Elsbeth Lappe

Verlegeort
Landhausstr. 9
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
15. April 2010
Geboren
03. Dezember 1875 in Frankfurt/Oder
Deportation
am 25. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
in Riga

Kurz vor ihrem 24. Geburtstag trifft Elsbeth Lappe ein Schicksalsschlag. Am 14. September 1899 stirbt ihr Vater Fabian Lappe mit 67 Jahren in der gemeinsamen großen Wohnung in der Grolmannstraße 56. Erst knapp zwei Jahre zuvor waren Vater und Tochter in den herrschaftlichen Neubau gezogen, davor hatten sie in der Ansbacher Straße 52 gewohnt, nahe der Lietzenburger Straße. Elsbeth Lappe wird sich von nun an ihrem beruflichen Fortkommen widmen. Eine eigene Familie wird sie nicht gründen. Ein eher ungewöhnlicher Weg für eine Tochter aus einem traditionsreichen jüdischen Elternhaus.<br />
<br />
Elsbeth Lappe wurde am 3. Dezember 1875 in Frankfurt/Oder geboren. Dort waren ihre Eltern seit einigen Jahren ansässig. Ursprünglich stammte die jüdische Kaufmannsfamilie Lappe jedoch aus Breslau. In alten Dokumenten wird die Familie Lappe bereits im 18. Jahrhunderts erwähnt. Im Jahr 1793 reichte der „Schutzjude und Medizinlieferant Fabian Israel Lappe in Breslau“ ein offizielles Gesuch ein um „Zollfreiheit für Armeelieferungen“ ein. Wie so oft in der Geschichte räumte der Staat – hier der Preußische Staat – den Juden Privilegien ein, wenn er sie gerade brauchte. Bereits 1744 – Breslau erlebte gerade eine Handelsblüte, insbesondere mit Polen – hatte Friedrich der Große in einer „Declaration“ befunden, dass „…überhand genommene unnützes Juden-Volck binnen zwey Monaten …“ die Stadt zu räumen habe. Jedoch „… einige zum Münz-Wesen nöthige, wohlberüchtigte Jüdische Familien aber geduldet …“ werden sollten. <br />
<br />
Der Handel mit Polen und viele Handwerksberufe waren bald komplett in jüdischer Hand. Die Familie Lappe gehörte zu den privilegierten Juden in Breslau. Ein deutscher Schwiegersohn nahm sogar den jüdischen Namen Lappe an, legte ihn aber 1815 wieder ab, als er Erbe des Schlosses Lüschwitz wurde. Wohlhabende Juden Breslaus durften ihren Bürgereid in der Ratsstube ableisten statt in der Synagoge und sich als „Generalprivilegierte“ an den Wahlen der Stadtverordneten beteiligen. Sie revanchierten sich mit der Gründung der „Gesellschaft der Brüder“ im Jahr 1780. Die Gesellschaft verfolgte wohltätige, kulturelle und soziale Ziele für die 2500 Juden in Breslau und strebte „eine sittliche Veredelung der jüdischen Unterthanen“ an. Im Jahr 1802 trat Itzig Fabian Lappe der Gesellschaft bei. Sein 1832 geborener Enkel Fabian Lappe, der Vater der von den Nazis ermordeten Elsbeth Lappe, war in das Breslauer jüdische und kaufmännische Leben voll integriert.<br />
<br />
Fabian Lappe heiratet am 20. Oktober 1861 die Kaufmannstochter Elise Marcus. Die ältere Tochter der beiden, Jenny, wird am 1. November 1867 in Breslau geboren, die jüngere Tochter Elsbeth kommt acht Jahre später in Frankfurt/Oder zur Welt. In der Bahnhofstraße in Frankfurt, der Heimatsstadt seiner Ehefrau, hatte sich der Kaufmann Fabian Lappe mit seiner Familie inzwischen angesiedelt. Fabian Lappe unterhielt auch enge geschäftliche Beziehungen mit Berlin. Im Berliner Adressbuch von 1885 und 1886 ist er als „Stellvertreter“ im „Landeseisenbahnrath“ des „Ministeriums der öffentlichen Arbeiten“ verzeichnet. <br />
<br />
Die ältere Tochter Jenny heiratet am 28. Juli 1896 in Berlin den jüdischen Kaufmann Chaim Hermann Arkanas. Auch den Vater der beiden Frauen zieht es nach Berlin. Bereits im selben Jahr ist der inzwischen verwitwete Fabian Lappe im Berliner Adressbuch eingetragen. Seine ledige Tochter Elsbeth bleibt bis zu seinem Tode 1899 bei ihm wohnen. <br />
<br />
