Josef Kanarek

Location 
Strelitzer Straße 5
District
Mitte
Stone was laid
2019
Born
19 January 1911 in Cieszanow (Galizien)
Occupation
Konfektionär in der Textilindustrie
Abgeschoben
1938 to Bentschen / Zbaszyn
Deportation
1941 to the Ghetto Plonsk
Fate unknown

Josef Kanarek wurde am 19. Januar 1911 in Cieszanow in Galizien geboren.<br />
1914 floh seine Mutter Golda Kanarek nach dem Einmarsch der russischen Armee in Cieszanow mit ihrem dreijährigen Sohn Josef und ihrer einjährigen Tochter Misha (geb. 10.1.1913) nach Berlin. Ihr in Polen verbliebener Ehemann Marcus Schulim Pinter beantragte daraufhin die Trennung. (Die sogenannte Rabbinatsehe war 1910 geschlossen worden und wurde erst 1921 geschieden.) Golda Kanarek konnte zunächst für einige Zeit bei ihrer Schwester Taube Toni, die bereits 1913 von Galizien nach Berlin gezogen war, unterkommen und verdiente ihren Lebensunterhalt durch kleinere Näharbeiten.<br />
Seit 1919 lebte Golda Kanarek mit ihren beiden Kindern in Berlin N4 in einer 3-Zimmer-Wohnung in der Strelitzer Str. 5. Dort betrieb sie von 1924 bis 1939 eine kleine Schneiderei für Damenkonfektionen. Nach Beendigung der jüdischen Gemeindeschule machte Josef eine Ausbildung zum Konfektionär und arbeitete danach als Geschäftsführer im Geschäft der Mutter. „Es war ein gut gehendes Geschäft, Golda Kanarek hatte mit ihren Kindern ein bequemes Leben.“ (Aussage einer Freundin der Mutter, Sara Lichtmann, in der Entschädigungsbehörde.) In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde das Geschäft zerstört und geplündert (Wert: 4500 Mark).<br />
Die Tochter Misha ging bis zum 14. Lebensjahr in die jüdische Volksschule in der Auguststr., besuchte danach von 1928 bis 1930 eine private Handelsschule in Berlin-Gesundbrunnen, arbeitete anschließend in der Firma Kleemann am Kurfürstendamm und ab 1931 im Geschäft der Mutter, da diese ihre Hilfe als Verkäuferin brauchte.<br />
Misha und Josef beschäftigten sich als junge Erwachsene sehr mit gesunder Ernährung.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg war die 150 Jahre andauernde Aufteilung Polens zwischen dem zaristischen Russland, der ungarisch-österreichischen Donaumonarchie und dem kaiserlichen Deutschland beendet und 1919 die zweite polnische Republik gegründet worden. Die Geburtsstadt von Josef Kanarek, Cieszanow, gehörte nunmehr zu Polen. Josef Kanarek erhielt damit ebenso wie seine Mutter und seine Schwester die polnische Staatsbürgerschaft. <br />
Im Jahre 1938 plante die NS-Regierung, die in Deutschland lebenden polnischen Juden auszuweisen. Am 29. Oktober 1938 holte die Gestapo nachts um zwei Uhr Josef Kanarek aus der Wohnung, händigte ihm den Ausweisungsbefehl der Ausländerpolizei aus und verschleppte ihn zu einer Sammelstelle am Alexanderplatz, von wo er mit Hunderten anderer Juden polnischer Staatsangehörigkeit in Zügen nach Bentschen (Zbąszyń) an die polnische Grenze gefahren wurde. Im Rahmen dieser drei Tage dauernden „Polenaktion“ wurden aus Berlin etwa 1500 Juden ausgewiesen, aus ganz Deutschland etwa 17.000. Ganze Familien wurden durch die „Polenaktion“ auseinandergerissen.<br />
Die polnische Regierung wollte die Ausgewiesenen nicht ins Land lassen, sodass diese zunächst bei Wind und Wetter im Niemandsland an der Grenze ausharren mussten, bis die ersten Hilfsmaßnahmen von der jüdischen Gemeinde und der Bevölkerung in Bentschen erfolgen konnten. Erst nach Verhandlungen der polnischen Regierung mit der NS-Regierung konnten die Ausgewiesenen einreisen. Josef Kanarek musste bis zum Sommer 1939 im Internierungslager verbleiben, da er über keinerlei Kontakte in Polen verfügte.<br />
