David Abrahamsohn

Location 
Inselstraße 12
District
Mitte
Stone was laid
25 April 2014
Born
05 March 1876 in Neidenburg / Nidzica
Deportation
on 31 August 1942 to Theresienstadt
Murdered
24 September 1942 in Theresienstadt

David Abrahamsohn wurde am 5. März 1876 im ostpreußischen Neidenburg in den Masuren (heute Nidzica, Polen) als Sohn des Kaufmanns Adolf und dessen Ehefrau Helene Abrahamsohn, geb. Katzki, geboren. David hatte einen älteren Bruder namens Emil, der 1874 in Neidenburg zur Welt gekommen war. Ob es noch weitere Geschwister gab, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor, auch gibt es keine Zeugnisse über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von David Abrahamsohn und seinem Bruder. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit zur relativ kleinen jüdischen Gemeinde Neidenburgs, die zum Zeitpunkt der Geburt von David etwa 200 der 4000 Einwohner zählte.

Davids Bruder Emil trat nach seinem Abitur am Königlichen Gymnasium zu Bartenstein ein Jurastudium an und ging nach Königsberg (Kaliningrad), wo er im November 1897 im Alter von 23 Jahren verstarb. Zu diesem Zeitpunkt war Davids Vater Adolf Abrahamsohn bereits in Neidenburg verstorben. Seine Mutter starb ebenfalls in Neidenburg vor dem Jahr 1906. David besuchte ein humanistisches Gymnasium, wo er das Abitur ablegte und danach eine kaufmännische Lehre begann. In dieser Zeit, kurz vor oder nach der Jahrhundertwende muss er nach Berlin gegangen sein, wo er am 31. Dezember 1906 die gebürtige Berlinerin Margarete (genannt Greta) Löwenstein heiratete. Vor der Hochzeit lebte er in der Michaelkirchstraße 5 und bezog dann mit seiner Ehefrau eine neue Wohnung in der Michaelkirchstraße 19 in der Berliner Innenstadt unweit der Spree. Dort kam 1909 ihr erstes Kind, Walter, zur Welt. 1911 folgte mit Rudolf ihr zweiter Sohn. 

David arbeitete in Berlin als Kaufmann. Er war am Kaufhaus für Manufakturwaren H. Abrahamsohn in der Köpenicker Straße 111 beteiligt, dass Hermann Max Abrahamsohn – vermutlich ein Verwandter, möglicherweise ein älterer Bruder von David – in Berlin aufgebaut hatte. Im Ersten Weltkrieg meldete sich David Abrahamsohn zum Kriegseinsatz. Er diente als Unteroffizier bei der 2. Kompagnie des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 52. Bei Gefechten seiner Einheit im Februar 1915 wurde er an der Front durch Granatsplitter schwer verwundet. Er kehrte als Kriegsinvalide in die Heimat zurück und war infolge der Verwundung gehbehindert, konnte nur noch eingeschränkt arbeiten und bezog eine Kriegsbeschädigtenrente. Dennoch war er weiterhin unternehmerisch tätig und gründete Ende der 1910er-Jahre mit Philipp Solms die Knopffabrik Ph. Solms & Co. GmbH, die ihren Firmensitz in der Köpenicker Straße 71 hatte.

