Hedwig Selbiger geb. Abrahamsohn

Verlegeort
Mendelssohnstraße 5
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
August 2006
Geboren
25. Februar 1885 in Berent (Westpreußen) / Kościerzyna
Deportation
am 28. Juni 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Hedwig Selbiger wurde am 25. Februar 1885 als Tochter von Nathan Abrahamsohn und seiner Ehefrau Sara, geb. Machol, im ehemals westpreußischen Berent (heute: Kościerzyna / Polen) geboren. Dort besuchte sie zunächst die Grundschule, anschließend eine höhere Schule, die sie mit der Obersekundarreife abschloss. Ihre Eltern besaßen ein eigenes Haus und hatten ein großes Herrenkonfektions- und Schuhgeschäft, das von der Firma Salamander als Filiale autorisiert war. Es ging ihnen wirtschaftlich sehr gut. Hedwig Selbiger wurde in dem Geschäft ihrer Eltern kaufmännisch ausgebildet und arbeitete dort einige Jahre.<br />
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1910 heiratete Hedwig den Königlichen Eisenbahnspediteur Georg Selbiger, mit dem sie das Geschäft seines Vaters führte. 1911 kam ihr erster Sohn Harry zur Welt, gefolgt vom ein Jahr später geborenen Manfred. Als Georg zum Ersten Weltkrieg eingezogen wurde, musste Hedwig das Geschäft alleine führen. Nach dem Krieg zog die Familie nach Berlin, wo Georg ein Schuhgeschäft gründete, welches aufgrund der Inflation nicht lange Bestand hatte. Aus Mitteln ihrer Erbschaft gründete Hedwig nun ein eigenes Wäscheverleih-Geschäft in der Neuen Königstraße 31. In dieser Zeit wohnte die Familie in der Meyerbeerstraße 5 und nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in der Rombergstraße 25 (seit 1950 Mendelssohnstraße 5). Das Wäscheverleih-Geschäft entwickelte sich unerwartet gut. Zwar war es unter dem Namen „Georg Selbigers Wäscheverleih“ eingetragen, Eigentümerin war jedoch Hedwig selbst.<br />
<br />
Die Wohnung der Selbigers war eine 5-Zimmer-Wohnung mit zwei Eingängen. Sie bestand aus einer großen Küche mit der üblichen Einrichtung – Küchenschrank, Anrichte, Tisch, Stühle, Eisschrank. Es befand sich in der Wohnung ein sehr großer langer Korridor, auf dem mehrere Schränke standen. Die Zimmer waren mit Teppichen ausgelegt und an den Wänden hingen Bilder. Das Mittelzimmer war das Speisezimmer mit einem Buffet, einer Kredenz, einem großen Tisch zum Ausziehen mit Stühlen, Lampen und Gardinen. Außerdem befand sich in der Wohnung ein Herrenzimmer mit einem großen Bücherschrank, einem Schreibtisch und einem Tisch. Das Ehepaar besaß des Weiteren ein helles Schlafzimmer, für die Söhne gab es ein kleineres Schlafzimmer. Außerdem hatte die Wohnung ein Badezimmer mit einem Boiler sowie ein Mädchenzimmer. Dann war ein sehr großer Raum vorhanden, in dem sich der Betrieb befand. Dort standen mehrere Nähmaschinen, an denen Näherinnen arbeiteten. Der ganze Raum war mit Regalen und Schränken angefüllt, in denen das Wäschematerial lagerte. Die verliehene Wäsche, hauptsächlich Handtücher, Servietten, Staublappen, Kittel, Tischtücher, Kaffeedecken und Bettwäsche, trug den eingewebten Schriftzug „Selbiger’s Wäscheverleih“.<br />
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Die Familie Selbiger galt in der Verwandtschaft, die größtenteils aus Geschäftsleuten bestand, als die wohlhabendste Familie. Das Wäscheverleih-Geschäft hatte ein Auto und mehrere Zwei- und Dreiräder mit Kästen; auf ihnen befand sich ebenfalls die Aufschrift „Selbiger’s Wäscheverleih“. Des Weiteren waren zwei Vertreter zur Werbung der Kundschaft beschäftigt. Der Sohn Manfred war nach 1933 bei der Mutter angestellt und fuhr im Auto Wäsche aus. Hedwig selbst arbeitete von früh bis spät unermüdlich im Geschäft. Ihr Mann Georg war ebenfalls im Geschäft tätig; vermutlich erledigte er die Buchführung und besuchte Kunden. <br />
<br />
Am 31. Dezember 1938 musste das Geschäft aufgegeben werden, beziehungsweise wurde es am 1. Januar 1939 aufgrund der damaligen Gesetzgebung verboten. Der Betrieb war an sich noch im Aufblühen begriffen, jedoch wurde seine weitere Existenz durch die Nazizeit verhindert. Dieses schwere Schicksal sowie insbesondere die Verhaftung ihres Gatten Georg im Jahre 1936 ruinierten Hedwig gesundheitlich. Durch die vielen Aufregungen und den erhöhten Arbeitsdruck erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Sie musste sich wegen Herzbeschwerden in Behandlung begeben. Georg wurde nach einem Jahr freigesprochen und kehrte als schwerkranker Mann nach Hause zurück. Von nun an übernahm Hedwig die Pflege ihres Mannes, da dieser seit seiner Zeit in der Haftanstalt 1936/37 vollkommen arbeitsunfähig geworden war. <br />
<br />
1939 mussten die Eheleute ihre Wohnung aufgeben und wurden zwangsweise in die Johannisstraße 8 umgesiedelt, wo sie als Untermieter leben mussten. Dort ernährte Hedwig ihren Mann unter kümmerlichen Verhältnissen mit Nähen und Wäsche ausbessern, soweit sie selbst diese Tätigkeiten bei ihrem schlechten Gesundheitszustand noch ausführen konnte. Am 28. Juni 1943 wurde Hedwig, etwa ein halbes Jahr vor dem Tode ihres Ehemanns, mit dem 39. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss, weshalb gemäß §180 BEG der 8. Mai 1945 als ihr Todesdatum gilt.<br />
<br />
Ihr Sohn Harry ist der einzige, der die NS-Zeit überlebte. Mit seiner Frau Ruth gelang ihm 1938 die Flucht nach Uruguay. 1970 verstarb Harry nach langem Leiden in Montevideo.<br />

