Dr. Max Rauschmann

Location 
Schönhauser Allee 5
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
07 August 2014
Born
1881 in
Escape
1938 Flucht nach Shanghai
Dead
20 October 1943

Max Rauschmann wurde am 26. Juni 1881 in Czarnikau (dem heutigen Czarnków) an der Netze (Noteć) geboren, etwa 40 Kilometer südlich von Schneidemühl (Piła). Er war der Sohn des Kaufmanns Adolph Rauschmann und dessen Frau Lina, geborene Schachian, und wuchs im Kreis von sechs Geschwistern auf: Seine ältere Schwester Clara war 1879 zur Welt gekommen, die jüngeren Brüder Julius und Felix wurden 1883 und 1885 geboren, und die Schwestern Martha und Else 1887 und 1891. Sein jüngster Bruder, der 1892 geborene Georg, verstarb im Kleinkindalter. Es gibt keine Informationen zu seinem Elternhaus, die Familie gehörte aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt Czarnikau. Von seinem sechsten bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr besuchte Max die Elementarschule seines Geburtsortes und anschließend bis 1901 das Königliche Gymnasium in Deutsch Krone (Wałcz). Nach seinem Abitur immatrikulierte sich Max Rauschmann an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (der heutigen Humboldt-Universität) und studierte Medizin in Berlin und Freiburg. Im Juli 1909 schloss er sein Studium mit der ärztlichen Prüfung in Berlin ab und erwarb anschließend praktische Kenntnisse in der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Am Urban zu Berlin sowie der dermatologischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses im Wedding. Am 15. November 1910 erhielt er die Approbation zum Arzt, promovierte im selben Jahr mit einer Arbeit zur Krebsbehandlung mit dem Titel „Das Carcinom beim Menschen unter zwanzig Jahren“ und war im Rudolf-Virchow-Krankenhaus als Volontärassistent beschäftigt. 1914 ließ sich Max Rauschmann als spezialisierter Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Urologe in Berlin nieder. Seine Praxis lag in der Alexanderstraße 36a in Mitte. Vermutlich war Max Rauschmann als Mediziner im Ersten Weltkrieg eingesetzt, anders als für seine Brüder Julius und Felix, die beide 1915 an der Front leicht verwundet wurden, liegen dazu aber keine eindeutigen Zeugnisse vor. Nach dem Krieg verlegte Max Rauschmann seine Praxis in die Schäferstraße 2 in Mitte und in den 1920er-Jahren in die nahegelegene Annenstraße 25. 1925 verstarb die Mutter Lina Rauschmann im Alter von 75 Jahren. Zum Schicksal seines Vaters haben sich keine Informationen erhalten. Leider gibt es auch keine weiteren Quellen, die einen Einblick in das Leben des Arztes im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Max Rauschmann und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. In den 1930er-Jahren praktizierte Max Rauschmann in der Schönhauser Allee 5 im Prenzlauer Berg. Am 30. September 1938 wurde ihm wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen. Möglicherweise befand er sich da bereits auf der Flucht, denn es gelang ihm im Herbst 1938, das Land zu verlassen. Im November 1938 erreichte er eine der beiden exterritorialen Zonen Shanghais („International Settlement“ oder „French Concession“), die Europäern Schutz gewährten und in dieser Zeit zum Zufluchtsort für etwa 20.000 jüdische Flüchtlinge wurde. Nachdem Japan im Zweiten Weltkrieg 1941 die vollständige Kontrolle über Shanghai übernommen hatte, versuchten die Deutschen erfolglos Druck auf ihren Verbündeten aufzubauen, ihnen die Juden in Shanghai zu übergeben oder selbst für deren Ermordung zu sorgen. Infolge der Agitation deutscher Diplomaten wurden die Geflüchteten aber 1943 in einer „designated area“ ghettoisiert. Max Rauschmann starb am 20. Oktober 1943 im Exil im Alter von 62 Jahren im Ghetto Shanghai.<br />
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Nur wenige der Familienmitglieder von Max Rauschmann überlebten die NS-Verfolgung: Seine Schwester Clara, verheiratete Blumklotz, wurde am 13. Januar 1942 aus ihrer Berliner Wohnung in der Naugarder Straße 10 nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Frida Klein überlebte die NS-Zeit. Max’ Brüder Felix und Julius wurden laut Angaben ihrer Nichte Frida Klein in den 1940er-Jahren mit ihren Familien in einem der deutschen Vernichtungslager ermordet: Julius mit seiner Ehefrau Meta Rothschild und den Töchtern Lisa und Ruth, Felix mit seiner Frau Reah Rauschmann, geborene Kasper, und dem Sohn Kurt. Max’ Schwester Else Rauschmann, verheiratete Moses, wurde ebenfalls in einem der Lager ermordet. Seine Schwester Martha, verheiratete Reißner, lebte in Seelow und wurde 1942 über Berlin-Potsdam in das Ghetto Warschau deportiert.

