Bianka Levy

Location 
Marienstraße 7
District
Mitte
Stone was laid
20 October 2014
Born
16 June 1895 in Grätz (Posen) / Grodzisk
Deportation
on 01 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Bianca Levy wurde am 16. Juni 1895 in Grätz in der preußischen Provinz Posen (heute Grodzisk Wielkopolski, Polen) geboren. Die Stadt liegt rund 45 Kilometer südwestlich von Posen (Poznań). Bianca war die Tochter des Mützenmachers und Kürschners Isidor Levy (1861–1918) und dessen Ehefrau Röschen Katz, verh. Levy (1854–1934). Ihr Vater stammte ursprünglich aus Wollstein (Wolsztyn), ihre Mutter aus Buk (Powiat Poznański). Biancas Eltern hatten 1889 in Buk geheiratet und sich nach der Hochzeit in Grätz niedergelassen. 1892 war dort Biancas ältere Schwester Ella Levy zur Welt gekommen. Ob Bianca und Ella noch weitere Geschwister hatten, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Bianca und ihrer Schwester in Grätz haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Bianca rund 360 der etwa 3900 Einwohner zählten. Während die jüdischen Kinder in Grätz zunächst in Privatschulen unterrichtet wurden, besuchten sie – also vermutlich auch Bianca und Ella – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrheitlich städtische Schulen; in den untersten Klassen erteilten jüdische Lehrer den Unterricht.

Um die Jahrhundertwende kam es zu einer größeren Auswanderungswelle aus Grätz. Viele jüdische Familien verließen die Stadt und wanderten entweder in größere deutsche Metropolen aus oder emigrierten nach Übersee. Es ist nicht ganz klar, wann genau Biancas Familie Grätz verließ, sie lebte aber später in Berlin. Auch über die schulische Laufbahn haben sich keine Zeugnisse erhalten und es bleibt ungewiss, ob Bianca eine Berufsausbildung erhielt und welchen Beruf sie ausübte, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Spätestens in den Kriegsjahren muss die Familie in der Hauptstadt ansässig gewesen sein, da Biancas Vater 1918 in Berlin verstarb. Röschen lebte als Witwe in Berlin, bevor die 80-Jährige 1934 ebenfalls starb. 1924 kam in Berlin Ellas Tochter Ruth zur Welt. Bianca lebte alleinstehend und blieb ledig. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben von Bianca im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Bianca Levy und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden, Anfang der 1930er-Jahre nahm die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zu. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Bianca zunehmend in die Position einer Rechtlosen. Ende der 1930er-Jahre lebte sie in einer Wohnung im Parterre der Marienstraße 7 und war als Sortiererin beschäftigt. Sie bewohnte zuletzt ein einzelnes Zimmer in ihrer Wohnung, welche sie sich mit einem Untermieter teilen musste. Spätestens in den 1940er-Jahren war das Leben für sie in Berlin zum reinen Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Seit den 1940er-Jahren war sie außerdem als Zwangsarbeiterin eingesetzt. Bianca musste in den Pertrix-Werken in Niederschöneweide Zwangsarbeit verrichten. Die Fabrik produzierte Trockenbatterien und Taschenlampen für den Wehrmachtsbedarf.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Bianca Levy wurde im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, im Februar 1943 von der Gestapo am Arbeitsplatz verhaftet und in das kurz zuvor provisorisch eingerichtete Sammellager in der Rathenower Kaserne in der Moabiter Feldzeugmeisterstraße verschleppt. Von dort wurde die 48-Jährige am 1. März 1943 mit dem „31. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet. Biancas Schwester Ella war bereits Ende August 1942 zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter Ruth aus ihrem letzten Wohnsitz in der Alten Schönhauser Straße 14 im Scheunenviertel in das Ghetto Riga deportiert worden, wo beide Frauen ermordet wurden.