Moses Linzer

Location 
Choriner Str. 68
District
Mitte
Stone was laid
12 June 2024
Born
08 September 1908 in Tarnow (Galizien) / Tarnów
Occupation
Schneider
Interniert
13 June 1939 to 24 April 1940 in KZ Sachsenhausen
Murdered
24 April 1940 im KZ Sachsenhausen

Moses David Linzer wurde am 8. September 1908 in Tarnów geboren. Seine Eltern, deren jüdische Eheschließung für den 2. März 1912 in Tarnow dokumentiert ist, waren der Schneider Mendel und Chaja Eidel Linzer, geb. Wahserman. Beide Eltern stammten aus Tarnow. 

Als Haushaltsvorstand ist Moses Linzer in den Berliner Adreß- und Telefonbüchern nicht zu finden. Ab 12. April 1920 bis zu seiner Eheschließung mit der Kontoristin Rachel Walzer 1938 war er jedoch in Berlin unter der Adresse Lothringerstr. 19 gemeldet. Unter dieser Adresse lebten 1921 mehrere Näherinnen und es befand sich hier ein Atelier für Herrenwäsche. Möglicherweise war der damals 11jährige Moses Linzer von seinem Vater, Schneider in Tarnow, zur Schneiderlehre hierhergeschickt worden. Als Lehrling hatte er dort vermutlich eine Verpflegungs- und Schlafstätte.

Am 10. November 1938 um 9 Uhr, am Tag der Novemberpogrome, schlossen der nun ausgebildete 30jährige Schneider Moses Linzer und die 29jährige Kontoristin Rachel Walzer die Ehe.  Beide hatten die polnische Staatsangehörigkeit. Trauzeugen waren der 22jährige Bügler Willi Becker und die 30jährige Uhrmacher-Gattin Rosa Hirsch. Zur Zeit der Eheschließung war Rachel Walzer ohne Anstellung.  Das Paar wollte nach der Eheschließung zu Rachels Geschwistern nach Palästina auswandern. Da zu der Zeit keine Immigration nach Palästina mehr möglich war, planten sie dies illegal über das Meer, wovon ihnen aber die bereits in Palästina lebende Schwester Cyla abriet, da diese Boote von der englischen Flotte aufgebracht und zurückgeschickt würden.

Moses Linzers Braut Rachel Walzer, in der Familie Regina genannt, war am 15. Mai 1909 als eines von neun Kindern der Eheleute Isaak und Chaja Walzer, geb. Storch, in Lubaczów geboren worden. Ihr Vater führte dort als Kaufmann einen Getreidehandel. Zu Kriegsbeginn 1914 floh die Familie nach Wien und zog 1922 nach Berlin. Rachel lebte bei ihren Eltern. Ihre Geschwister waren erfolgreich in der Textil- und Lederbranche. In der Schuhfabrik ihres Bruders Bernhard Walzer, der WACO-Schuhfabrik, wurde Rachel ausgebildet und hatte bis zur Zwangs-Auflösung der Firma 1938 eine Vertrauensstelle inne.

In der sogenannten ‚Polenaktion‘ Ende 1938 wurden „etwa 17.000 vorrangig männliche erwachsene Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit […] am 28. und 29. Oktober 1938 zu Übergangsbahnhöfen an der Grenze zu Polen gebracht. In lokalen Zügen wurden sie nach Polen weiterbefördert, die meisten von ihnen jedoch noch im Laufe der Nacht zu Fuß über die Grenze gejagt. Andere wurden in einem Lager bei Bentschen (Zbaszyn) interniert. Ein Großteil der nach Polen abgeschobenen Juden gelangte in andere polnische Städte und Ghettos.“  Dies betraf Rachels Brüder Bernhard und Jakob Walzer und Rachels Schwager Julius Nagler und ihre Familien.

Seit der Eheschließung am 10. November 1939 lebte das Ehepaar Moses und Rachel Linzer in der Wohnung ihrer Eltern Isaak und Chaja Walzer in der Choriner Str. 68 im 1.OG links.

