Julius Heskel

Verlegeort
Kaiserdamm 105
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
07. Oktober 2022
Geboren
08. Juni 1868 in Berlin
Beruf
Bankkaufmann
Flucht in den Tod
12. März 1942 in Berlin

Julius Heskel wurde am 8. Juni 1868 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Abraham Albert Heskel und Ernestine Reinhardt.
Julius hatte zwei jüngere Brüder:

  • Georg Heskel * 2. August 1869 – 12. Juni 1936
  • Leo Heskel * 19. Mai 1872 – 8. Juni 1940

Julius war Bankkaufmann. Am 29. März 1895 heiratete er Elisabeth Gertrud Petzall, die am 6. Dezember 1876 in Berlin geboren war.

Julius und Elisabeth hatten drei Kinder:

  • Charlotte Lucie * 22. Dezember 1895 – 22. Oktober 1942 ermordet in Riga
  • Walter * 10. Dezember 1897 – ca. 1960 USA
  • Alice * 24. Juli 1900 – 1987 USA

Vor 1905 läßt sich der Wohnsitz von Julius Heskel und seiner Familie im Berliner Adressbuch nicht zweifelsfrei nachweisen. Ab 1905 findet man Julius Heskel mit Wohnung in der Nollendorfstr. 16 und auch seine Brüder Georg und Leo im Berliner Adressbuch.

Ab 1910 war für Julius Heskel und seine Familie die Nürnberger Str. 37/38 der langjährige Lebensmittelpunkt.
Julius Heskel war bis zum Ende seines aktiven Berufslebens – vermutlich 1922/23 - als Vertreter der Nederlandschen Bankinstelling, s'Gravenhage ausgewiesen.
Im Ruhestand bezeichnete er sich als Bankagent bzw. Vertreter.

Das Ehepaar Julius und Elisabeth Heskel lebte bis 1933 in der Nürnbergerstr. 37/38.
Ob die Wohnung in der Nürnberger Str. freiwillig oder gezwungenermaßen aufgegeben wurde, konnte nicht ganz nachvollzogen werden.

Einige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass es keinen „geordneten Übergang“ in die Wohnung am Kaiserdamm 105 gab, die erst im Oktober 1936 bezogen wurde. Augenscheinlich musste das Ehepaar fast zwei Jahre in unterschiedlichen Unterkünften überbrücken.

So war Julius Heskel im Adressbuch von 1934 in der Düsseldorfer Str. 42 zu finden, 1935 in der Trabener Str. 24 im Grunewald. Beide Adressen lassen sich (Antoinette) Toni Philipp zuordnen, der langjährigen Eigentümerin des Hauses in der Trabener Str. 24. Vielleicht handelte es sich bei Toni und ihrem Ehemann Dr. Hans Walter Philipp um Freunde aus dem jüdischen Bekanntenkreis der Heskels. Toni und Dr. Hans Walter emigrierten vor 1939 nach Großbritannien.

Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen-Archivs finden sich für Julius und für Elisabeth Heskel folgende Eintragungen, die ihre Unterkünfte vor ihrem Einzug in den Kaiserdamm 105 ausweisen: Demnach lebten sie vorübergehend in der Lietzenburger Str. 7, und ab 1. April 1936 in der Luciusstr. 12 bei Goldmann. Am 8. Oktober 1936 erfolgte dann der Einzug in die Wohnung am Kaiserdamm 105. Der Mietvertrag für die 2 ½ Zimmer-Wohnung am Kaiserdamm 105 wurde am 21.07.1936 abgeschlossen; ab 1937 war Julius Heskel, Rentier, unter dieser Anschrift im Berliner Adressbuch.

Am 17. Oktober 1937 verfasste Julius Heskel sein Testament, in dem er seine Ehefrau Elisabeth als Alleinerbin einsetzte. Er führte darin aus, dass seiner Ehefrau aus einem Hausverkauf noch Geld zustünde, sowie, dass seine Kinder mehr als ihre Pflichtteile vom Erbe bereits erhalten hätten.

