 – 1943) und Benno (1881 – 1941) Die Eltern starben bereits Anfang des 20.Jahrhundert.Viele der Kinder hatten sich in Berlin niedergelassen. So auch Hannchen, die den 1868 geborenen aus Ternepol/Galizien stammenden Schneidersohn Wolf Chaim Lorber am 31.10.1900 in Berlin geheiratet hatte. Wolfs vorherige Ehe mit der Hutmacherin Amalie Ball wurde nach nur zwei Jahre 1897 wieder aufgelöst. Akten aus dem Mainzer Amtsgericht von 1901 übermitteln, dass er ein Abzahlungsgeschäft für Bilder, Uhren und Spiegel hatte, über welches 1901 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Ab 1905 findet man ihn wieder in Berlin. Von Niederschönhausen aus über die Schonensche Straße 38 und Rhodenbergstraße 31 kommend hatte das Ehepaar 1915 in dem Eckhaus Stargarder Str.78/ Greifenhagener Str. 55 ihr langjähriges Domizil in Berlin gefunden. Dort betrieb der Damenkonfektionsschneider im Haus seine Werkstatt.  Zwar auf der Eheurkunde vermerkt als -ohne Beruf- ist vorstellbar, dass Hannchen in der Schneiderwerkstatt ihres Mannes mitarbeitete.  Gemeinsame Kinder konnten nicht nachgewiesen werden. Auch sonst ist nichts weiter über Hannchen überliefert. Dass die Eheleute vom nationalsozialistischen Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte im April 1933 direkt betroffen waren, ist anzunehmen. Im Sommer desselben Jahres starb Wolf Lorber.

Hannchens ältere, seit 1932 verwitwete Schwester, Minna, verheiratete Korytowski zog zu ihr in die Drei - Zimmer Wohnung des 2. Stockwerks im Vorderhaus.  Womit die Schwestern ihren Lebensunterhalt ohne ihre Ehemänner bestritten ist unklar.  Die zwanzig Jahre jüngere Pauline Hirsekorn, geb. Loszynski lebte jedenfalls mit ihnen, vermutlich noch bis 1943, bis zur „Fabrikaktion“ in der Wohnung.  Seit wann und in welchem Verhältnis die drei Frauen zu einander standen, konnte bisher nicht ermittelt werden. Sie jedenfalls konnte später untertauchen und überlebte die Shoa.

Hannchen jedoch wurde Ende Oktober 1941 von der Gestapo abgeholt und zum Sammellager Levetzowstraße. gebracht. Ihre Schwester Minna war bereits im August 1940 im jüdischen Krankenhaus gestorben und auf dem jüdischen Friedhof, wie ihr Ehemann Isidor und Hannchens Ehemann Wolf Chaim begraben.

….Am 1. November wurden (die Inhaftierten) vom Sammellager zum Bahnhof Grunewald gebracht. Diejenigen, die nicht laufen konnten, wurden mit Lastwagen dorthin gebracht, während die anderen bei strömendem Regen etwa sieben Kilometer durch die Stadt laufen mussten. Am Bahnhof warteten Personenwagen der dritten Klasse auf sie und die Deportierten wurden angewiesen, in den Zug einzusteigen. Während der Fahrt wurden die Juden von einem Wachkommando der Schupo-Polizei bewacht. Der gesamte jüdische Besitz wurde nach der Abfahrt des Transports von der Gestapo verkauft. Dieser vierte Transport aus Berlin (Welle IV) … kam am 2. November 1941 in Lodz an. ...

Unmittelbar nach der Ankunft des Transports in Lodz – dort als Transport 18 registriert – beschlagnahmte die Polizei sämtliche Gelder und Dokumente der Deportierten und übergab beides der Gestapo. Anschließend wurden die Juden in das örtliche Ghetto geführt. Dies war der letzte von vier Transporten von Berlin nach Lodz. Hauptmann der Schutzpolizei Künzel stellte am 13. November 1941 fest, dass 4.187 Juden aus Berlin in Lodz angekommen seien. (https://collections.yadvashem.org/)

„ … In dem Stadtteil, in dem das Ghetto errichtet worden war, gab es weder Elektrizität noch fließendes Wasser. In Folge der schweren Überfüllung und des Hungers kamen im Ghetto in etwa ein Viertel seiner Bewohner um. ... https://holocaustresearchproject.net/ghettos/Lodz/lodzghetto.html

Hannchen, bald 72 Jahre alt, wurde in der Blattbindergasse Nr. 52 untergebracht, überlebte knapp ein halbes Jahr die unmenschlichen Bedingungen. Als arbeitsunfähig eingestuft wird sie im April 1942 in das Vernichtungslager Kulmhof verschleppt und stirbt dort einen Monat später am 9. Mai 1942.

Neben Hannchen wurden weitere vier der Masur-Geschwister und Familienmitglieder deportiert und ermordet:

Lina Biegeleisen   im KZ Treblinka,

Adelheid Schendel und die Kinder Lydia Ghetto Riga, Sohn Berthold wird in der Aktion Sachsenhausen erschossen. Herbert und Wolfgang in Auschwitz,

Charlotte Lichtblau mit ihrem Ehemann Elias Lichtblau und ihren Kindern in Auschwitz.
Benno Masur im Ghetto Fort IX Kowno/ Litauen
Einzig die Schwester Julie Färber konnte mit ihrem Ehemann Jacob und den drei Kindern 1939 in die USA emigrieren und ihr Leben retten. Sie lebte noch bis 1958 in New York.