Elsbeth (oft auch: Else) war vermutlich eine vermögende Erbin. Noch nach ihrer Ermordung durch die Nazis in Riga wurden Vermögenswerte in Höhe von mindestens 24.000,- Reichsmark gemeldet und „sichergestellt“: Sparkonten, Wertpapiere, Obligationen, Anleihen. Die Angaben in den Dokumenten sind nicht einheitlich. Das Finanzamt Wilmersdorf-Süd beziffert das Vermögen der Ermordeten am 22.03.1943 sogar mit 41.058,- Reichsmark. Das Einkommen aus ihrer Arbeit als Sekretärin bei der AEG am Friedrich-Karl-Ufer 2-4 in Berlin-Mitte hat für solche Ersparnisse sicher nicht ausgereicht. Dennoch war diese berufliche Tätigkeit für eine junge Frau noch vor dem Ersten Weltkrieg außergewöhnlich. Elsbeth wurde bei der AEG sogar zur „Beamtin“ befördert. „Beamte“ standen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Firma und waren in ihren Rechten und Pflichten denen der Staatsbeamten angeglichen. <br />
<br />
Ab 1922 ist als Wohnsitz von Elsbeth Lappe in den Berliner Adressbüchern die Landhausstraße 9 in Wilmersdorf nahe dem Nikolsburger Platz angegeben. Damals wie heute eine „gute bürgerliche Adresse“. Im Haus Nummer 9 wohnten auch andere jüdische Familien. Die Berufsbezeichnung im Adressbuch lautet „Privatsekretärin“. Auch nach Elsbeths Pensionierung mit 51 Jahren im Jahr 1926 ist diese Berufsbezeichnung noch zu lesen. Erst ab 1930 steht hinter dem Namen Lappe „Rentiere“. Elsbeth bleibt lange in der Landhausstraße wohnen. Im Jahr 1940 heißt der Adresseintrag dann „Elsbeth Sara Lappe“. Juden und Jüdinnen mussten vom Januar 1939 an laut Gesetz zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen.<br />
<br />
Die letzte bekannte Adresse der ehemaligen „AEG-Beamtin“ ist die „Güntzelstraße 14, 1. Stock, bei Nagelschmidt“. Am 25. Januar 1942 wird die 67-jährige Elsbeth Lappe nach Riga deportiert. Es ist der 10. Osttransport mit 1000 Personen jüdischer Herkunft. Es war einer der grausamsten Transporte in der langen Reihe der Judendeportationen: Die in Güterwagen gepferchten Opfer mussten vier Tage lang in eisiger Kälte in das knapp 1000 Kilometer von Berlin entfernte Riga fahren. „Bei der Ankunft waren viele bereits erfroren, andere durch die Kälte stark geistig verwirrt“, heißt es im Standardwerk über die „Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“ von Gottwald/Schulle. Nahezu alle Deportierten wurden unmittelbar nach dem Ausladen in Riga-Skirotava erschossen. Nur 13 Menschen überlebten. <br />
<br />
Über den Verbleib von Elsbeth Lappe in Riga ist nichts überliefert. In den Akten des Entschädigungsamtes steht: „Der weitere Verbleib der Geschädigten ist leider nicht festzustellen.“ Ihr Tod wurde von den Behörden später auf den 31. März 1942 festgesetzt. Einige Monate später, am 14. September 1942 wurden Elsbeths Schwester Jenny und ihr Mann Hermann, beide 74 Jahre alt, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald aus nach Theresienstadt deportiert und kamen dort wenige Monate später ums Leben. Elsbeth Lappe hatte ihren zuletzt verarmten Schwager noch mit einem Darlehen von 2 027 RM unterstützt, wie das Finanzamt Wilmersdorf-Süd nach ihrem Tod mitteilt.<br />
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Kurz vor ihrem 24. Geburtstag trifft Elsbeth Lappe ein Schicksalsschlag. Am 14. September 1899 stirbt ihr Vater Fabian Lappe mit 67 Jahren in der gemeinsamen großen Wohnung in der Grolmannstraße 56. Erst knapp zwei Jahre zuvor waren Vater und Tochter in den herrschaftlichen Neubau gezogen, davor hatten sie in der Ansbacher Straße 52 gewohnt, nahe der Lietzenburger Straße. Elsbeth Lappe wird sich von nun an ihrem beruflichen Fortkommen widmen. Eine eigene Familie wird sie nicht gründen. Ein eher ungewöhnlicher Weg für eine Tochter aus einem traditionsreichen jüdischen Elternhaus.