Knapp fünf Jahre später, am 12. März 1942 nahm sich Julius Heskel das Leben.
Er vergiftete sich mit einer Überdosis Veronal, einem damals leicht zugänglichen Schlafmittel, um dem bevorstehenden Schicksal der Deportation zu entgehen. Seine jüdische Ehefrau Elisabeth blieb zurück. Julius Heskel wurde am 19. März 1942 auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt.
Zur Eröffnung des Testaments von Julius Heskel erschien laut Protokoll des Justizinspektors vom 24. März 1942 (Abschrift vom 10. Oktober 1944) „niemand“.

Im Juli 1942 bereiteten die Behörden die Deportation von Elisabeth Heskel vor:
Zunächst verfügte die Geheime Staatspolizei die die Einziehung des Vermögens „der Reichsfeindin“ Elisabeth Heskel. Sie musste die Wohnung verlassen und sich in der Sammelstelle im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Str. 26 einfinden. Unmittelbar danach wurde die Wohnung am 28. Juli 1942 geräumt und versiegelt.

Am 30. Juli 1942 wurde Elisabeth Gertrud Heskel ab Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert.
Am 26. September 1942 wurde sie von Theresienstadt nach Treblinka weiterdeportiert und ermordet.

Auf dem Grabstein von Julius Heskel im Friedhof Weissensee wird auch an das Schicksal seiner Frau Elisabeth gedacht: „Elisabeth Heskel, geb. Petzall, 6. Dezember 1876, gest. 1942 in Polen“.

Schicksal der Kinder von Julius und Elisabeth Heskel

Tochter Charlotte Lucie ( * 22.12.1895) heiratete am 26. Juli 1920 den Kaufmann Julian Rothholz ( * 07.01.1886), der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte.
Julian hatte 1918 das Kurzwarengeschäft seines Vaters Isidor in Charlottenburg übernommen, das sich zuvor in der Sybelstr. 9 befand, und es in die Droysenstr. 4 verlegt.
Heskels Enkel Karl Heinz Paul wurde am 28. Mai 1921 in Berlin geboren.
Die Familie Rothholz wohnte bis 1922 in der Droysenstr. 4, und ab 1923 in der Mommsenstr. 61. Hier lebte sie bis 1933.
Ab 1934 wohnte die Familie in der Droysenstr. 12. Mit dieser Adresse wurden Julian und sein Sohn Karl Heinz Paul auch zur Volkszählung 1939 registriert. Charlotte lebte zu diesem Zeitpunkt in der Nassauischen Str. 47.
Laut Karteikarte im Arolsen Archiv war Charlotte Lucie mit letzter Unterkunft in der Wullenweber Str. 3 verzeichnet.
Am 19. Oktober 1942 wurde Charlotte Rothholz nach Riga deportiert, wo sie nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet wurde.

Karl Heinz Paul hatte Kontakte zum antifaschistischen Widerstand um Herbert Baum. Im Dezember 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und kam in die Strafanstalt Plötzensee.
Am 4. Mai 1943 wurde mit dem Fallbeil hingerichtet.

Heskels Schwiegersohn Julian Rothholz , Charlottes Ehemann, war zuletzt im Adressbuch aus dem Jahr 1941 in der Droysenstr. 12 zu finden.
Am 1. März 1943 wurde Julian Rothholz mit dem 31. Osttransport in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 wurde er ermordet.

In der langjährigen Wohnung der Familie in der Droysenstr. 12 wohnte 1939 ebenfalls Julians Mutter Hulda Rothholz, geb. Samuel (* 11.01.1866).
Hulda Rothholz wurde am 25.8.1942 nach Theresienstadt deportiert.
Auch Julians Schwester Edith Rothholz-Craupton (* 16.06.1882), lebte 1939 dort. Sie konnte (vermutlich nach Frankreich) fliehen und starb 1953 in Paris 1953.

Für Charlotte Rothholz wurde 2006 ein Stolperstein in der Nassauischen Straße 47 in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegt.