Hedwig Selbiger wurde am 25. Februar 1885 als Tochter von Nathan Abrahamsohn und seiner Ehefrau Sara, geb. Machol, im ehemals westpreußischen Berent (heute: Kościerzyna / Polen) geboren. Dort besuchte sie zunächst die Grundschule, anschließend eine höhere Schule, die sie mit der Obersekundarreife abschloss. Ihre Eltern besaßen ein eigenes Haus und hatten ein großes Herrenkonfektions- und Schuhgeschäft, das von der Firma Salamander als Filiale autorisiert war. Es ging ihnen wirtschaftlich sehr gut. Hedwig Selbiger wurde in dem Geschäft ihrer Eltern kaufmännisch ausgebildet und arbeitete dort einige Jahre.

1910 heiratete Hedwig den Königlichen Eisenbahnspediteur Georg Selbiger, mit dem sie das Geschäft seines Vaters führte. 1911 kam ihr erster Sohn Harry zur Welt, gefolgt vom ein Jahr später geborenen Manfred. Als Georg zum Ersten Weltkrieg eingezogen wurde, musste Hedwig das Geschäft alleine führen. Nach dem Krieg zog die Familie nach Berlin, wo Georg ein Schuhgeschäft gründete, welches aufgrund der Inflation nicht lange Bestand hatte. Aus Mitteln ihrer Erbschaft gründete Hedwig nun ein eigenes Wäscheverleih-Geschäft in der Neuen Königstraße 31. In dieser Zeit wohnte die Familie in der Meyerbeerstraße 5 und nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in der Rombergstraße 25 (seit 1950 Mendelssohnstraße 5). Das Wäscheverleih-Geschäft entwickelte sich unerwartet gut. Zwar war es unter dem Namen „Georg Selbigers Wäscheverleih“ eingetragen, Eigentümerin war jedoch Hedwig selbst.