Elsbeth Lappe wurde am 3. Dezember 1875 in Frankfurt/Oder geboren. Dort waren ihre Eltern seit einigen Jahren ansässig. Ursprünglich stammte die jüdische Kaufmannsfamilie Lappe jedoch aus Breslau. In alten Dokumenten wird die Familie Lappe bereits im 18. Jahrhunderts erwähnt. Im Jahr 1793 reichte der „Schutzjude und Medizinlieferant Fabian Israel Lappe in Breslau“ ein offizielles Gesuch ein um „Zollfreiheit für Armeelieferungen“ ein. Wie so oft in der Geschichte räumte der Staat – hier der Preußische Staat – den Juden Privilegien ein, wenn er sie gerade brauchte. Bereits 1744 – Breslau erlebte gerade eine Handelsblüte, insbesondere mit Polen – hatte Friedrich der Große in einer „Declaration“ befunden, dass „…überhand genommene unnützes Juden-Volck binnen zwey Monaten …“ die Stadt zu räumen habe. Jedoch „… einige zum Münz-Wesen nöthige, wohlberüchtigte Jüdische Familien aber geduldet …“ werden sollten.

Der Handel mit Polen und viele Handwerksberufe waren bald komplett in jüdischer Hand. Die Familie Lappe gehörte zu den privilegierten Juden in Breslau. Ein deutscher Schwiegersohn nahm sogar den jüdischen Namen Lappe an, legte ihn aber 1815 wieder ab, als er Erbe des Schlosses Lüschwitz wurde. Wohlhabende Juden Breslaus durften ihren Bürgereid in der Ratsstube ableisten statt in der Synagoge und sich als „Generalprivilegierte“ an den Wahlen der Stadtverordneten beteiligen. Sie revanchierten sich mit der Gründung der „Gesellschaft der Brüder“ im Jahr 1780. Die Gesellschaft verfolgte wohltätige, kulturelle und soziale Ziele für die 2500 Juden in Breslau und strebte „eine sittliche Veredelung der jüdischen Unterthanen“ an. Im Jahr 1802 trat Itzig Fabian Lappe der Gesellschaft bei. Sein 1832 geborener Enkel Fabian Lappe, der Vater der von den Nazis ermordeten Elsbeth Lappe, war in das Breslauer jüdische und kaufmännische Leben voll integriert.

Fabian Lappe heiratet am 20. Oktober 1861 die Kaufmannstochter Elise Marcus. Die ältere Tochter der beiden, Jenny, wird am 1. November 1867 in Breslau geboren, die jüngere Tochter Elsbeth kommt acht Jahre später in Frankfurt/Oder zur Welt. In der Bahnhofstraße in Frankfurt, der Heimatsstadt seiner Ehefrau, hatte sich der Kaufmann Fabian Lappe mit seiner Familie inzwischen angesiedelt. Fabian Lappe unterhielt auch enge geschäftliche Beziehungen mit Berlin. Im Berliner Adressbuch von 1885 und 1886 ist er als „Stellvertreter“ im „Landeseisenbahnrath“ des „Ministeriums der öffentlichen Arbeiten“ verzeichnet.