Max Rauschmann wurde am 26. Juni 1881 in Czarnikau (dem heutigen Czarnków) an der Netze (Noteć) geboren, etwa 40 Kilometer südlich von Schneidemühl (Piła). Er war der Sohn des Kaufmanns Adolph Rauschmann und dessen Frau Lina, geborene Schachian, und wuchs im Kreis von sechs Geschwistern auf: Seine ältere Schwester Clara war 1879 zur Welt gekommen, die jüngeren Brüder Julius und Felix wurden 1883 und 1885 geboren, und die Schwestern Martha und Else 1887 und 1891. Sein jüngster Bruder, der 1892 geborene Georg, verstarb im Kleinkindalter. Es gibt keine Informationen zu seinem Elternhaus, die Familie gehörte aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt Czarnikau. Von seinem sechsten bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr besuchte Max die Elementarschule seines Geburtsortes und anschließend bis 1901 das Königliche Gymnasium in Deutsch Krone (Wałcz). Nach seinem Abitur immatrikulierte sich Max Rauschmann an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (der heutigen Humboldt-Universität) und studierte Medizin in Berlin und Freiburg. Im Juli 1909 schloss er sein Studium mit der ärztlichen Prüfung in Berlin ab und erwarb anschließend praktische Kenntnisse in der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Am Urban zu Berlin sowie der dermatologischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses im Wedding. Am 15. November 1910 erhielt er die Approbation zum Arzt, promovierte im selben Jahr mit einer Arbeit zur Krebsbehandlung mit dem Titel „Das Carcinom beim Menschen unter zwanzig Jahren“ und war im Rudolf-Virchow-Krankenhaus als Volontärassistent beschäftigt. 1914 ließ sich Max Rauschmann als spezialisierter Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Urologe in Berlin nieder. Seine Praxis lag in der Alexanderstraße 36a in Mitte. Vermutlich war Max Rauschmann als Mediziner im Ersten Weltkrieg eingesetzt, anders als für seine Brüder Julius und Felix, die beide 1915 an der Front leicht verwundet wurden, liegen dazu aber keine eindeutigen Zeugnisse vor. Nach dem Krieg verlegte Max Rauschmann seine Praxis in die Schäferstraße 2 in Mitte und in den 1920er-Jahren in die nahegelegene Annenstraße 25. 1925 verstarb die Mutter Lina Rauschmann im Alter von 75 Jahren. Zum Schicksal seines Vaters haben sich keine Informationen erhalten. Leider gibt es auch keine weiteren Quellen, die einen Einblick in das Leben des Arztes im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Max Rauschmann und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. In den 1930er-Jahren praktizierte Max Rauschmann in der Schönhauser Allee 5 im Prenzlauer Berg. Am 30. September 1938 wurde ihm wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen. Möglicherweise befand er sich da bereits auf der Flucht, denn es gelang ihm im Herbst 1938, das Land zu verlassen. Im November 1938 erreichte er eine der beiden exterritorialen Zonen Shanghais („International Settlement“ oder „French Concession“), die Europäern Schutz gewährten und in dieser Zeit zum Zufluchtsort für etwa 20.000 jüdische Flüchtlinge wurde. Nachdem Japan im Zweiten Weltkrieg 1941 die vollständige Kontrolle über Shanghai übernommen hatte, versuchten die Deutschen erfolglos Druck auf ihren Verbündeten aufzubauen, ihnen die Juden in Shanghai zu übergeben oder selbst für deren Ermordung zu sorgen. Infolge der Agitation deutscher Diplomaten wurden die Geflüchteten aber 1943 in einer „designated area“ ghettoisiert. Max Rauschmann starb am 20. Oktober 1943 im Exil im Alter von 62 Jahren im Ghetto Shanghai.

Nur wenige der Familienmitglieder von Max Rauschmann überlebten die NS-Verfolgung: Seine Schwester Clara, verheiratete Blumklotz, wurde am 13. Januar 1942 aus ihrer Berliner Wohnung in der Naugarder Straße 10 nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Frida Klein überlebte die NS-Zeit. Max’ Brüder Felix und Julius wurden laut Angaben ihrer Nichte Frida Klein in den 1940er-Jahren mit ihren Familien in einem der deutschen Vernichtungslager ermordet: Julius mit seiner Ehefrau Meta Rothschild und den Töchtern Lisa und Ruth, Felix mit seiner Frau Reah Rauschmann, geborene Kasper, und dem Sohn Kurt. Max’ Schwester Else Rauschmann, verheiratete Moses, wurde ebenfalls in einem der Lager ermordet. Seine Schwester Martha, verheiratete Reißner, lebte in Seelow und wurde 1942 über Berlin-Potsdam in das Ghetto Warschau deportiert.