Die Wohnung der Selbigers war eine 5-Zimmer-Wohnung mit zwei Eingängen. Sie bestand aus einer großen Küche mit der üblichen Einrichtung – Küchenschrank, Anrichte, Tisch, Stühle, Eisschrank. Es befand sich in der Wohnung ein sehr großer langer Korridor, auf dem mehrere Schränke standen. Die Zimmer waren mit Teppichen ausgelegt und an den Wänden hingen Bilder. Das Mittelzimmer war das Speisezimmer mit einem Buffet, einer Kredenz, einem großen Tisch zum Ausziehen mit Stühlen, Lampen und Gardinen. Außerdem befand sich in der Wohnung ein Herrenzimmer mit einem großen Bücherschrank, einem Schreibtisch und einem Tisch. Das Ehepaar besaß des Weiteren ein helles Schlafzimmer, für die Söhne gab es ein kleineres Schlafzimmer. Außerdem hatte die Wohnung ein Badezimmer mit einem Boiler sowie ein Mädchenzimmer. Dann war ein sehr großer Raum vorhanden, in dem sich der Betrieb befand. Dort standen mehrere Nähmaschinen, an denen Näherinnen arbeiteten. Der ganze Raum war mit Regalen und Schränken angefüllt, in denen das Wäschematerial lagerte. Die verliehene Wäsche, hauptsächlich Handtücher, Servietten, Staublappen, Kittel, Tischtücher, Kaffeedecken und Bettwäsche, trug den eingewebten Schriftzug „Selbiger’s Wäscheverleih“.

Die Familie Selbiger galt in der Verwandtschaft, die größtenteils aus Geschäftsleuten bestand, als die wohlhabendste Familie. Das Wäscheverleih-Geschäft hatte ein Auto und mehrere Zwei- und Dreiräder mit Kästen; auf ihnen befand sich ebenfalls die Aufschrift „Selbiger’s Wäscheverleih“. Des Weiteren waren zwei Vertreter zur Werbung der Kundschaft beschäftigt. Der Sohn Manfred war nach 1933 bei der Mutter angestellt und fuhr im Auto Wäsche aus. Hedwig selbst arbeitete von früh bis spät unermüdlich im Geschäft. Ihr Mann Georg war ebenfalls im Geschäft tätig; vermutlich erledigte er die Buchführung und besuchte Kunden.

Am 31. Dezember 1938 musste das Geschäft aufgegeben werden, beziehungsweise wurde es am 1. Januar 1939 aufgrund der damaligen Gesetzgebung verboten. Der Betrieb war an sich noch im Aufblühen begriffen, jedoch wurde seine weitere Existenz durch die Nazizeit verhindert. Dieses schwere Schicksal sowie insbesondere die Verhaftung ihres Gatten Georg im Jahre 1936 ruinierten Hedwig gesundheitlich. Durch die vielen Aufregungen und den erhöhten Arbeitsdruck erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Sie musste sich wegen Herzbeschwerden in Behandlung begeben. Georg wurde nach einem Jahr freigesprochen und kehrte als schwerkranker Mann nach Hause zurück. Von nun an übernahm Hedwig die Pflege ihres Mannes, da dieser seit seiner Zeit in der Haftanstalt 1936/37 vollkommen arbeitsunfähig geworden war.

1939 mussten die Eheleute ihre Wohnung aufgeben und wurden zwangsweise in die Johannisstraße 8 umgesiedelt, wo sie als Untermieter leben mussten. Dort ernährte Hedwig ihren Mann unter kümmerlichen Verhältnissen mit Nähen und Wäsche ausbessern, soweit sie selbst diese Tätigkeiten bei ihrem schlechten Gesundheitszustand noch ausführen konnte. Am 28. Juni 1943 wurde Hedwig, etwa ein halbes Jahr vor dem Tode ihres Ehemanns, mit dem 39. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss, weshalb gemäß §180 BEG der 8. Mai 1945 als ihr Todesdatum gilt.

Ihr Sohn Harry ist der einzige, der die NS-Zeit überlebte. Mit seiner Frau Ruth gelang ihm 1938 die Flucht nach Uruguay. 1970 verstarb Harry nach langem Leiden in Montevideo.