Die ältere Tochter Jenny heiratet am 28. Juli 1896 in Berlin den jüdischen Kaufmann Chaim Hermann Arkanas. Auch den Vater der beiden Frauen zieht es nach Berlin. Bereits im selben Jahr ist der inzwischen verwitwete Fabian Lappe im Berliner Adressbuch eingetragen. Seine ledige Tochter Elsbeth bleibt bis zu seinem Tode 1899 bei ihm wohnen.

Elsbeth (oft auch: Else) war vermutlich eine vermögende Erbin. Noch nach ihrer Ermordung durch die Nazis in Riga wurden Vermögenswerte in Höhe von mindestens 24.000,- Reichsmark gemeldet und „sichergestellt“: Sparkonten, Wertpapiere, Obligationen, Anleihen. Die Angaben in den Dokumenten sind nicht einheitlich. Das Finanzamt Wilmersdorf-Süd beziffert das Vermögen der Ermordeten am 22.03.1943 sogar mit 41.058,- Reichsmark. Das Einkommen aus ihrer Arbeit als Sekretärin bei der AEG am Friedrich-Karl-Ufer 2-4 in Berlin-Mitte hat für solche Ersparnisse sicher nicht ausgereicht. Dennoch war diese berufliche Tätigkeit für eine junge Frau noch vor dem Ersten Weltkrieg außergewöhnlich. Elsbeth wurde bei der AEG sogar zur „Beamtin“ befördert. „Beamte“ standen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Firma und waren in ihren Rechten und Pflichten denen der Staatsbeamten angeglichen.

Ab 1922 ist als Wohnsitz von Elsbeth Lappe in den Berliner Adressbüchern die Landhausstraße 9 in Wilmersdorf nahe dem Nikolsburger Platz angegeben. Damals wie heute eine „gute bürgerliche Adresse“. Im Haus Nummer 9 wohnten auch andere jüdische Familien. Die Berufsbezeichnung im Adressbuch lautet „Privatsekretärin“. Auch nach Elsbeths Pensionierung mit 51 Jahren im Jahr 1926 ist diese Berufsbezeichnung noch zu lesen. Erst ab 1930 steht hinter dem Namen Lappe „Rentiere“. Elsbeth bleibt lange in der Landhausstraße wohnen. Im Jahr 1940 heißt der Adresseintrag dann „Elsbeth Sara Lappe“. Juden und Jüdinnen mussten vom Januar 1939 an laut Gesetz zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen.

Die letzte bekannte Adresse der ehemaligen „AEG-Beamtin“ ist die „Güntzelstraße 14, 1. Stock, bei Nagelschmidt“. Am 25. Januar 1942 wird die 67-jährige Elsbeth Lappe nach Riga deportiert. Es ist der 10. Osttransport mit 1000 Personen jüdischer Herkunft. Es war einer der grausamsten Transporte in der langen Reihe der Judendeportationen: Die in Güterwagen gepferchten Opfer mussten vier Tage lang in eisiger Kälte in das knapp 1000 Kilometer von Berlin entfernte Riga fahren. „Bei der Ankunft waren viele bereits erfroren, andere durch die Kälte stark geistig verwirrt“, heißt es im Standardwerk über die „Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“ von Gottwald/Schulle. Nahezu alle Deportierten wurden unmittelbar nach dem Ausladen in Riga-Skirotava erschossen. Nur 13 Menschen überlebten.

Über den Verbleib von Elsbeth Lappe in Riga ist nichts überliefert. In den Akten des Entschädigungsamtes steht: „Der weitere Verbleib der Geschädigten ist leider nicht festzustellen.“ Ihr Tod wurde von den Behörden später auf den 31. März 1942 festgesetzt. Einige Monate später, am 14. September 1942 wurden Elsbeths Schwester Jenny und ihr Mann Hermann, beide 74 Jahre alt, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald aus nach Theresienstadt deportiert und kamen dort wenige Monate später ums Leben. Elsbeth Lappe hatte ihren zuletzt verarmten Schwager noch mit einem Darlehen von 2 027 RM unterstützt, wie das Finanzamt Wilmersdorf-Süd nach ihrem Tod mitteilt.