Louis Hoffmann

Verlegeort
Senefelderstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
27. April 2012
Geboren
06. April 1874 in Tuchel (Westpreußen) / Tuchola
Deportation
am 05. November 1942 nach Theresienstadt
Später deportiert
nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Louis Hoffmann wurde am 6. April 1874 im damals preußischen Tuchel (dem heutigen Tuchola) geboren, das etwa 55 Kilometer nördlich von Bromberg (Bydgoszcz) liegt. Er war der Sohn des Kaufmanns Schabse Hoffmann und dessen Frau Minna Hoffmann. Louis hatte mindestens zwei Geschwister: Sein älterer Bruder Michael (auch Michaelis genannt) war am 9. September 1871 in Tuchel geboren worden; seine jüngere Schwester Johanna kam am 27. Januar 1879 zur Welt. Über die Kindheit und Jugend von Louis Hoffmann und seinen Geschwistern in der Kreisstadt Tuchel haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Louis ungefähr 860 der 2900 Einwohner zählten.<br />
<br />
Am Ort gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Synagoge, die jüdischen Kinder besuchten die örtliche Elementarschule. Nach seinem Schulabschluss ergriff Louis den Beruf seines Vaters und wurde Kaufmann. Seit den 1880er-Jahre hatte in Tuchel – wie überall in den kleinen Landstädten – eine Landflucht in die größeren wirtschaftlichen Zentren eingesetzt. Louis verschlug es aber in einen kleineren Ort. Er zog um die Jahrhundertwende oder kurz zuvor aus Tuchel in die Ortschaft Brückendorf in Osterode (das heutige Mostkowo), wo er um 1900/1901 die damals achtzehnjährige Hedwig Löwenstein heiratete. Die Tochter von Gutsbesitzern stammte aus dem nahe gelegenen Waldeck (Wałdyki) im Kreis Löbau. Mit der Mitgift der Braut eröffnete das Paar ein Geschäft für Textilwaren. Am 7. Dezember 1902 kam ihr erstes Kind, ihre Tochter Elly, in Brückendorf zur Welt. Louis und Hedwig Hoffmann sollten während ihrer Ehe insgesamt neun Kinder bekommen: Zwei Jahre nach Elly wurde ihr Sohn Georg, 1905 ihre Tochter Gertrud und 1906 ihre Tochter Betty in Brückendorf geboren. Danach zog die Familie nach Rosenberg (Susz), wo Louis ein Manufakturwarengeschäft eröffnete. Hier kamen 1909 Helene, 1913 ihr zweiter Sohn Julius, im Jahr 1916 Hertha, 1918 Else und schließlich 1923 ihre jüngste Tochter Meta Hoffmann zur Welt. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Louis Hoffmann eingezogen oder meldete sich freiwillig und war als Soldat an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Leider gibt es keine Quellen, die einen Einblick in das Leben der Hoffmanns in Rosenberg während der Zeit der Weimarer Republik geben könnten. Im Juni 1929 starb Hedwig Hoffmann offenbar nach einer Operation in der chirurgischen Universitätsklinik von Königberg (Kaliningrad) im Alter von 47 Jahren. Louis verließ mit den noch bei ihm lebenden Kindern nach dem Tod seiner Ehefrau Rosenberg und zog nach Popelken (Wyssokoje) im damaligen Ostpreußen. Dort übernahm er das Manufakturwarengeschäft seines Bruders für Stoffe, Schnittwaren, Bettwaren sowie Herren- und Kinderbekleidung und heiratete 1930 die Witwe Grete Czarlinski, die zu ihm zog. Die meisten seiner Kinder, die nicht mehr im elterlichen Haushalt lebten, waren in den 1920er- oder 1930er nach Berlin gegangen und hatten dort Hausstände gegründet.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Hoffmann. Louis war als Geschäftsinhaber in der Kleinstadt Popelken einer der exponiertesten Angriffsziele der antisemitischen Ausschreitungen und Boykotte. Ab 1933 wurden seine Geschäftsräume mehrfach durch Uniformierte blockiert, Kunden wurden verschreckt oder sie schlossen sich selbstständig den Boykotten an. Er und seine Familienangehörige erlebten in der Ortschaft Hetze und physische Bedrohung, auch mit dem Hinweis, er würde bald verhaftet werden. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Mitte bis Ende der 1930er-Jahre – möglicherweise mit den Pogromen 1938 – spitzte sich die Situation derart zu, dass Grete und Louis Hoffmann entschieden, den Ort fluchtartig zu verlassen und Zuflucht bei den Verwandten Gretes in Berlin zu suchen. Vielleicht wurde ein Teil des Besitzes, des Hausstandes und das Geschäft in Popelken vor der Flucht zwangsweise verschleudert, wie es später behördlich angenommen wurde, laut Familienangaben wagte Louis Hoffmann aber keine Veräußerung. Er wollte die Verhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt ordnen, wenn sich die Situation entschärft hätte. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Mit wenigen Wertgegenständen im Gepäck retteten sich Grete und Louis Hoffmann und die letzte noch bei ihnen lebende Tochter Meta Hoffmann aus der Stadt. In Berlin kamen sie zunächst in der Wohnung von Gretes Mutter in der Charlottenburger Kirchstraße 14 unter. Um 1938/1939 musste diese Wohnung geräumt werden und die Hoffmans zogen mit der damals 82-jährigen Lina Czarlinski in die Wohnung, die die Schwester von Grete, Elfriede Redlich, und deren Mann Siegfried in der Senefelderstraße 4 im Prenzlauer Berg bewohnten. Das Ehepaar hatte während der Weimarer Republik im Prenzlauer Berg eine Damenschneiderei betrieben, die sie aber hatten aufgeben müssen. Mit Kriegsbeginn 1939 musste Louis Hoffmann als Schichtarbeiter in der Waffen- und Munitionsfabrik Borsigwalde Zwangsarbeit leisten. Grete Hoffmann war als Hauspflegerin der Jüdischen Gemeinde tätig. Das Leben in Berlin wurde für die Hoffmans Ende der 1930er-Jahre und Anfang der 1940er-Jahre zunehmend zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im Winter 1941 musste auch die Wohnung in der Senefelderstraße geräumt werden. Elfriede und Siegfried Redlich kamen in der Rykestraße 41 unter, in der wiederum auch Grete und Louis Hoffmann ein Zimmer zur Untermiete bezogen. Die Mutter von Grete und Elfriede war vermutlich inzwischen verstorben, jedenfalls lebte sie Anfang der 1940er-Jahre nicht mehr mit den beiden Ehepaaren in der Wohnung in der Rykestraße.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Gut ein Jahr später erhielten die Hoffmanns den Deportationsbescheid. Sie wurden in eines der Berliner Sammelstellen verbracht und von dort am 5. November 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Grete und Louis Hoffmann durchlitten die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto Theresienstadt anderthalb Jahre, bevor sie am 16. Mai 1944 aus Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden.<br />
<br />
Von den neun Kindern von Louis Hoffmann überlebten drei im Exil. Seinem Sohn Georg Hoffmann gelang 1940 mit Frau und Kind die Flucht über Sibirien nach Shanghai. Er lebte später in den USA, genauso wie sein jüngerer Brüder Julius Hoffmann, der sich ebenfalls nach Shanghai hatte retten können. Louis’ Tochter Hertha Silberstein, geborene Hoffmann, gelang mit ihrem Kind die Flucht in das Mandatsgebiet Palästina. Sie lebte später in Israel. Sechs Töchter von Louis und deren Familienangehörige wurden ermordet: Elly, Gertrud, Betty, Helene, Else und Meta Hoffmann.<br />
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Die jüngste Tochter von Louis, Meta Hoffmann, hatte 1939 im Bechstedter Weg 13 in Wilmersdorf gelebt. Sie wurde im August 1942 mit dem „18. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit nach Riga deportiert und dort ermordet. Wenige Wochen später wurde Else Brager, geborene Hoffmann, am 19. Oktober 1942 mit ihren drei 1939, 1941 und im Juni 1942 geborenen Kleinkindern Amon, Berl und Gittel sowie ihrem Ehemann, dem aus Hamburg stammenden Fleischer Ivan Brager, aus ihrer letzten Berliner Wohnung in der Franseckystraße 4 (der heutigen Sredzkistraße) nach Riga deportiert. Else und Meta, Amon, Berl und Gittel wurden nach ihrer Ankunft in Riga-Šķirotava in den umliegenden Wäldern des Ghettos bei Rumbula erschossen. Ivan Brager wurde in Riga mit 80 anderen Männern des Transports in eines der Arbeitskommandos selektiert. Er gehörte am Kriegsende zu einem der wenigen Überlebenden unter diesen Männern. Der Ehemann von Helene Freund, geborene Hoffmann, Alfred Freund, wurde im Zuge der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen nach dem Brandanschlag der Widerstandgruppe um Herbert Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ am 27. Mai 1942 in Berlin verhaftet, am Abend in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und dort mit 250 anderen Geiseln am Morgen des 28. Mai 1942 ermordet. Helene Freund und ihre 1940 geborene Tochter Bella Freund wurden aus ihrer Berliner Wohnung in der Sebastianstraße 21 in Kreuzberg mit einem Sondertransport, der ausschließlich für Angehörige der Erschossenen bestimmt war, am 5. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Im Mai 1944 wurden die beiden weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ellys Ehemann Hermann Dannenberg war am 17. April 1942 im Konzentrationslager Niederhagen ermordet worden – vermutlich war er als KZ-Häftling im „Außenkommando Wewelsburg“ zu Arbeiten bei der Bebauung der Burganlage Wewelsburg für die von Heinrich Himmler hier geplante SS-Versammlungsstätte gezwungen worden. Elly Dannenberg und ihre 1925, 1927 und 1938 geborenen Töchter Hildegard, Lisbet und Hannacha Gittel lebten 1939 in Schöneberg in der Merseburger Str. 13, Gertrude Schleimer mit ihrem Ehemann Hermann Schleimer und ihren 1938, 1939 und 1942 geborenen Kindern Marion, Sally und Lot im Prenzlauer Berg in der Rombergstraße 11 (heute Mendelssohnstraße) und Betty Rosenfeld und ihr Ehemann in Mitte in der Bergstraße 69. Alle drei Familien wurden im Zuge der „Fabrik-Aktion“ im März 1943 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Einzig der Sohn von Elly Dannenberg, Siegfried Dannenberg, der ebenfalls mit seiner Mutter und seinen Schwestern nach Auschwitz deportiert worden war, wurde 1943 ins Stammlager selektiert und überlebte. Er lebte später in Israel.<br />
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Beide Geschwister von Louis Hoffmann wurden ebenfalls ermordet: Sein Bruder Michael Hoffmann hatte zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 in Königberg i. Pr. (Kaliningrad) gelebt. Er wurde im August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus im September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo der 71-Jährige ermordet wurde. Dessen Sohn Kurt (*1919) überlebte die NS-Verfolgung und lebte später mit seiner Familie in den USA. Louis’ Schwester Johanna Hoffmann, verheiratete Schilobolski, lebte 1939 mit ihrem Ehemann Sigmar im Prenzlauer Berg. Im März 1943 wurde das Ehepaar in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort aus wurden sie im Oktober 1944 weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Laut Familienangaben überlebten mehrere ihrer mindestens sechs Kinder die NS-Verfolgung und lebten später mit ihren Familien in Israel.<br />
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Von den Angehörigen von Louis’ Ehefrau überlebten ebenfalls wenige die NS-Verfolgung: Gretes Schwester Elfriede und ihr Ehemann mussten wenige Tage nach den Hoffmanns ebenfalls die Rykestraße verlassen. Sie wurden zusammen mit Gretes Bruder Georg, dessen Ehefrau Frieda Czarlinski, geborene Bieber, und deren 1928 geborenen Sohn Alfred am 9. Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Gretes Nichte Ruth emigrierte 1933 in das Mandatsgebiet Palästina. Gretes jüngster Bruder Siegfried wurde 1944 in Berlin in das Sammellager der Weddinger Schulstraße verschleppt. Von dort kam er mit anderen Juden in das „Arbeitserziehungslager“ Großbeeren bei Teltow südlich von Berlin und wurde dort am 18. Mai 1944 ermordet. Seine Frau Anna Czarlinski, geborene Stock, überlebte.

