Hilde Ehlen geb. Paechter

Verlegeort
Oderstraße 52
Bezirk/Ortsteil
Neukölln
Verlegedatum
10. April 2024
Geboren
16. Dezember 1910 in Berlin-Schöneberg
Beruf
Stenotypistin
Flucht
März 1939 nach England
Überlebt

Hilde Irma Paechter wurde am 16. Dezember 1910 in Berlin-Schöneberg als einzige Tochter des jüdischen Ehepaars Fritz Emil Paechter und seiner  Frau Helene, geb. Streisand, geboren. Ihr Bruder Heinz war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Die Familie wohnte zunächst in der Schleiermacherstraße 4 in Berlin-Kreuzberg, dann in der Gneisenaustraße 48.

„Da war Hilde Pächter, kühn, gescheit, hurtig, mit dem Gesicht eines edlen Windhundes, die später auch Kommunistin wurde, heiratete …. Beweglich, wie sie in ihren Gelenken war, war und ist sie auch geistig … . Hilde hatte einen älteren Bruder. Er war einer der marxistischen Dogmatiker…“, beschrieb der Schriftsteller Max Fürst die Jugendkameradin in seinem Buch „Talisman Scheherezade – die schwierigen zwanziger Jahre“. Darin zählte er auch die Mitglieder seines Freundeskreises auf, in dem Hilde und ihr Bruder Heinz sich trafen, um sich gemeinsam für eine gerechtere Welt einzusetzen.

In der sozialistischen Arbeiterjugend Neukölln lernten Hilde und Heinz ein Geschwisterpaar kennen, mit dem sie sich anfreundeten: Walter Ehlen, Jg. 1906, und seine jüngere Schwester Emmy, Jg. 1910. Dieses Kleeblatt besuchte gemeinsam die Marxistische Arbeiterschule bei Karl Korsch.

Ihr Freund Walter Ehlen, der 1925 in die SPD eintrat, 1927 nach seinem Parteiausschluss dem kommunistischen Jugendverband und 1929 der Kommunistischen Partei beitrat, tauschte sich intensiv mit Hilde aus. Nachweise über Hildes Parteizugehörigkeit liegen nicht vor, doch die Botschaften in Geheimschrift, die sie später ins Gefängnis schmuggelte, sprechen dafür, dass auch sie in konspirativen Techniken ausgebildet und geübt war.

Ab 1932 arbeitete Hilde nach ihrem Studium an der Berliner Universität als Stenotypistin bei der russischen Handelsvertretung in der Lindenstraße in Berlin-Kreuzberg.

Am 13. November 1933 heirateten Hilde und Walter auf dem Standesamt Berlin-Neukölln. Trauzeugen waren Walters Vater und Hildes Mutter. Sie wohnten im Haus bei Walters Eltern in der Oderstraße 52 in Neukölln. 

Am 3. Juni 1934 wurde ihr Sohn Tom geboren. Längst schon beriet sich das junge Ehepaar, wo und wie sie weiterleben könnten. Walters Emigration war aufgrund der Massenverhaftungen unausweichlich. Knapp vier Wochen nach der Geburt seines Sohnes emigrierte Walter Ehlen in die CSR nach Prag, wo er mit der Exilparteileitung der KPD in Verbindung stand. Hilde tauchte mit ihrem Sohn in Berlin unter.

Am 4. Juni 1936 reiste Walter Ehlen auf Weisung des ZK der KPD erneut aus Prag zur illegalen Arbeit nach Berlin. Das vereinbarte Treffen ging schief, er musste noch zwei Mal zurück nach Prag, bevor er in die illegale Arbeit der KPD in Berlin „eingebaut“ wurde. 

Als ihr Mann am 14. August 1936 in Berlin verhaftet wurde, fand man bei ihm einen Reisepass mit seinem Foto auf den Namen „Paul Heger“ und Berichte. Nach grausamen Verhören in der Haftanstalt Tegel und der Untersuchungshaft in Berlin-Moabit wurde er zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Hilde riskierte es, ihren Mann in der U-Haft in Moabit und in der Strafhaft in Berlin-Plötzensee zu besuchen. In der beglaubigten Abschrift las man in den Akten: “… Lies das mit der Lupe. Mir geht es wirklich gut. Ein erster Kassiber wurde bei mir gefunden, mir blieb nur übrig, ihn den Beamten aus der Hand zu reißen und runterzuschlucken. Bei dem Versuch, das zu verhindern, hätten sie mich bald erwürgt…“ In dem Brief mit dem Absender „Hilde Ehlen, Weichselstr. 25, 0122 Berlin, b. Ilsberg“ folgten Absprachen zur Verschlüsselung und Überlegungen für eine mögliche Flucht. Erziehungsfragen wurden in Briefen ausgetauscht, die von Gestapobeamten gelesen und zensiert wurden, die Fotos, die Hilde von sich und ihrem Söhnchen anfertigen ließ und die heute in den Gestapo-Akten im Bundesarchiv liegen, hatten vermutlich nur die Beamten gesehen. Der umfangreiche geheime Nachrichtenaustausch über codierte Briefe und Kassiber, die Hilde am Körper schmuggelte, flog auf. Hilde wurde verhört.

Hilde gelang am 28. März 1939 die Flucht mit ihrem Kind nach England. Sie kamen am 29. April 1939 in Dover an. Vom 10. September 1940 bis 13. Juni 1941 wurde Hilde Ehlen als „female enemy alien“ Nr. 3730 im Rushen Camp c/o Bradda Glen auf der Isle of Man interniert. Anschließend verdingte sich Hilde Ehlen zunächst als Hausangestellte, später arbeitete sie erfolgreich in der Jugendfürsorge.

Nach der Befreiung im Mai 1945 erfuhr Hilde, dass ihr Mann im Mauthausener Außenlager Gusen nur wenige Tage vor der Befreiung ermordet worden war. Die 35-jährige Witwe und ihr elfjähriger Sohn Tom hatten vergeblich auf Walter Ehlens Rückkehr gewartet. Die Todeserklärung erhielt Hilde Ehlen erst Ende 1952, nachdem sich das Amtsgericht Neukölln beim Sonderstandesamt Arolsen dafür eingesetzt hatte. In späteren Jahren besuchte Hilde die Gedenkstätte Mauthausen und sprach mit ehemaligen Mitgefangenen ihres Mannes.

Hilde heiratete im April 1948 in England den deutsch-jüdischen Emigranten Salomon Hirsch Blank, Jg. 1913, mit dem sie bis zu seinem Tod 1976 in England lebte. Ihr gemeinsamer, 1951 geborener Sohn Martin Stephen Blank wurde nur 29 Jahre alt. Ihr Sohn Ernest Tom Ehlen starb am 1. November 2023 im Alter von 89 Jahren in Hoddesdon, Hertfordshire / England.

Hilde Irma Blank, geborene Paechter, verwitwete Ehlen, starb am 6. September 1993 im Alter von 82 Jahren in South Ascot/England. Ihr Grab befindet sich in Bracknell, Berkshire/England.