 

Heskels Tochter Alice (* 24.07.1900) heiratete den Gynäkologen Dr. Albert Stahl (* 29.03.1899). Das Ehepaar wohnte in der Zähringer Str. 11. Der Sohn Rolf Helmut wurde am 29.12.1926 geboren.
1932 zog die Familie nach Tegel, in die Berliner Str. 100. Hier führte Albert Stahl seine Praxis weiter, bis 1936 Wohnung und Praxis sich in der Dietrich-Eckard-Str. 2-4 befanden.

1938 emigrierte Dr. Albert Stahl mit seiner Ehefrau Alice und Sohn Rolf Helmut in die USA.
„Ralph Henry“ Stahl wurde ein renommierter Kernphysiker. Er arbeitete zunächst an der University of California Berkeley und ab 1956 für General Atomic Corp. in La Jolla (nahe San Diego) an der Entwicklung des Forschungsraktors TRIGA. Dieser wurde in den folgenden Jahren in mehr als 65 verschiedenen Ausführungen weltweit (24 Länder in fünf Koninenten, darunter auch 6 in Deutschland) installiert. Ralph Henry starb 2004.

Alice Stahl stellte 1958 mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge für den Verlust von Wertpapieren, der Wohnungseinrichtung und Demütigungsmaßnahmen, die ihre Eltern erdulden mussten.
Alice Stahl verstarb am 18.9.1984 in San Diego, Kalifornien.

 

Heskels Sohn Walter (* 10.12.1897) lebte nachweislich Jüdisches Adressbuch von 1929 und 1931 im Haushalt seines Onkels Georg und Franziska Heskel und deren Sohn Albert - seinem Cousin - in der Kurfürstenstr. 125 a.

Walter heiratete Lotte Amanda Sliwinski (* 16.03.1898), ein Datum der Eheschließung ist nicht bekannt.
Bei der Volkszählung 1939 wurde Walter in der Kurfürstenstr. 10 registriert, für Lotte ist die Bachstr. 3 notiert.

Auf Karteikarten im Arolsen Archiv ist hinterlegt, dass Walter und Lotte Heskel am 19.08.1940 in der Brückenallee 10 zur Untermiete bei Straßburger, am 06.10.1942 in der Heilbronner Str. 3 bei Salomanson lebten. Außerdem kann man einer weiteren Karteikarte entnehmen, dass offenbar beide am 1.März 1943 verhaftet wurden. Weiterhin wurde unter dem Datumseintrag 08.11.1943 „von der Gestapo abgeholt“ vermerkt.

Tatsächlich konnten Walter und Lotte Heskel fliehen und untertauchen. Mit Hilfe vom Fluchthilfe-Netzwerk um Luise Meier in Berlin Grunewald und Josef Höfler in Singen (Hohentwiel) konnten Walter und Lotte Heskel am 17. April 1944 nach Hofen in der Schweiz entkommen.
Von dort konnten sie nach Ende des Krieges mit Hilfe der Familien von Alice und Albert Stahl sowie des Cousins Albert Heskel in die USA auswandern.
Walter starb vermutlich zwischen 1957 – 1961 in New York., Lotte nach 1961.

 

Schicksal der Brüder Georg und Leo von Julius Heskel

Georg Heskel  (* 02.08.1869) war mit Franziska Piorkowski (* 17.04.1870 ) verheiratet.
Das Ehepaar hatte einen Sohn Albert, der am 14. September 1906 geboren wurde.

Georg hatte sich mit einem Agenturgeschäft für feine Stoffe selbständig gemacht, mit dem er im Adressbuch 1900 in der Jerusalemerstr. 1 ausgewiesen war. 1905 stand er als „Vertreter auswärtiger Häuser“ mit Adresse in der Ritterstr. 65.  1910 war Georg Heskel Vertreter von Lamberz & Co., Köln, und Hri. Descours, Genthon & Co, Lyon.
Ab 1914 war Georg mit Firma und Wohnung in der Kurfürstenstr. 125a zu finden.1918 handelte er als Generalvertreter für die angegebenen Firmen, bezeichnete sich jedoch ab den 1920-ger Jahren schlicht als „Handelsvertreter“.

