Emma Hirsch

Location 
Steinstr. 26
District
Mitte
Stone was laid
July 2008
Born
04 February 1867 in Emden
Deportation
on 13 January 1942 to Riga
Murdered
im Ghetto Riga

Emma Hirsch wurde am 4. Februar 1867 in der niedersächsischen Ortschaft Emden an der friesischen Küste geboren. Emma Hirsch war die Tochter aus erster Ehe ihres Vaters Isaac Hirsch mit Doris Friedemann, verh. Hirsch. Ihr Vater war Optiker in Emden und führte dort ein kleines Geschäft. Emma wuchs im Kreis von drei älteren Geschwistern auf: Ihre Brüder Paul und Arno Hirsch wurden 1859 und 1864 in Emden geboren, ihre Schwester Alice im Jahr 1863. Zwei weitere Geschwister – Arnold (*/† 1858) und Richard (1860–1861) – verstarben im Säuglings- oder Kleinkindalter noch vor Emmas Geburt. Ihre Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts eine der größten und einflussreichsten jüdischen Glaubensgemeinschaften Norddeutschlands bildete.

In den 1870er-Jahren zog die Familie ins niedersächsische Verden an der Aller, wo im Jahr 1875 Emmas Mutter Doris verstarb und auf dem Jüdischen Friedhof bestattet wurde – Emma war kaum acht Jahre alt. Im März 1876 heiratete Vater Isaac, der nun als Optiker in Verden tätig war, Rosa Goldschmidt, die Emmas Stiefmutter wurde. Die Familie lebte 1880 in der Brückstraße 16 in Verden und später in der Stifthofstraße 21, wo Isaac Hirsch als Optiker und Althändler tätig war.

Zu welchem Zeitpunkt Emma Verden verließ um in Berlin zu leben, geht aus den Quellen nicht hervor. Ihr Bruder Paul hatte 1893 in Berlin geheiratet und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die ganze Familie um die Jahrhundertwende nach und nach in die Hauptstadt zog. 1908 und 1909 verstarben Emmas Vater und Stiefmutter in Berlin sowie auch ihr damals 46-jähriger Bruder Arno, der zuvor als Kaufmann in Berlin gearbeitet hatte. Aus dessen Ehe mit Jenny Schönfeld, verh. Hirsch, war ein Sohn namens Erwin (*1902) hervorgegangen. Emmas Schwester Alice, die als Modistin arbeitete, hatte 1899 in Berlin Leopold Lewin geheiratet, mit dem sie 1906 eine Tochter namens Hildegard bekam. Emma sollte ledig und kinderlos bleiben.

Nach ihrem Schulabschluss absolvierte sie eine Schneiderlehre und war in den 1900er-Jahren in Berlin als Blusenkonfektionärin tätig. 1906 lebte sie in einer Wohnung in der Schwedter Straße 13 im Kollwitzkiez. 1907 zog sie in die Fehrbelliner Straße 12 und 1909 in eine Wohnung in der Christinenstraße 4, wo sie ein Blusen-Atelier führte. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich Emma 1920 eine Wohnung in der Steinstraße 26 in Mitte, wo sie mehr als 20 Jahre lang wohnen würde. Sie war bis zum Jahr 1924 als Näherin in der Textilbranche tätig, danach bestritt sie ihren Lebensunterhalt mit Zimmervermietung. Leider haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten, die einen Einblick in das Leben von Emma Hirsch im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Emma Hirsch und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Emma zunehmend in die Position einer Rechtlosen. Ob sie in den 1930er-Jahren Pläne verfolgte, Deutschland zu verlassen, bleibt ungewiss. Sollte sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für Emma in Berlin zum reinen Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte sie sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Emma erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1941/1942. Sie wurde in einem der Berliner Sammellager interniert. Von dort aus wurde die 75-Jährige am 13. Januar 1942 mit dem „8. Osttransport“ in das Ghetto Riga deportiert, wo sie entweder unmittelbar nach der Ankunft erschossen oder erst ins Ghetto selektiert und später ermordet wurde. Sie gehörte jedenfalls nicht zu den wenigen Überlebenden, der nach Riga deportierten deutschen Juden.

Keine ihrer nahen Verwandten haben die NS-Verfolgung überlebt: Ihre Schwester Alice Lewin und ihr Ehemann starben 1941 und 1942 im jüdischen Krankenhaus Berlin, in welchem zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Zwangsmaßnahmen, Plünderungen und mangelnder Versorgungslage kaum noch ein geregelter Klinikbetrieb möglich war. Emmas Nichte Hildegard Lewin, verh. Baruch, wurde im November 1942 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Emmas Bruder Paul Hirsch wurde mit seiner aus Sydney stammenden Ehefrau Adele Franck, verh. Hirsch, im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie beide wenige Tage nach ihrer Ankunft ermordet wurden – entweder infolge direkter oder indirekter Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.