Dr. Julius Grau

Verlegeort
Flotowstr. 10
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
März 2010
Geboren
13. April 1884 in Berlin
Beruf
Rechtsanwalt, Notar
Deportation
am 18. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Ermordet
in Chełmno / Kulmhof

Julius Jakob Grau kam am 13. April 1884 in Berlin als Sohn von Kallmann und Rosette Grau zur Welt. Sein Vater Kallmann Grau war Kaufmann und stammte aus dem westpreußischen Christburg (heute: Dzierzgoń/Polen). Seine Mutter Rosette Grau, geb. Abramowsky, stammte aus Marienwerder in Brandenburg. Julius Grau hatte noch eine jüngere Schwester namens Erna und einen Bruder namens Kurt.<br />
<br />
Nach einem Studium der Rechtswissenschaften war Julius Grau seit Mai 1911 als Rechtsanwalt am Landgericht III in Berlin zugelassen und ab Juli 1919 an allen Berliner Landgerichten. Noch 1911 eröffnete er eine Kanzlei in der Behrenstraße 30, Ecke Charlottenstraße, die er zusammen mit dem Rechtsanwalt Alfred Lipschitz führte. Julius Grau war unter anderem als Rechtsanwalt für den Deutschen Radfahrerbund tätig. Zeitweise war er auch selbst als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied im Radfahrerbund aktiv<br />
<br />
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges trat Julius Grau am 15. März 1915 als Kriegsfreiwilliger in das Jäger-Bataillon 14 ein. Er war zwei Jahre an der Westfront eingesetzt und wurde verwundet, zuerst im Oktober 1917 und ein zweites Mal im März 1918. Während des Krieges wurde er zum Unteroffizier, später zum Vizewachtmeister und Offiziersaspiranten ernannt. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und dem Schwarzen Verwundetenabzeichen ausgezeichnet. Mit Ende des Krieges kehrte er nach Berlin zurück und nahm seine Arbeit als Anwalt wieder auf. Im Oktober 1922 erhielt er die Zulassung als Notar.<br />
<br />
Im April 1924 heiratete der damals 40-jährige Julius Grau die Witwe Luise Katz, geb. Herz. Seine Eltern Kallmann und Rosette Grau erlebten die Hochzeit nicht mehr. Der Vater war 1910 verstorben, die Mutter 1920. Nach der Heirat zog Julius Grau zunächst zu seiner Frau Luise, die mit ihren zwei Söhnen aus erster Ehe, Wilhelm und Stephan, in einer 11-Zimmer-Wohnung in der Roonstraße 13 in Berlin-Mitte lebte. Am 23. Mai 1925 kamen die Zwillinge Rosemarie und Peter zur Welt. Den Berliner Adressbüchern zufolge wohnte die Familie Grau bis etwa 1930/31 in der Roonstraße. Von dort zogen sie dann in eine 8-Zimmer-Wohnung in die Flotowstraße 10 im Berliner Hansaviertel. Im Jahr 1930 starb der älteste Sohn Wilhelm im Alter von 13 Jahren an einer Krankheit.<br />
<br />
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 änderte sich die Lage der Familie abrupt. Die Entrechtung und Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung durch zahlreiche antisemitische Gesetze und Verordnungen traf sie unmittelbar. Für Julius Grau, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte und ausgezeichnet worden war, galt zwar das „Frontkämpferprivileg“, das es jüdischen Anwälten zunächst ermöglichte, weiter zu praktizieren. Doch im November 1935 wurde er aus dem Amt des Notars entlassen und als Rechtsanwalt konnte er nur noch bis Ende 1938 praktizieren.<br />
<br />
Der Stiefsohn Stephan musste das französische Gymnasium verlassen. Er bereitete sich auf einem Ausbildungsgut in Groß-Breesen bei Breslau auf die Auswanderung vor. Er erhielt dort eine Ausbildung in Landwirtschaft und Viehzucht und konnte am 23. März 1939 nach England auswandern, wo er als Lehrling Arbeit auf einem Hof fand. Auch die Zwillinge Rosemarie und Peter konnten die Schule nicht beenden. Es gelang den Eltern, sie mit einem Kindertransport nach England zu retten.<br />
<br />
Das Ehepaar Grau bemühte sich ebenfalls um Auswanderung. Einem Freund der Familie zufolge hatten die Graus im Sommer 1941 sogar Visa für die Einreise nach Kuba bekommen können. Der Freund und seine Schwester waren selbst kurz zuvor nach New York gegangen und versuchten von dort vergeblich, die Abfahrt der Graus zu beschleunigen und ihnen behilflich zu sein. Woran die Ausreise letztlich scheiterte, ist nicht bekannt.<br />
<br />
Zwischen Juli und Oktober 1941 wurde das Ehepaar Grau aus seiner Wohnung in der Flotowstraße vertrieben. Die Möbel und der Hausrat wurden größtenteils beschlagnahmt. Der letzte Wohnsitz von Julius und Luise Grau war eine 1-Zimmer-Wohnung in der Meinekestraße 24 in Berlin-Charlottenburg. Dort wurden beide am 15. Oktober 1941 verhaftet und zu einer Sammelstelle gebracht, vermutlich in die ehemalige Synagoge in der Levetzowstraße in Berlin-Moabit. Julius und Luise Grau wurden am 18. Oktober 1941 mit dem ersten von insgesamt vier Transporten über den Bahnhof Berlin-Grunewald nach Łódź in das Ghetto Litzmannstadt deportiert.<br />
<br />
Luise Grau starb einer Totenliste aus dem Ghetto zufolge am 5. Juli 1942 in Litzmannstadt. Ein Überlebender des Ghettos, der mit dem Ehepaar Grau befreundet war, berichtete, dass sie an Unterernährung starb und auf dem Jüdischen Friedhof Litzmannstadt beigesetzt wurde. Er berichtete weiter, dass er Julius Grau noch eine Stellung im Altenheim des Ghettos vermittelt hatte. Auch Julius Grau überlebte die Deportation nicht. Sein Name ist in den Sterbelisten des Ghettos nicht zu finden. Es ist wahrscheinlich, dass er, wie ein Großteil der im Herbst 1941 aus Berlin nach Litzmannstadt deportierten Juden, im Laufe des Jahres 1942 aus dem Ghetto in das 60 km entfernt liegende Vernichtungslager Chełmno/Kulmhof gebracht und dort ermordet wurde.<br />

