Günter Wolle

Verlegeort
Rudolstädter Straße 11
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
23. März 2023
Geboren
19. Mai 1912 in Berlin
Beruf
Grafiker
Deportation
am 29. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
06. Februar 1943 in Auschwitz

Günter Wolle wurde am 19. Mai 1912 in Berlin geboren. Er war das jüngste der drei Kinder von Thekla und Gustav Wolle. Hans und Edith, seine beiden älteren Geschwister, überlebten. Er war der einzige aus dieser Generation, dem das nicht gelang. Edith und ihre Kinder entkamen der Verfolgung auf einem schwäbischen Dorf, geschützt von der ganzen Dorfgemeinschaft unter Führung des evangelischen Pfarrers. Hans, von Beruf Elektroingenieur, war gerade noch rechtzeitig nach Brasilien ausgewandert. Natürlich wollte er seinen jüngeren Bruder mitnehmen, forderte ihn auch immer wieder auf nachzukommen, doch Günter wollte nur in ein englischsprachiges Land auswandern. Lange bemühte er sich um ein Visum für Australien. Vergeblich.

Erst als sich die Lage immer hoffnungsloser entwickelte, versuchte er doch noch, dem Bruder zu folgen. Der hatte schon die Schiffsreise im Voraus bezahlt. Aber Brasilien nahm niemanden mehr auf, und Günter überwies die Kosten zurück. 

Zu Beginn des sogenannten Dritten Reiches arbeitete Günter Wolle noch als freischaffender Werbegrafiker. Jüdische Firmen versahen ihn reichlich mit Aufträgen. Doch von 1941 an war er nur noch der sterntragende Outlaw, ein Untermensch, Sklave der Herrenrasse, ein Künstler, herabgestuft zum Zwangsarbeiter auf der Straße und als Kohleschipper am Bahnhof Halensee, wozu er körperlich kaum in der Lage war. Solange seine Mutter Thekla noch nicht deportiert war, lebte er bei ihr in der Rudolstädter Straße 11, danach in einem Versteck in der Nähe. Er war ein junger Mann, doch wegen der politischen Umstände ganz auf die Familie zurückgeworfen. Den Juden waren ja alle Möglichkeiten und Rechte schon genommen, bevor man ihnen auch das Leben nahm. Seine Vergnügungen beschränkten sich folglich auf das Bridgespiel mit Schwester und Schwager, auf das jahrelang über den Atlantik hinweg brieflich fortgeführte Schachspiel mit Bruder Hans und auf die Besuche der kleinen Nichte Sibylle, solange sie dem drolligen Alter noch nicht entwachsen war. Später saß sie während der Luftangriffe in der Wohnung von Schwester und Schwager auf seinem Schoß, und gemeinsam warteten sie zitternd bis die Sirenen Entwarnung gaben. Als Jude durfte er ja nicht in den Luftschutzkeller und hätte dort auch erkannt werden können. Aber irgend jemand muss Günter Wolle dann doch verraten haben. Am 29. Januar 1943 wurde er nach Auschwitz verschleppt. Ein anonymer Anrufer richtete dem Schwager aus: Herr Wolle lasse noch einmal vielmals grüßen.