Er hatte regen Briefkontakt mit seiner Mutter Golda und seiner Tante Taube Toni. Aus den von der Familie aufgehobenen Briefen, datierend vom 1. Juli 1939 bis Ende 1942, geht hervor, dass er 1939 nach dem Internierungslager schließlich nach Posen (Poznań) gehen konnte, dort versuchte, sich eine Existenz aufzubauen, und eine Ausbildung zum Krankenpfleger begann.<br />
Im Oktober 1940 lebte er in Warschau, im Sommer 1941 im südöstlichen Preußen, wo er eine gute Stelle als Buchhalter hatte. Ende 1941 lebte er in Plöhnen (Płońsk), einer kleinen Stadt etwa 60 nordwestlich von Warschau. Von dort erhielten die Angehörigen Ende 1942 von ihm einen letzten Brief, in dem er von der glücklichen Beziehung zu einer Frau namens Edzia spricht. Zugleich berichtet er von der bevorstehenden Einweisung mit dem letzten Transport ins Ghetto von Plöhnen, hofft aber auf ein glückliches Wiedersehen der Familie bis Pessach … Er bedauert, dass er nicht rechtzeitig nach Palästina ausgewandert ist. Es schwingen Todesahnungen in den Zeilen …<br />
Ab September 1940 waren die in Plöhnen lebenden Juden von den Nazis in ein Ghetto außerhalb der Stadt gezwungen worden. Zuletzt waren es 12.000 Menschen, die eingepfercht in drangvoller Enge dort lebten. Infolge der ausbrechenden Typhusepidemie verstarben viele von ihnen. Vom Ghetto Plöhnen wurden die Juden ab 1942 nach Auschwitz deportiert.<br />
Laut Bundesarchiv gilt Josef Kanarek als verschollen. Es kann sein, dass er noch im Ghetto durch Gewalt oder Krankheit und Hunger umgekommen ist oder noch nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.<br />
Eine Anfrage im Archiv von Auschwitz brachte kein Ergebnis.<br />
Seine Mutter Golda erhielt im Juni 1939 als Jüdin mit polnischer Staatsangehörigkeit von der Ausländerpolizei den Ausweisungsbescheid. Sie konnte sich im August 1939 über Italien nach Frankreich retten, zu ihrer Tochter Misha, die bereits 1938 nach Frankreich geflohen war, dort geheiratet hatte und mit ihrem Mann, einem Bauunternehmer, in Nancy lebte. Nach der Ankunft der Mutter Golda in Frankreich Mitte 1940 zogen Misha und Mathieu Beer-Gabel wegen der Bedrohung durch das Vichy Regime zusammen mit einer Schwester und einem Bruder von Mathieu in ein kleines Dorf in Südfrankreich, wo die ganze Familie den Krieg und die deutsche Besatzung auf einem kleinen abgelegenen Hof überlebte.<br />

Josef Kanarek wurde am 19. Januar 1911 in Cieszanow in Galizien geboren.
1914 floh seine Mutter Golda Kanarek nach dem Einmarsch der russischen Armee in Cieszanow mit ihrem dreijährigen Sohn Josef und ihrer einjährigen Tochter Misha (geb. 10.1.1913) nach Berlin. Ihr in Polen verbliebener Ehemann Marcus Schulim Pinter beantragte daraufhin die Trennung. (Die sogenannte Rabbinatsehe war 1910 geschlossen worden und wurde erst 1921 geschieden.) Golda Kanarek konnte zunächst für einige Zeit bei ihrer Schwester Taube Toni, die bereits 1913 von Galizien nach Berlin gezogen war, unterkommen und verdiente ihren Lebensunterhalt durch kleinere Näharbeiten.
Seit 1919 lebte Golda Kanarek mit ihren beiden Kindern in Berlin N4 in einer 3-Zimmer-Wohnung in der Strelitzer Str. 5. Dort betrieb sie von 1924 bis 1939 eine kleine Schneiderei für Damenkonfektionen. Nach Beendigung der jüdischen Gemeindeschule machte Josef eine Ausbildung zum Konfektionär und arbeitete danach als Geschäftsführer im Geschäft der Mutter. „Es war ein gut gehendes Geschäft, Golda Kanarek hatte mit ihren Kindern ein bequemes Leben.“ (Aussage einer Freundin der Mutter, Sara Lichtmann, in der Entschädigungsbehörde.) In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde das Geschäft zerstört und geplündert (Wert: 4500 Mark).
Die Tochter Misha ging bis zum 14. Lebensjahr in die jüdische Volksschule in der Auguststr., besuchte danach von 1928 bis 1930 eine private Handelsschule in Berlin-Gesundbrunnen, arbeitete anschließend in der Firma Kleemann am Kurfürstendamm und ab 1931 im Geschäft der Mutter, da diese ihre Hilfe als Verkäuferin brauchte.