Louis Hoffmann wurde am 6. April 1874 im damals preußischen Tuchel (dem heutigen Tuchola) geboren, das etwa 55 Kilometer nördlich von Bromberg (Bydgoszcz) liegt. Er war der Sohn des Kaufmanns Schabse Hoffmann und dessen Frau Minna Hoffmann. Louis hatte mindestens zwei Geschwister: Sein älterer Bruder Michael (auch Michaelis genannt) war am 9. September 1871 in Tuchel geboren worden; seine jüngere Schwester Johanna kam am 27. Januar 1879 zur Welt. Über die Kindheit und Jugend von Louis Hoffmann und seinen Geschwistern in der Kreisstadt Tuchel haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Louis ungefähr 860 der 2900 Einwohner zählten.

Am Ort gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Synagoge, die jüdischen Kinder besuchten die örtliche Elementarschule. Nach seinem Schulabschluss ergriff Louis den Beruf seines Vaters und wurde Kaufmann. Seit den 1880er-Jahre hatte in Tuchel – wie überall in den kleinen Landstädten – eine Landflucht in die größeren wirtschaftlichen Zentren eingesetzt. Louis verschlug es aber in einen kleineren Ort. Er zog um die Jahrhundertwende oder kurz zuvor aus Tuchel in die Ortschaft Brückendorf in Osterode (das heutige Mostkowo), wo er um 1900/1901 die damals achtzehnjährige Hedwig Löwenstein heiratete. Die Tochter von Gutsbesitzern stammte aus dem nahe gelegenen Waldeck (Wałdyki) im Kreis Löbau. Mit der Mitgift der Braut eröffnete das Paar ein Geschäft für Textilwaren. Am 7. Dezember 1902 kam ihr erstes Kind, ihre Tochter Elly, in Brückendorf zur Welt. Louis und Hedwig Hoffmann sollten während ihrer Ehe insgesamt neun Kinder bekommen: Zwei Jahre nach Elly wurde ihr Sohn Georg, 1905 ihre Tochter Gertrud und 1906 ihre Tochter Betty in Brückendorf geboren. Danach zog die Familie nach Rosenberg (Susz), wo Louis ein Manufakturwarengeschäft eröffnete. Hier kamen 1909 Helene, 1913 ihr zweiter Sohn Julius, im Jahr 1916 Hertha, 1918 Else und schließlich 1923 ihre jüngste Tochter Meta Hoffmann zur Welt. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Louis Hoffmann eingezogen oder meldete sich freiwillig und war als Soldat an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Leider gibt es keine Quellen, die einen Einblick in das Leben der Hoffmanns in Rosenberg während der Zeit der Weimarer Republik geben könnten. Im Juni 1929 starb Hedwig Hoffmann offenbar nach einer Operation in der chirurgischen Universitätsklinik von Königberg (Kaliningrad) im Alter von 47 Jahren. Louis verließ mit den noch bei ihm lebenden Kindern nach dem Tod seiner Ehefrau Rosenberg und zog nach Popelken (Wyssokoje) im damaligen Ostpreußen. Dort übernahm er das Manufakturwarengeschäft seines Bruders für Stoffe, Schnittwaren, Bettwaren sowie Herren- und Kinderbekleidung und heiratete 1930 die Witwe Grete Czarlinski, die zu ihm zog. Die meisten seiner Kinder, die nicht mehr im elterlichen Haushalt lebten, waren in den 1920er- oder 1930er nach Berlin gegangen und hatten dort Hausstände gegründet.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Hoffmann. Louis war als Geschäftsinhaber in der Kleinstadt Popelken einer der exponiertesten Angriffsziele der antisemitischen Ausschreitungen und Boykotte. Ab 1933 wurden seine Geschäftsräume mehrfach durch Uniformierte blockiert, Kunden wurden verschreckt oder sie schlossen sich selbstständig den Boykotten an. Er und seine Familienangehörige erlebten in der Ortschaft Hetze und physische Bedrohung, auch mit dem Hinweis, er würde bald verhaftet werden. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Mitte bis Ende der 1930er-Jahre – möglicherweise mit den Pogromen 1938 – spitzte sich die Situation derart zu, dass Grete und Louis Hoffmann entschieden, den Ort fluchtartig zu verlassen und Zuflucht bei den Verwandten Gretes in Berlin zu suchen. Vielleicht wurde ein Teil des Besitzes, des Hausstandes und das Geschäft in Popelken vor der Flucht zwangsweise verschleudert, wie es später behördlich angenommen wurde, laut Familienangaben wagte Louis Hoffmann aber keine Veräußerung. Er wollte die Verhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt ordnen, wenn sich die Situation entschärft hätte. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Mit wenigen Wertgegenständen im Gepäck retteten sich Grete und Louis Hoffmann und die letzte noch bei ihnen lebende Tochter Meta Hoffmann aus der Stadt. In Berlin kamen sie zunächst in der Wohnung von Gretes Mutter in der Charlottenburger Kirchstraße 14 unter. Um 1938/1939 musste diese Wohnung geräumt werden und die Hoffmans zogen mit der damals 82-jährigen Lina Czarlinski in die Wohnung, die die Schwester von Grete, Elfriede Redlich, und deren Mann Siegfried in der Senefelderstraße 4 im Prenzlauer Berg bewohnten. Das Ehepaar hatte während der Weimarer Republik im Prenzlauer Berg eine Damenschneiderei betrieben, die sie aber hatten aufgeben müssen. Mit Kriegsbeginn 1939 musste Louis Hoffmann als Schichtarbeiter in der Waffen- und Munitionsfabrik Borsigwalde Zwangsarbeit leisten. Grete Hoffmann war als Hauspflegerin der Jüdischen Gemeinde tätig. Das Leben in Berlin wurde für die Hoffmans Ende der 1930er-Jahre und Anfang der 1940er-Jahre zunehmend zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im Winter 1941 musste auch die Wohnung in der Senefelderstraße geräumt werden. Elfriede und Siegfried Redlich kamen in der Rykestraße 41 unter, in der wiederum auch Grete und Louis Hoffmann ein Zimmer zur Untermiete bezogen. Die Mutter von Grete und Elfriede war vermutlich inzwischen verstorben, jedenfalls lebte sie Anfang der 1940er-Jahre nicht mehr mit den beiden Ehepaaren in der Wohnung in der Rykestraße.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Gut ein Jahr später erhielten die Hoffmanns den Deportationsbescheid. Sie wurden in eines der Berliner Sammelstellen verbracht und von dort am 5. November 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Grete und Louis Hoffmann durchlitten die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto Theresienstadt anderthalb Jahre, bevor sie am 16. Mai 1944 aus Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden.

Von den neun Kindern von Louis Hoffmann überlebten drei im Exil. Seinem Sohn Georg Hoffmann gelang 1940 mit Frau und Kind die Flucht über Sibirien nach Shanghai. Er lebte später in den USA, genauso wie sein jüngerer Brüder Julius Hoffmann, der sich ebenfalls nach Shanghai hatte retten können. Louis’ Tochter Hertha Silberstein, geborene Hoffmann, gelang mit ihrem Kind die Flucht in das Mandatsgebiet Palästina. Sie lebte später in Israel. Sechs Töchter von Louis und deren Familienangehörige wurden ermordet: Elly, Gertrud, Betty, Helene, Else und Meta Hoffmann.

