Ella Samosch née Caro

Location 
Ifflandstr. 4
District
Mitte
Stone was laid
22 March 2014
Born
04 September 1879 in Arnswalde
Deportation
on 24 October 1941 to Litzmannstadt/Lodz
Later deported
on 04 May 1942 to Kulmhof/Chelmno
Murdered
04 May 1942 in Kulmhof/Chelmno

Ella Caro wurde am 4. September 1879 im damals brandenburgischen Arnswalde (dem heutigen Choszczno in Polen) geboren. Ihr Vater war der Kantor und Inspizient Heymann Caro (1839–1913), der aus Sierpe (dem heutigen Sierpc in Polen) stammte. Ihre Mutter Sara Caro, geborene Orzel, (1842–1908) kam aus der damals zum Russischen Reich gehörenden Ortschaft Zeromin, etwa 25 Kilometer südöstlich von Lodz (Łódź). Ella hatte mindestens vier Geschwister: Ihre Schwestern Chana und Franziska wurden 1862 und 1864 in Zeromin geboren; ihre Schwester Bertha 1867 in Wirsitz (Wyrzysk); Geburtsort und -jahr ihrer Schwester Paula gehen aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Über das Elternhaus und die Kindheit von Ella Caro und ihren Geschwistern im Arnswalde der Kaiserzeit haben sich leider keine Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde des Ortes, zu der zum Zeitpunkt von Ellas Geburt etwa 200 der 7350 Einwohner zählten. In der Klosterstraße besaß die Gemeinde ein zweigeschossiges Haus, in dem eine jüdische Schule untergebracht war, die Ella möglicherweise besuchte. Spätestens in den 1890er-Jahren zog die Familie nach Berlin, wo Heymann Caro eine Stelle als Kantor angenommen hatte und nach der Jahrhundertwende als Inspizient am Theater tätig war. Ab Mitte der 1890er-Jahre lebten die Caros in einer Wohnung in der Fehrbelliner Straße 80 in Mitte nahe dem Zionskirchplatz. Nach ihrer Schulausbildung arbeitete Ella Caro als Buchhalterin in Berlin. Im März 1908 starb ihre Mutter Sara in Berlin und vier Jahre später, 1912, auch ihr Vater Heymann.

Im Mai 1909 hatte Heymann Caro die Verlobung seiner jüngsten Tochter Ella im Berliner Tageblatt annonciert. Im Oktober des Jahres heiratete die damals 30-Jährige den Berliner Kaufmann Sally Samosch. Sally war 1881 in Berlin als Sohn des Kaufmanns Eduard Samosch und von Marie Samosch, geborene Michaelis, zur Welt gekommen. Er führte mit seinem Bruder Martin Ludwig Samosch das 1907 gegründete Textilunternehmen „Gebrüder Samosch“ an der Holzmarktstraße 3 in Mitte. Vor der Hochzeit lebte der Unternehmer in der Immanuelkirchstraße 29 im Prenzlauer Berg. Nach der Eheschließung nahmen sich Ella und Sally Samosch eine gemeinsame Wohnung in der Ifflandstraße 4 unweit des Alexanderplatzes. Am 13. Dezember 1911 kam ihr erster gemeinsamer Sohn Eduard zur Welt. Vier Jahre später folgte am 7. Mai 1915 der zweite Sohn Heinrich. Heinrich starb 1927 im Alter von 12 Jahren. Sein älterer Bruder begann nach dem Schulabschluss ein Jurastudium. Leider liegen keine weiteren Quellen vor, die einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Ella Samosch und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Bildungs- und Berufsleben. Gesetze und Sondererlasse drängten Ella Samosch zunehmend in die Position einer Rechtlosen im eigenen Land. Seit 1933 waren die Samoschs außerdem als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die in Berlin ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 erfuhren. 1936/1937 zog das Unternehmen, das als Wäsche- und Blusenfabrik begonnen hatte und sich ab Ende der 1920er-Jahre immer mehr auf Herrenmode und -assecoires, Kragen und Taschentücher verlegte, an eine neue Adresse an der Königstraße 48 in Mitte (heutige Rathausstraße), die damals zu den belebtesten Einkaufsstraßen Berlins zählte. In den 1930er-Jahren wurden die Gebrüder Samosch aus dem Geschäft gedrängt und nach den Pogromen 1938 waren sie endgültig gezwungen, das Unternehmen aufzugeben. Im Jahr 1939 wurde es nach mehr als dreißigjährigem Bestehen aufgelöst. Ellas Sohn Eduard hatte im nationalsozialistischen Deutschland als Jurist keinerlei Perspektive. Ihm gelang es, sich im April 1936 in das britische Mandatsgebiet Palästina zu flüchten, wo er sich niederließ und eine Familie gründete. In Berlin muss sein Vater in dieser Zeit – oder bereits zuvor – Probleme mit seinem Sehvermögen bekommen haben, denn die Blindenfürsorge in Form der „Selbsthilfevereinigung der jüdischen Blinden in Deutschland e.V.“ stellte ihm eine Blindenschreibmaschine für den Privatgebrauch zur Verfügung. Sally Samosch war zuletzt noch als privater Sprachlehrer tätig. Spätestens in den 1940er-Jahren war das Leben für die Eheleute Ella und Sally Samosch zum reinen Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Eheleute Samosch zählten mit zu den ersten, die von den Deportationen aus Berlin betroffen waren. Sie erhielten den Deportationsbescheid im Herbst 1941 und wurden im Oktober 1941 in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7–8 verbracht. Am 24. Oktober 1941 wurden sie mit dem „2. Osttransport“ gemeinsam in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Sally Samosch überlebte die unmenschlichen Bedingungen in Litzmannstadt ein halbes Jahr, bevor der 60-Jährige am 26. April 1942 im Ghetto ermordet wurde – entweder infolge direkter oder indirekter Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Ella Samosch wurde wenige Tage später, am 4. Mai 1942, weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort ermordet. Sie war zu diesem Zeitpunkt 62 Jahre alt.

Ellas Sohn Eduard überlebte die NS-Verfolgung im Exil. Das Schicksal ihrer Schwestern geht aus den vorliegenden Quellen nur lückenhaft hervor: Ihre Schwester Franziska hatte den Kaufmann Siegmund Albert Weill geheiratet und starb 1909 in Berlin. Auch ihre Schwestern Chana, Paula und Bertha hatten in den 1890er-Jahren geheiratet. Aus der Ehe von Bertha Caro mit David Schiwotzky, der 1928 verstarb, ging eine Tochter namens Elsbeth (*1900) hervor. Paula Caro, die im Juni 1939 in Berlin starb, war mit Georg Wolff (1876–1944) verheiratet. Aus dieser Ehe stammte ein Sohn namens Johannes Wolff (*1905), der Schulleiter in Berlin war und mit seiner Ehefrau Babette Wolff, geborene Fried (*1909) und seinen Kindern Esther (*1930) und David Immanuel (*1931) im März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Georg Wolff wurde im März 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus im Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz, wo er ermordet wurde. Über Chana Caro ist nur bekannt, dass sie mit ihrem Ehemann, dem Kaufmann Gdaljah Barantschuck, in Berlin gelebt hat.