Berthold Auerbach

Berthold Auerbach wurde am 23. Juli 1888 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Julius Auerbach (1850–1908) und dessen Ehefrau Jenny Anders, verh. Auerbach (1850–1916). Zum Zeitpunkt der Geburt von Berthold lebte die Familie in einer Wohnung in der Saarbrücker Straße 10 in Prenzlauer Berg. Über die Kindheit und Jugend von Berthold Auerbach im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine Informationen erhalten, ebenso wenig über seine schulische Laufbahn. Seine Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.

Nach seinem Schulabschluss begann Berthold ein juristisches Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) und legte im November 1912 sein erstes Staatsexamen ab. Er wurde als Referendar am Amtsgericht in Forst (Lausitz) vereidigt und absolvierte die weiteren Stationen seines Referendariats in Berlin. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Berthold im März 1915 eingezogen und an der Ostfront eingesetzt, wo er ab Juni 1916 an einem Feldkriegsgericht und Feldgericht tätig war. Im Sommer 1916 nahm er an den Stellungskämpfen an der Ostfront teil und war danach erneut an Feldgerichten als Jurist tätig. Das Kriegsende und die Novemberrevolution erlebte Berthold in Berlin, wo er zuletzt einer Kraftfahrabteilung zugeteilt war. 1919 legte er das zweite Staatsexamen ab, am 15. September 1919 wurde er zum Gerichtsassessor ernannt. Im Oktober 1919 entschied er sich, in den Dienst der Stadt Charlottenburg, die bis zum Groß-Berlin-Gesetz eigenständige Stadtgemeinde war, einzutreten. Er war dort vor allem als juristischer Hilfsarbeiter in der Erwerbslosenfürsorge und beim Arbeitsamt tätig und übernahm den stellvertretenden Vorsitz des Mieteinigungsamtes.

Im Jahr 1921 wechselte Berthold in das Bezirksamt Prenzlauer Berg und heiratete im Oktober die zehn Jahre jüngere Berlinerin Else Charlotte Sommerfeld, mit der er sich eine gemeinsame Wohnung am Kurfürstendamm 48/49 nahm. Im April 1922 wurde Berthold Auerbach zum Magistratsrat auf Lebenszeit ernannt. Sein Arbeitszeugnis 1926 hob seine Fähigkeiten als Verwaltungspraktiker sowie seine umfassenden juristischen Kenntnisse hervor und betonte: „Sein stets freundliches und verbindliches Wesen kommt ihm bei dem Verkehr mit dem nicht immer leicht zu behandelnden Publikum unseres Bezirks besonders zustatten.“ 1927 verließ Berthold Auerbach den Kommunaldienst und trat erneut in den Justizdienst ein, wo er in der Stellung eines Amtsgerichtsrats den Vorsitz einer Kammer des neu gebildeten Arbeitsgerichts übernahm. Neben seiner Tätigkeit als Amtsrichter war er zeitweise Geschäftsführer des Reichsverbands Deutscher Einigungsämter und Herausgeber der Fachzeitschrift Das Mietgericht. Zwischen 1929 und 1930 arbeitete er auch als Hilfsrichter in zwei Zivilsenaten am Kammergericht und ab September 1932 kurzzeitig als Vorsitzender einer Schiedsstelle für Tarifstreitigkeiten im öffentlichen Dienst. 1930 zog er mit seiner Frau in eine neue Wohnung in der Düsseldorfer Straße 44/45.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Berthold Auerbach und seine Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab dem 9. März 1933 kam es zu reichsweit organisierten Übergriffen auf Gerichte, darunter auch das Berliner Arbeitsgericht. Von NSDAP nahen „Betriebszellen“ informiert, terrorisierten SA-Trupps gezielt Sitzungen, an den jüdische Vorsitzende, Beisitzer und Anwälte teilnahmen. Am 1. April 1933 wurde Berthold Auerbach zwangsweise von seiner Stellung am Arbeitsgericht beurlaubt, im Oktober 1933 ein Berufsverbot gegen ihn verhangen und im Februar 1934 mit gekürztem Ruhegehalt zwangspensioniert. Im selben Jahr unternahm er eine mehrwöchige Reise nach Frankreich, Italien und in die Schweiz. Erhaltene Korrespondenz mit Freunden und Bekannten aus den 1930er-Jahren legen nahe, dass Berthold sich über Arbeitsmöglichkeiten im Ausland kundig machte. So bot ihm etwa der Nationalökonom Ignatz Jastrow (1856–1937) seine Hilfe an. Inwieweit Berthold Auerbach aber in den 1930er-Jahren konkrete Schritte unternahm, Deutschland zu verlassen, geht aus den erhaltenen Unterlagen nicht hervor.

1935 bezog er eine Wohnung in der Sächsischen Straße 67 in Wilmersdorf. Im Anschluss an die Pogrome im November 1938 wurde Berthold Auerbach in das KZ Sachsenhausen verschleppt, wo er mehrere Wochen Misshandlungen durchleiden musste, bevor man ihn im Dezember 1938 entließ. Im selben Jahr ließ er sich von seiner Ehefrau scheiden, zog in eine Dreizimmerwohnung in der Charlottenburger Waizstraße 3 und heiratete in zweiter Ehe die Lehrerin Gertrud Cohn, die im Frühjahr 1939 in seine Wohnung einzog. Die Tochter von Benno und Emma Cohn, geb. Spiero, war 1891 in Königsberg (Kaliningrad) geboren, hatte am Lehrerinnenseminar studiert und sich dann in Berlin niedergelassen. Das Ehepaar nahm auch die verwitwete Mutter von Gertrud in ihre Wohnung mit auf. 

Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für die Eheleute in Berlin zum reinen Existenzkampf: Gesetze und Sondererlasse machten sie zu Rechtlosen im eigenen Land. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Berthold war zuletzt als Hilfsarbeiter der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland beschäftigt; Gertrud ehrenamtlich bei der Jüdischen Kultusvereinigung Berlin.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Im Juni 1942 wurden viele Mitarbeiter der Reichsvereinigung, darunter auch Berthold Auerbach, zur Deportation mit einem „Straftransport“ bestimmt. Der 53-Jährige wurde zusammen mit seiner Ehefrau in einem der Berliner Sammellager interniert und von dort aus am 23. Juni 1942 mit dem „16. Osttransport“ über Königsberg und Wolkowysk nach Minsk deportiert. Nach der Ankunft am 26. Juni 1942 wurden beide in das nahe des Ghettos Minsk gelegene Vernichtungslager Maly Trostinez weiterverschleppt und ermordet. Bertholds Schwiegermutter Emma Cohn wurde am 26. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort wurde die 77-jährige Frau am 19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.