Julius Jakob Grau kam am 13. April 1884 in Berlin als Sohn von Kallmann und Rosette Grau zur Welt. Sein Vater Kallmann Grau war Kaufmann und stammte aus dem westpreußischen Christburg (heute: Dzierzgoń/Polen). Seine Mutter Rosette Grau, geb. Abramowsky, stammte aus Marienwerder in Brandenburg. Julius Grau hatte noch eine jüngere Schwester namens Erna und einen Bruder namens Kurt.

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften war Julius Grau seit Mai 1911 als Rechtsanwalt am Landgericht III in Berlin zugelassen und ab Juli 1919 an allen Berliner Landgerichten. Noch 1911 eröffnete er eine Kanzlei in der Behrenstraße 30, Ecke Charlottenstraße, die er zusammen mit dem Rechtsanwalt Alfred Lipschitz führte. Julius Grau war unter anderem als Rechtsanwalt für den Deutschen Radfahrerbund tätig. Zeitweise war er auch selbst als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied im Radfahrerbund aktiv

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges trat Julius Grau am 15. März 1915 als Kriegsfreiwilliger in das Jäger-Bataillon 14 ein. Er war zwei Jahre an der Westfront eingesetzt und wurde verwundet, zuerst im Oktober 1917 und ein zweites Mal im März 1918. Während des Krieges wurde er zum Unteroffizier, später zum Vizewachtmeister und Offiziersaspiranten ernannt. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und dem Schwarzen Verwundetenabzeichen ausgezeichnet. Mit Ende des Krieges kehrte er nach Berlin zurück und nahm seine Arbeit als Anwalt wieder auf. Im Oktober 1922 erhielt er die Zulassung als Notar.