Drei Monate nach der Volkszählung am 15. Mai 1939 wurde Moses Linzer, vier Tage nach seinem 31. Geburtstag, am 13. September 1939 in Berlin auf der Straße aufgegriffen und in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Moses Linzers Verhaftung erfolgte im Rahmen einer zweiten Verhaftungswelle, die zwischen dem 13. und 16. September 1939 stattfand. Über seine Haftzeit ist aus den Unterlagen der Gedenkstätte Sachsenhausen bekannt, dass er dort auf der Sonderliste der Zugänge vom 13. September die Häftlingsnummer 9118 in der Häftlingskategorie Polnisch.Jude hatte.

Dr. Astrid Ley, Stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte erläutert dazu:  „Mit Kriegsbeginn am 1.9.1939 verschärfte sich die Situation der noch in Deutschland lebenden Juden. Besonders betroffen waren polnische Juden, die mit polnischer Staatsangehörigkeit oder als Staatenlose teilweise schon Jahrzehnte in Deutschland lebten. Ab dem 13.9.1939 lieferten die Nazis zwischen 1.000 und 1.200 polnische Juden aus Berlin und dem Reichsgebiet in das Konzentrationslager Sachsenhausen ein, unter ihnen viele Arbeiter und Handwerker sowie kleine Kaufleute und Gewerbetreibende. In den ersten Wochen isolierte die SS die neuen Häftlinge in den Baracken 37, 38, 39 und 40 vom übrigen Lager. Die Fenster wurden abgedichtet und vernagelt, die normale Belegstärke der Baracken um das Doppelte bis Zweieinhalbfache überschritten. Nahezu täglich bzw. nächtlich fanden Prügelexzesse durch Funktionshäftlinge und SS-Männer statt. Das Morden und Sterben in den ”polnisch-jüdischen Blocks” nahm bis dahin unbekannte Ausmaße an. Eine medizinische Versorgung der Verletzten und Kranken gab es nicht. Ende September 1939, als der ”Polenfeldzug” der deutschen Wehrmacht beendet war, wurde die Isolierung aufgehoben. Unter den 534 am 13.9.1939 eingelieferten Männern befand sich auch Moses Linzer.“

Er wurde im Häftlingsblock 43 untergebracht. Von hier wurde sein Tod am 24.04.1940 um 18:15 Uhr vermerkt. Als Todesursache wurde Herzmuskelschwäche angegeben, als Beisetzungsort der Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee. Seine Leiche wurde im Krematorium Fürstenberg i.Meckl. eingeäschert. „Die Überführung der Aschenreste erfolgte am 14.5.1940 nach dem Friedhof in Berlin.“  Die Bestattung wurde am 20. Juni durch Chaja Walzer, Moses Linzers Schwiegermutter, angemeldet. Das letzte Geleit am Sonntag, den 23. Juni, zwei Monate nach seinem Tod, wird seiner Witwe Rachel Linzer ermöglicht worden sein.

Im Dezember 1942 schrieb Rachel Linzer an ihre 1933 nach Palästina geflohene ältere Schwester Cyla Leser, dass sie bald Berlin verlassen müssten und ihre Eltern und sie darüber sehr traurig seien.

Fünf Tage nach der Deportation ihrer Eltern aus Berlin nach Theresienstadt am 29. Januar 1943, musste auch die 33 jährige Rachel Linzer am 03. Februar 1943 Berlin verlassen. Als ihre letzte Adresse wird Choriner Straße 68 genannt. Das Ziel des 28. Osttransports von Berlin war Auschwitz.

Im KZ Auschwitz wurde Rachel Linzer ermordet. 

Der Trauzeuge, Willi Becker, als Bügler vermutlich ein Freund von Moses Linzer, wurde am 26. September 1942 mit dem sog. 20. Osttransport zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern deportiert. „Das Ziel der Deportation war Raasiku in Estland. Nach Ankunft in Raasiku kam ein Teil der Deportierten in das Lager Jägala, ein weiterer kleiner Teil in ein Arbeitslager in der Nähe von Riga, die übrigen Häftlinge wurden in einem unweit entfernten Waldgebiet (Kalevi-Liiva) direkt nach der Ankunft erschossen." (Statistik des Holocaust)