Seine Ehefrau Margarete führte ab 1914 alleine das Textilwarenhaus in der Köpenicker Straße 111, das unter anderem das Kaufhaus Nathan Israel in der Spandauer Straße belieferte. Zum Sortiment des mittelständischen Unternehmens gehörten Weiß- und Wollwaren, Kleiderstoffe, Posamentierwaren, Accessoires sowie Damen- und Herrenkonfektion. Den Gewinn legten die Eheleute zum Teil in Grundbesitz an. David verlegte seine Tätigkeit in den 1930er-Jahren zunehmend in den Bereich der Beratung in Grundstücksfragen und der Hausverwaltung seines Wohnbesitzes in der Oranienstraße 181 in Kreuzberg und der Florastraße 58/59 in Pankow. Freunde und Bekannte berichteten, dass sich die Familie im Berlin der Weimarer Republik einen gutbürgerlichen Lebensstil leisten konnte. 1919 waren sie in eine Fünfzimmerwohnung in der dritten Etage der Inselstraße 12 in Mitte gezogen. Im Haushalt half eine Angestellte und die Familie unternahm regelmäßige Reisen. Besonderen Wert legten die Eheleute auf die Erziehung und Ausbildung ihrer Söhne: Rudolf begann nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung in der Schallplattenindustrie bei der Deutschen Crystalate GmbH (nach 1933 Kristall Schallplatten GmbH) in Berlin-Reinickendorf. Walter begann nach dem Abitur ein Jurastudium und war zuletzt Referendar am Kammergericht Berlin.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen David Abrahamsohn und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 waren die Abrahamsohns außerdem als Geschäftsinhaber von antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurde die juristische Karriere von Davids Sohn Walter, der gerade vor seinem zweiten Staatsexamen stand, beendet. Er ging 1933 nach Frankreich, lebte im südfranzösischen Lagrasse und später in Barcelona in Spanien, wo er den Spanischen Bürgerkrieg ab 1936 miterlebte. Seine Pläne für eine mögliche Ausreise nach Palästina oder England sollten letztlich scheitern. 1938 verließ auch Rudolf Berlin. Er floh zunächst nach Österreich, im Krieg dann weiter nach Italien und Griechenland und erreichte 1941 schließlich Haifa im britischen Mandatsgebiet Palästina. Ob auch David in den 1930er-Jahren Pläne verfolgte, Deutschland zu verlassen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollte er konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. 1935 mussten die Abrahamsohns ihre langjährige Wohnung in der Inselstraße 12 aufgeben. Sie zogen in eine Zweieinhalbzimmerwohnung in der Köpenicker Straße 108/109.

Im November 1938 wurde das Textilgeschäft der Abrahamsohns in der Köpenicker Straße 111 zerstört, Fensterscheiben des Geschäfts zerschlagen und die Waren aus dem Lager geplündert. Kurz danach wurde das Textilkaufhaus „arisiert“ – die Abrahamsohns erhielten aus dem Zwangsverkauf eine minimale finanzielle Entschädigung, die nicht einmal die Einrichtung des Ladenbetriebs deckte. Das zweite Geschäft, die Knopffabrik Ph. Solms & Co., an der David nach dem Tod seines Partners 1933 alleiniger Geschäftsführer geworden war und die unter treuhändischer Verwaltung stand, musste Ende der 1930er-Jahre oder Anfang der 1940er-Jahre aufgelöst werden. Im Mai 1939 gelang es Margarete, Berlin zu verlassen und in das Vereinigte Königreich auszureisen. Sie kam bei einer ihrer Schwestern unter und arbeitete als Hausangestellte und Verkäuferin in England, wo sie die nationalsozialistische Verfolgung und den Zweiten Weltkrieg überlebte. 

David Abrahamsohn verblieb in Berlin. Er wurde durch eine Pflegerin betreut. Das Leben in Berlin wurde für ihn spätestens in den 1940er-Jahren zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte er sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. In seine Wohnung in der Köpenicker Straße 108/109 hatte er mit Alfred Löwenstein zuletzt einen Bruder seiner Ehefrau als Untermieter aufgenommen. Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. David Abrahamsohn erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Er wurde im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort wurde er am 31. August 1942 mit dem „53. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Der 66-jährige Kriegsinvalide überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor er am 24. September 1942 ermordet wurde – entweder infolge direkter oder indirekter Gewalteinwirkung mittels absichtlicher Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Davids Sohn Walter war im Frühjahr 1939, nach dem Sieg Francos, aus Katalonien nach Frankreich geflüchtet, wo er mit anderen republikanischen Flüchtlingen im Lager Argelès-sur-Mer interniert worden war. Im August 1942 wurde er über das Sammel- und Durchgangslager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Davids Sohn Rudolf und seine Ehefrau Margarete überlebten die NS-Verfolgung im Exil.