Regina Altkorn

Verlegeort
Petersburger Straße 31
Historischer Name
Petersburger Straße 36
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
30. August 2023
Geboren
06. Januar 1912 in Berlin
Flucht
1936 Palästina
Überlebt

Regina Lea Altkorn kam am 6. Januar 1912 in Charlottenburg als Tochter des jüdischen Kaufmanns Simon (Schame) Altkorn und dessen Ehefrau Rosa (Ester Reisel), geb. Schwimmer, zur Welt. Ihre Eltern waren um 1910 aus Galizien (damals Teil des Habsburgerreichs) nach Berlin gekommen. 1913 wurde Reginas Schwester Margot geboren.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs, an dem Simon Altkorn als Soldat der österreichischen Armee teilnahm, zog die Familie nach Friedrichshain, wo sie in den nächsten Jahrzehnten an verschiedenen Adressen leben sollten. Seit etwa 1935 wohnte die Familie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Petersburger Straße 36 (heute Nr. 31). Reginas Vater verdiente den Lebensunterhalt der Familie zunächst als Eierhändler, später arbeitete er in der Textilbranche.

Regina besuchte bis 1927 die Jüdische Mittelschule, dann nahm sie an einem dreimonatigen Schreibmaschinen- und Stenographie-Kurs teil. In den folgenden Jahren war sie als Stenotypistin in der Unter den Linden ansässigen Immobilienfirma Weißmann & Co. tätig. Regina musste auch hin und wieder ihre Mutter, die häufig krank war, pflegen und ihr den Haushalt führen.

1931 schrieb sie sich in der Kinderpflegerinnen- und Haushaltungsschule des Berliner Fröbel-Vereins (Corporation) in Berlin-Niederschönhausen ein. Sie absolvierte mehrere Praktika, so in der Erholungszentrale für jüdische Kinder im Kindererholungsheim Arendsee (heute Kühlungsborn) im Sommer 1932 oder von Oktober 1933 bis September 1934 in der Küche des Kindertagesheims der Jüdischen Gemeinde Berlin am Kottbusser Ufer. Es war Regina Altkorn nach 1933 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung aber nicht mehr möglich, das Abschlussexamen als Kindergärtnerin abzulegen, weil sie nicht zur Prüfung zugelassen wurde.

Da die Entrechtung und Verfolgung von Juden zunahm, entschloss sie sich Ende 1934 zur Auswanderung nach Palästina. Um sich darauf vorzubereiten, ging sie etwa 6 Monate zur landwirtschaftlichen Ausbildung nach Aurich, 1936 nahm sie an einem Hachschara-Kurs in Hamburg teil und wohnte im Jugendwohnheim (Bet Chaluz) des Hechaluz in der Beneckestraße, das zu einem Zentrum jüdischer Jugendkultur wurde.

Hechaluz war der Dachverband zionistischer Jugendorganisationen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die jüdische Einwanderung in Palästina und deren Vorbereitung zu organisieren. In den Hachschara-Lagern lebten Gruppen von jugendlichen Auswanderungswilligen über mehrere Monate wie im Kibbuz zusammen, erwarben vor allem gärtnerische, land- und hauswirtschaftliche sowie handwerkliche Fertigkeiten und wurden in Hebräisch unterrichtet. Eine solche Ausbildung war Voraussetzung für eines der von der britischen Mandatsmacht ausgestellten Einreisevisa. 

Im August 1936 wanderte Regina Altkorn nach Palästina aus und trat dort in den Kibbuz Schefajim ein. Ihre Schwester Margot ging im selben Jahr nach Spanien, um dort am Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner teilzunehmen.

Reginas Vater wurde am 28. Oktober 1938 im Rahmen der „Polenaktion“ aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit verhaftet und in die Grenzstadt Bentschen (Zbąszyń) abgeschoben. Seine kranke Frau musste er in Berlin zurücklassen. Simon Altkorn reiste weiter zu seinen Angehörigen, die noch in Lemberg (Lwow), das zum damaligen Zeitpunkt polnisch war, und dessen Umgebung wohnten.

Simon Altkorn lebte dort unter ärmlichsten Bedingungen und war auf die Unterstützung vom Hilfskomitee angewiesen. An seine Tochter Regina in Palästina schreibt er am 4. Mai 1939 aus Lwow: „Verdienen kann man hier nichts. Deshalb muss jeder von uns zusehen von hier herauszukommen, was auch jeder tut, es sind schon viele weg nach Amerika, Bolivien usw., auch nach Erez [Land Israels] sind schon viele gefahren, [...]. Wenn ich noch lange hier bleibe, so muss ich mich hier unter die elendsten Bettler einreihen lassen.“ Er bat seine Tochter in seinen Briefen immer wieder eindringlich, für ihn und seine Frau die Einreise nach Palästina zu erwirken.

Es gelang Simon Altkorn, Ende Mai 1939 nochmals eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland zu erhalten, um seine Frau aus Berlin abzuholen. Ende Juli reisten Simon und Rosa Altkorn zurück nach Lwow. Ihre Hoffnung, nach Palästina auszuwandern, sollte sich nicht erfüllen. Ihr letztes Lebenszeichen ist ein Brief an ihre Tochter vom 14. August 1939, danach verliert sich ihre Spur. 

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 eroberten deutsche Truppen die Stadt, aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts zogen sich diese aber zurück und überließen Lwow den Sowjets. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion nahm die Wehrmacht die Stadt am 30. Juni 1941 ein, Lwow wurde Teil des Generalgouvernements. Fast alle jüdischen Bewohner der Stadt wurden in der Folgezeit ermordet.

Regina Altkorn heiratete am 16. März 1947 im Kibbuz Schefajim den aus der Tschechoslowakei stammenden Aaron Rona-Reissmann (*1909), mit dem sie den Sohn Emanuel bekam. Aus einer früheren Beziehung hatte sie bereits die Tochter Miriam (*1943). Regina Rona verließ den Kibbuz und verbrachte ihre letzten 10 Lebensjahre in der Nähe ihrer Tochter in Aseret. Dort starb sie am 21. Dezember 1990. 

Reginas Schwester Margot hatte Ende März 1939 in Madrid einen Sohn zur Welt gebracht. Sie floh kurz darauf nach Frankreich, wo sie sich während des Krieges dem Widerstand anschloss. Margot, verheiratete Gauvrit, lebte nach dem Krieg in Paris und starb dort 1976.