Im April 1924 heiratete der damals 40-jährige Julius Grau die Witwe Luise Katz, geb. Herz. Seine Eltern Kallmann und Rosette Grau erlebten die Hochzeit nicht mehr. Der Vater war 1910 verstorben, die Mutter 1920. Nach der Heirat zog Julius Grau zunächst zu seiner Frau Luise, die mit ihren zwei Söhnen aus erster Ehe, Wilhelm und Stephan, in einer 11-Zimmer-Wohnung in der Roonstraße 13 in Berlin-Mitte lebte. Am 23. Mai 1925 kamen die Zwillinge Rosemarie und Peter zur Welt. Den Berliner Adressbüchern zufolge wohnte die Familie Grau bis etwa 1930/31 in der Roonstraße. Von dort zogen sie dann in eine 8-Zimmer-Wohnung in die Flotowstraße 10 im Berliner Hansaviertel. Im Jahr 1930 starb der älteste Sohn Wilhelm im Alter von 13 Jahren an einer Krankheit.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 änderte sich die Lage der Familie abrupt. Die Entrechtung und Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung durch zahlreiche antisemitische Gesetze und Verordnungen traf sie unmittelbar. Für Julius Grau, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte und ausgezeichnet worden war, galt zwar das „Frontkämpferprivileg“, das es jüdischen Anwälten zunächst ermöglichte, weiter zu praktizieren. Doch im November 1935 wurde er aus dem Amt des Notars entlassen und als Rechtsanwalt konnte er nur noch bis Ende 1938 praktizieren.

Der Stiefsohn Stephan musste das französische Gymnasium verlassen. Er bereitete sich auf einem Ausbildungsgut in Groß-Breesen bei Breslau auf die Auswanderung vor. Er erhielt dort eine Ausbildung in Landwirtschaft und Viehzucht und konnte am 23. März 1939 nach England auswandern, wo er als Lehrling Arbeit auf einem Hof fand. Auch die Zwillinge Rosemarie und Peter konnten die Schule nicht beenden. Es gelang den Eltern, sie mit einem Kindertransport nach England zu retten.

Das Ehepaar Grau bemühte sich ebenfalls um Auswanderung. Einem Freund der Familie zufolge hatten die Graus im Sommer 1941 sogar Visa für die Einreise nach Kuba bekommen können. Der Freund und seine Schwester waren selbst kurz zuvor nach New York gegangen und versuchten von dort vergeblich, die Abfahrt der Graus zu beschleunigen und ihnen behilflich zu sein. Woran die Ausreise letztlich scheiterte, ist nicht bekannt.

Zwischen Juli und Oktober 1941 wurde das Ehepaar Grau aus seiner Wohnung in der Flotowstraße vertrieben. Die Möbel und der Hausrat wurden größtenteils beschlagnahmt. Der letzte Wohnsitz von Julius und Luise Grau war eine 1-Zimmer-Wohnung in der Meinekestraße 24 in Berlin-Charlottenburg. Dort wurden beide am 15. Oktober 1941 verhaftet und zu einer Sammelstelle gebracht, vermutlich in die ehemalige Synagoge in der Levetzowstraße in Berlin-Moabit. Julius und Luise Grau wurden am 18. Oktober 1941 mit dem ersten von insgesamt vier Transporten über den Bahnhof Berlin-Grunewald nach Łódź in das Ghetto Litzmannstadt deportiert.

Luise Grau starb einer Totenliste aus dem Ghetto zufolge am 5. Juli 1942 in Litzmannstadt. Ein Überlebender des Ghettos, der mit dem Ehepaar Grau befreundet war, berichtete, dass sie an Unterernährung starb und auf dem Jüdischen Friedhof Litzmannstadt beigesetzt wurde. Er berichtete weiter, dass er Julius Grau noch eine Stellung im Altenheim des Ghettos vermittelt hatte. Auch Julius Grau überlebte die Deportation nicht. Sein Name ist in den Sterbelisten des Ghettos nicht zu finden. Es ist wahrscheinlich, dass er, wie ein Großteil der im Herbst 1941 aus Berlin nach Litzmannstadt deportierten Juden, im Laufe des Jahres 1942 aus dem Ghetto in das 60 km entfernt liegende Vernichtungslager Chełmno/Kulmhof gebracht und dort ermordet wurde.