Die jüngste Tochter von Louis, Meta Hoffmann, hatte 1939 im Bechstedter Weg 13 in Wilmersdorf gelebt. Sie wurde im August 1942 mit dem „18. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit nach Riga deportiert und dort ermordet. Wenige Wochen später wurde Else Brager, geborene Hoffmann, am 19. Oktober 1942 mit ihren drei 1939, 1941 und im Juni 1942 geborenen Kleinkindern Amon, Berl und Gittel sowie ihrem Ehemann, dem aus Hamburg stammenden Fleischer Ivan Brager, aus ihrer letzten Berliner Wohnung in der Franseckystraße 4 (der heutigen Sredzkistraße) nach Riga deportiert. Else und Meta, Amon, Berl und Gittel wurden nach ihrer Ankunft in Riga-Šķirotava in den umliegenden Wäldern des Ghettos bei Rumbula erschossen. Ivan Brager wurde in Riga mit 80 anderen Männern des Transports in eines der Arbeitskommandos selektiert. Er gehörte am Kriegsende zu einem der wenigen Überlebenden unter diesen Männern. Der Ehemann von Helene Freund, geborene Hoffmann, Alfred Freund, wurde im Zuge der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen nach dem Brandanschlag der Widerstandgruppe um Herbert Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ am 27. Mai 1942 in Berlin verhaftet, am Abend in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und dort mit 250 anderen Geiseln am Morgen des 28. Mai 1942 ermordet. Helene Freund und ihre 1940 geborene Tochter Bella Freund wurden aus ihrer Berliner Wohnung in der Sebastianstraße 21 in Kreuzberg mit einem Sondertransport, der ausschließlich für Angehörige der Erschossenen bestimmt war, am 5. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Im Mai 1944 wurden die beiden weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ellys Ehemann Hermann Dannenberg war am 17. April 1942 im Konzentrationslager Niederhagen ermordet worden – vermutlich war er als KZ-Häftling im „Außenkommando Wewelsburg“ zu Arbeiten bei der Bebauung der Burganlage Wewelsburg für die von Heinrich Himmler hier geplante SS-Versammlungsstätte gezwungen worden. Elly Dannenberg und ihre 1925, 1927 und 1938 geborenen Töchter Hildegard, Lisbet und Hannacha Gittel lebten 1939 in Schöneberg in der Merseburger Str. 13, Gertrude Schleimer mit ihrem Ehemann Hermann Schleimer und ihren 1938, 1939 und 1942 geborenen Kindern Marion, Sally und Lot im Prenzlauer Berg in der Rombergstraße 11 (heute Mendelssohnstraße) und Betty Rosenfeld und ihr Ehemann in Mitte in der Bergstraße 69. Alle drei Familien wurden im Zuge der „Fabrik-Aktion“ im März 1943 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Einzig der Sohn von Elly Dannenberg, Siegfried Dannenberg, der ebenfalls mit seiner Mutter und seinen Schwestern nach Auschwitz deportiert worden war, wurde 1943 ins Stammlager selektiert und überlebte. Er lebte später in Israel.

Beide Geschwister von Louis Hoffmann wurden ebenfalls ermordet: Sein Bruder Michael Hoffmann hatte zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 in Königberg i. Pr. (Kaliningrad) gelebt. Er wurde im August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus im September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo der 71-Jährige ermordet wurde. Dessen Sohn Kurt (*1919) überlebte die NS-Verfolgung und lebte später mit seiner Familie in den USA. Louis’ Schwester Johanna Hoffmann, verheiratete Schilobolski, lebte 1939 mit ihrem Ehemann Sigmar im Prenzlauer Berg. Im März 1943 wurde das Ehepaar in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort aus wurden sie im Oktober 1944 weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Laut Familienangaben überlebten mehrere ihrer mindestens sechs Kinder die NS-Verfolgung und lebten später mit ihren Familien in Israel.

Von den Angehörigen von Louis’ Ehefrau überlebten ebenfalls wenige die NS-Verfolgung: Gretes Schwester Elfriede und ihr Ehemann mussten wenige Tage nach den Hoffmanns ebenfalls die Rykestraße verlassen. Sie wurden zusammen mit Gretes Bruder Georg, dessen Ehefrau Frieda Czarlinski, geborene Bieber, und deren 1928 geborenen Sohn Alfred am 9. Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Gretes Nichte Ruth emigrierte 1933 in das Mandatsgebiet Palästina. Gretes jüngster Bruder Siegfried wurde 1944 in Berlin in das Sammellager der Weddinger Schulstraße verschleppt. Von dort kam er mit anderen Juden in das „Arbeitserziehungslager“ Großbeeren bei Teltow südlich von Berlin und wurde dort am 18. Mai 1944 ermordet. Seine Frau Anna Czarlinski, geborene Stock, überlebte.