Minna Korytowski née Masur

Location 
Stargarder Str. 78
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
05 May 2024
Born
04 December 1865 in Lissa (Posen) / Leszno
Dead
28 August 1940 in Berlin

MINNA KORYTOWSKI wurde am 4.12.1865 als Tochter des Handelsmannes Julius Masur in Lissa bei Posen/ Leszno geboren. Ihre Eltern hatten 1863 geheiratet und bekamen neun Kinder. Minna war die älteste. Es folgten: Elias (1866 - 1931), Julie (1874 – 1958), Hannchen (1869 - 1942), Adelheid (1875 – 1942), Moritz (1876 -1938), Charlotte (1879 – 1943) und Benno (1881 – 1941). Die Eltern starben bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Leider ist über das Leben der großen Familie nichts bekannt. Über Minna kann nur berichtet werden, dass sie den in Czempin geborenen Bäckermeister Isidor Korytowski geheiratet hat. Alle weiteren Kinder wurden in Berlin geboren, Richard 1902 und die Tochter Bertha 1905. Zwei Töchter, Erna und Hedwig starben im Kleinkindalter. Die Familie zog oft um. Zuletzt wohnten sie in der Falckensteinstraße 38 in Kreuzberg. Isidor Korytowski führte ein Möbel-Umzugsunternehmen mit Pferden. Das Berliner Adressbuch ist um 1900 seitenweise gefüllt mit Fuhrunternehmen aller Art. Die drei Söhne hatten jeder ein Pony für sich. Im Adressbuch von 1914 fand ich unter Isidors Namen eine Sackhandlung in der Franckensteinstraße 17. Man versuchte wohl mit allem Geld zu verdienen, was möglich war. Man darf nicht vergessen, dass der 1. Weltkrieg tobte und auch die Bevölkerung in Berlin beträchtlich darunter zu leiden hatte. Hermann wurde Schriftsetzer, Bruno Kaufmann. Richard erlernte das Bäckerhandwerk. Die Tochter Bertha war Buchhalterin. Im ersten Weltkrieg kämpften mehrere Männer der Familie Korytowski an der Front. Der Sohn Bruno starb dabei 1917 im Alter von 19 Jahren.  Erneut eine große Lücke. Minna wurde 1932 Witwe.  Die Kinder Bertha und Richard flohen Ende 1933 nach Palästina. Sie hatten die Zeichen der Zeit erkannt. Zeiten der Ausgrenzung und Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung. Nach all diesen Ereignissen entschied Minna, zu ihrer Schwester Hannchen in die Stargarder Straße 78 zuziehen. Dort war im Jahr 1933 gerade ihr Schwager Wolf Chaim Lorber gestorben.

Minnas Sohn Hermann lebte in einer, in Nazisprache genannten „Mischehe“ mit Elisabeth geborene Menzel. Sie trat sogar in die jüdische Glaubensgemeinschaft ein, weil sie dachte, es wäre ein Vorteil für eine Emigration, aber als klar war, dass Hermann nicht ausreisen würde, trat sie 1939 wieder aus, um die Familie zu schützen. Er wollte nicht ausreisen. Er war Weltkriegsveteran und den deutschen Tugenden zugetan. Er wähnte sich sicher. Das Gegenteil aber war der Fall. Berufsverbot, Verhöre und Zwangsarbeit für verschiedene Baufirmen waren die Realität. Minnas Enkelin Ruth kam heimlich in der elterlichen Wohnung zur Welt. Juden werde nicht auf die Welt geholfen, hieß es aus dem Krankenhaus. Hermanns Ehefrau Elisabeth versteckte sich seit 1944 mit ihrer vierjährigen Tochter Ruth in Thüringen auf dem Lande, da beide auf eine Liste gesetzt waren. Durch den Hinweis eines Freundes der Familie wurden sie so nicht deportiert. Hermann arbeitete heimlich für seinen alten Arbeitgeber als Schriftsetzer in Berlin. Erst nach dem Kriegsende sah sich die kleine Familie wieder.

Minna Korytowski starb am 28.08.1940 im jüdischen Krankenhaus. Und so wurde sie nicht auf eine Liste gesetzt. Begraben wurde sie auf dem jüdischen Friedhof, wie schon ihr Vater Julius 1903 und ihr Mann Isidor 1932. Ihre Schwester Hannchen, die mit ihr zuletzt lebte, wurde am 1.11.1941 ins Ghetto Lodz deportiert und am 9.5.1942 im Vernichtungslager Kulmhof/ Chelmno ermordet. Was aus den Wohnungsgegenständen der beiden Schwestern wurde ist unklar. Ihr Sohn Hermann hatte den Krieg überlebt und bekam eine Entschädigungsrente und eine Wiedergutmachungszahlung über die verlorenen Gegenstände seiner Mutter Minna. Minnas Kinder Richard und Bertha bauten sich in Israel ein Leben auf. Hermann folgte mit seiner Familie 1948 nach, kehrte allerdings aufgrund des unverträglichen Wetters zurück nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte. Seine Frau Elisabeth starb 1985. Sich scheiden zu lassen, wie man es ihr in Kriegszeiten empfahl, kam niemals für sie in Frage.