Misha und Josef beschäftigten sich als junge Erwachsene sehr mit gesunder Ernährung.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die 150 Jahre andauernde Aufteilung Polens zwischen dem zaristischen Russland, der ungarisch-österreichischen Donaumonarchie und dem kaiserlichen Deutschland beendet und 1919 die zweite polnische Republik gegründet worden. Die Geburtsstadt von Josef Kanarek, Cieszanow, gehörte nunmehr zu Polen. Josef Kanarek erhielt damit ebenso wie seine Mutter und seine Schwester die polnische Staatsbürgerschaft.
Im Jahre 1938 plante die NS-Regierung, die in Deutschland lebenden polnischen Juden auszuweisen. Am 29. Oktober 1938 holte die Gestapo nachts um zwei Uhr Josef Kanarek aus der Wohnung, händigte ihm den Ausweisungsbefehl der Ausländerpolizei aus und verschleppte ihn zu einer Sammelstelle am Alexanderplatz, von wo er mit Hunderten anderer Juden polnischer Staatsangehörigkeit in Zügen nach Bentschen (Zbąszyń) an die polnische Grenze gefahren wurde. Im Rahmen dieser drei Tage dauernden „Polenaktion“ wurden aus Berlin etwa 1500 Juden ausgewiesen, aus ganz Deutschland etwa 17.000. Ganze Familien wurden durch die „Polenaktion“ auseinandergerissen.
Die polnische Regierung wollte die Ausgewiesenen nicht ins Land lassen, sodass diese zunächst bei Wind und Wetter im Niemandsland an der Grenze ausharren mussten, bis die ersten Hilfsmaßnahmen von der jüdischen Gemeinde und der Bevölkerung in Bentschen erfolgen konnten. Erst nach Verhandlungen der polnischen Regierung mit der NS-Regierung konnten die Ausgewiesenen einreisen. Josef Kanarek musste bis zum Sommer 1939 im Internierungslager verbleiben, da er über keinerlei Kontakte in Polen verfügte.
Er hatte regen Briefkontakt mit seiner Mutter Golda und seiner Tante Taube Toni. Aus den von der Familie aufgehobenen Briefen, datierend vom 1. Juli 1939 bis Ende 1942, geht hervor, dass er 1939 nach dem Internierungslager schließlich nach Posen (Poznań) gehen konnte, dort versuchte, sich eine Existenz aufzubauen, und eine Ausbildung zum Krankenpfleger begann.
Im Oktober 1940 lebte er in Warschau, im Sommer 1941 im südöstlichen Preußen, wo er eine gute Stelle als Buchhalter hatte. Ende 1941 lebte er in Plöhnen (Płońsk), einer kleinen Stadt etwa 60 nordwestlich von Warschau. Von dort erhielten die Angehörigen Ende 1942 von ihm einen letzten Brief, in dem er von der glücklichen Beziehung zu einer Frau namens Edzia spricht. Zugleich berichtet er von der bevorstehenden Einweisung mit dem letzten Transport ins Ghetto von Plöhnen, hofft aber auf ein glückliches Wiedersehen der Familie bis Pessach … Er bedauert, dass er nicht rechtzeitig nach Palästina ausgewandert ist. Es schwingen Todesahnungen in den Zeilen …
Ab September 1940 waren die in Plöhnen lebenden Juden von den Nazis in ein Ghetto außerhalb der Stadt gezwungen worden. Zuletzt waren es 12.000 Menschen, die eingepfercht in drangvoller Enge dort lebten. Infolge der ausbrechenden Typhusepidemie verstarben viele von ihnen. Vom Ghetto Plöhnen wurden die Juden ab 1942 nach Auschwitz deportiert.
Laut Bundesarchiv gilt Josef Kanarek als verschollen. Es kann sein, dass er noch im Ghetto durch Gewalt oder Krankheit und Hunger umgekommen ist oder noch nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.
Eine Anfrage im Archiv von Auschwitz brachte kein Ergebnis.
Seine Mutter Golda erhielt im Juni 1939 als Jüdin mit polnischer Staatsangehörigkeit von der Ausländerpolizei den Ausweisungsbescheid. Sie konnte sich im August 1939 über Italien nach Frankreich retten, zu ihrer Tochter Misha, die bereits 1938 nach Frankreich geflohen war, dort geheiratet hatte und mit ihrem Mann, einem Bauunternehmer, in Nancy lebte. Nach der Ankunft der Mutter Golda in Frankreich Mitte 1940 zogen Misha und Mathieu Beer-Gabel wegen der Bedrohung durch das Vichy Regime zusammen mit einer Schwester und einem Bruder von Mathieu in ein kleines Dorf in Südfrankreich, wo die ganze Familie den Krieg und die deutsche Besatzung auf einem kleinen abgelegenen Hof überlebte.