1932 - nach 18 Jahren - mussten Georg und Franziska offenbar ihre Wohnung in der Kurfürstenstr. 125a verlassen.Von 1934 an ist Georg nicht mehr im Berliner Adressbuch zu finden.
Die Entschädigungsbehörden ermittelten 1965 anlässlich der von ihrem Sohn Albert angestrengten Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahren aus den Berliner Telefonbüchern, dass Georg Heskel 1932 und 1933 in der Holsteinischen Str. 24 gemeldet war.
Danach musste das Ehepaar jedoch in ständig wechselnden Untermietsverhältnissen leben, die teilweise nur wenige Monate dauerten.
Georg Heskel starb am 12. Juni 1936.

Franziska Heskel, geb. Piorkowski,  musste bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt mindestens acht Mal das Quartier wechseln.
Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen Archivs sind die letzten Adressen notiert:

  • Vermutlich nach der Räumung der Holsteinische Str. 24 zogen Georg und Franziska Hesken in die Wallotstr. 10 im Grunewald (bei Reiser (Moran) (schwer leserlich).
  • Am 14.6.1934 lebten sie in der Ludwigkirchstr. 9 bei Risch.
  • Nach Georg Heskels Tod 1936 kam seine Witwe Franziska am 01.03.1938 im Kurfürstendamm bei (unleserlich) unter,
  • am 01.07.1938 in der Lietzenburgerstr. 34 bei Steinicke,
  • am 01.11.1938 in der Rosenheimerstr. 23,
  • am 17. Mai 1939 bei der Volkszählung lebte Franziska in der Regensburger Str. 17.
  • Auf einer weiteren Karteikarte des Arolsen Archivs ist notiert, dass Franziska Heskel in der Speyererstr. 3 lebte, bevor sie
  • ab 02.01.1941 in die Emser Str. 19/29 bei Eckstein wohnte.

Am 4. September 1942 wurde Franziska Heskel, geb. Piorkowski nach Theresienstadt deportiert.
Auf der Karteikarte wurde vermerkt: „Theresienstadt, 57. Alterstransport vom 27.08. - 04.09., Ankunftsdatum 10. September“. Mit den Alterstransporten 51-57 (I/53 - I/59) wurden von Berlin, Anhalter Bahnhof, jeweils 100 Menschen - insgesamt 718 gelistete Personen - nach Theresienstadt deportiert. (siehe auch Gottwald/Schulle, S. 315-321).

Albert, der Sohn von Georg und Franziska Heskel, war Kaufmann. Er war bei der Firma „Wohlwerth“ angestellt und lebte – laut Jüdisches Adressbuch - 1929 und 1931 in der Kurfürstenstr. 125a im Haushalt seiner Eltern.
Albert heiratete Margarete (Grete) Sternheim (* 24.01.1903).
A
m 15.05.1933 emigrierte das junge Ehepaar nach Frankreich.
Die Ehe blieb kinderlos, wie aus den Entschädigungsanträgen zu entnehmen ist, die Albert Heskel nach Kriegsende bei den deutschen Behörden stellte.
Albert Heskel starb 1996 in Paris; seine Ehefrau Margarete war bereits 1971 verstorben.

Leo Heskel (* 19. 05.1872)   war der jüngste Bruder von Julian Heskel und war von Beruf Bankkaufmann. Er blieb zeitlebens alleinstehend.
Ab 1905 wohnte er für viele Jahre in der Freiligrathstr. 1. Im Adressbuch von 1914 ist er in der Kufsteiner Str. 7 zu finden.
1918 war Leo Heskel „Bankprokurist“ und lebte bis 1934 am Hohenzollerndamm 6.
Ab 1935 wohnte Leo Heskel in der Güntzelstr. 54.
1937 verfasste Leo Heskel sein Testament und setzt als Erben ein:

  • seinen Neffen Albert Heskel *14.9.1906, (Flucht nach Paris)
  • seinen Neffen Walter Heskel *10.12.1897, (Fluch nach USA, NY)
  • seine Nichte Alice Stahl * 24.7.1900, (Fluch nach USA, NY)
  • seinen Großneffen Heinz Rothholz (in Plötzensee „enthauptet“ am 31.3.1942)

Am 8. Juni 1940 starb Leo Heskel in seiner Wohnung in der Güntzelstr. 54.