Sally Samosch

Verlegeort
Ifflandstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
22. März 2014
Geboren
01. September 1881 in Berlin
Deportation
am 24. Oktober 1941 nach Litzmannstadt/Lodz
Ermordet
26. April 1942 in Litzmannstadt/Lodz

Sally Samosch wurde am 1. September 1881 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Eduard Azriel Nathan Samosch (1844–1905) und dessen Ehefrau Marie Samosch, geborene Michaelis (1854–1929). Sein Vater stammte aus Breslau (dem heutigen Wrocław in Polen); der Geburtsort seiner Mutter geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Seine Eltern hatten Ende der 1870er-Jahre in Berlin geheiratet. Sally wuchs im Kreis von mindestens drei Geschwistern auf: Sein älterer Bruder Simon Samosch war 1880 in Berlin geboren worden; sein jüngerer Bruder Martin Ludwig Samosch wurde im November 1882 geboren; die Geburtsdaten seiner Schwester Friederike Samosch gehen aus den erhaltenen Zeugnissen nicht hervor. Zum Zeitpunkt von Sallys Geburt lebte die Familie in der Brandenburgstraße 38 (heutige Lobeckstraße) in Berlin-Kreuzberg. Sein Vater war Mitinhaber des Engros-Textilunternehmens „Hammerstein & Samosch“ für Seidenband und Hutstoffe in der Seydelstraße 4. Leider liegen keine weiteren Quellen vor, die einen Einblick in das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Sally Samosch und seinen Geschwistern im Berlin der Kaiserzeit geben könnten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins.

Nach seinem Schulabschluss begann Sally Samosch – wie bereits sein älterer Bruder Simon zuvor – eine kaufmännische Ausbildung und war anschließend als Kaufmann in Berlin tätig, wo der Unternehmer mit seinen Brüdern Simon und Martin Ludwig in einer Wohnung in der Immanuelkirchstraße 29 im Prenzlauer Berg lebte. Mit seinem Bruder Martin Ludwig führte er das 1907 gegründete Textilunternehmen „Gebrüder Samosch“ in der Holzmarkstraße 3 in Mitte.

Im Mai 1909 verlobte sich Sally Samosch mit der zwei Jahre älteren Ella Caro. Ella war die jüngste Tochter des Kantors und Inspizienten Heymann Caro (1839–1912) und dessen verstorbener Ehefrau Sara Caro, geborene Orzel (1843–1908). Im Oktober 1909 folgte die Eheschließung und das Ehepaar nahm sich eine gemeinsame Wohnung in der Ifflandstraße 4 unweit des Alexanderplatzes. Am 13. Dezember 1911 kam ihr erster Sohn Eduard zur Welt. Vier Jahre später folgte am 7. Mai 1915 ihr Sohn Heinrich Samosch, der 1927 im jugendlichen Alter von zwölf Jahren in Berlin verstarb. Sein älterer Bruder besuchte eine Berliner Schule und begann nach seinem Schulabschluss ein Jurastudium. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Sally Samosch und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Bildungs- und Berufsleben. Gesetze und Sondererlasse drängten Sally Samosch zunehmend in die Position eines Rechtlosen im eigenen Land. Seit 1933 war er außerdem als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die in Berlin ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 erfuhren. 1936/1937 zog das Unternehmen, das als Wäsche- und Blusenfabrik begonnen hatte und sich ab Ende der 1920er-Jahre immer mehr auf Herrenmode und -assecoires, Kragen und Taschentücher verlegt hatte, an eine neue Adresse an der Königstraße 48 in Mitte (heutige Rathausstraße), die damals zu den belebtesten Einkaufsstraßen Berlins zählte. In den 1930er-Jahren wurden die Gebrüder Samosch aus dem Geschäft gedrängt und nach den Pogromen 1938 waren sie endgültig gezwungen, das Unternehmen aufzugeben. Im Jahr 1939 wurde es nach mehr als dreißigjährigem Bestehen aufgelöst. Sallys Sohn Eduard hatte im nationalsozialistischen Deutschland als Jurist keinerlei Perspektive. Ihm gelang es, sich im April 1936 in das britische Mandatsgebiet Palästina zu flüchten, wo er sich niederließ und eine Familie gründete. In Berlin muss sein Vater in dieser Zeit – oder bereits zuvor – Probleme mit dem Sehvermögen bekommen haben, denn die Blindenfürsorge in Form der „Selbsthilfevereinigung der jüdischen Blinden in Deutschland e.V.“ stellte ihm eine Blindenschreibmaschine für den Privatgebrauch zur Verfügung. Sally Samosch war zuletzt noch als privater Sprachlehrer tätig. Spätestens in den 1940er-Jahren war das Leben für die Eheleute Sally und Ella Samosch zum reinen Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Eheleute Samosch zählten mit zu den ersten, die von den Deportationen aus Berlin betroffen waren. Sie erhielten den Deportationsbescheid im Herbst 1941 und wurden im Oktober 1941 in das provisorisch umfunktionierte Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7–8 verbracht. Am 24. Oktober 1941 wurden sie mit dem „2. Osttransport“ gemeinsam in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Sally Samosch überlebte die unmenschlichen Bedingungen in Litzmannstadt ein halbes Jahr, bevor der 60-Jährige am 26. April 1942 im Ghetto ermordet wurde – entweder infolge direkter oder indirekter Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Ella Samosch wurde nur wenig später, am 4. Mai 1942, aus Litzmannstadt weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort ermordet. Ihr Sohn Eduard überlebte die NS-Verfolgung im Exil. Sally Samoschs älterer Bruder Simon hatte sich angesichts der drohenden Deportation am 25. April 1941 in Berlin das Leben genommen. Dessen Ehefrau Rosa Lenchen Samosch, geborene Schütze (1880–1942), wurde gemeinsam mit Ella und Sally im Oktober 1941 aus Berlin nach Litzmannstadt deportiert. Sie wurde zusammen mit Ella am 4. Mai 1942 in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert und dort ermordet. Sallys jüngerer Bruder Martin Ludwig Samosch und dessen Familie wurden im März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet; Martin wurde mit seinen Töchtern Bertha Beila (*1914) und Steffi Edith (*1921) am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert; seine Ehefrau Ella Hinda Samosch, geborene Leszczynski (*1883) einen Tag zuvor am 2. März. Sallys Schwester Friederike Samosch war bereits im Februar 1925 in Breslau verstorben und dort auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Cosel beerdigt worden.