Therese Heymann geb. Steiner

Verlegeort
Möckernstraße 65
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
10. April 2024
Geboren
07. Januar 1873 in Prag
Deportation
am 17. August 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
21. November 1943 in Theresienstadt

Therese (eigentlich Theresia) Steiner kam am 7. Januar 1873 in Prag als Tochter des jüdischen Schriftsetzers Markus Steiner und dessen Ehefrau Marie, geb. Lustig, zur Welt. Ihr Bruder Rudolf wurde 1875 in Wien geboren. Die Familie ließ sich 1877 in Mayen (nahe Koblenz) nieder, 1886 zogen sie nach St. Johann, heute ein Stadtteil von Saarbrücken, und 1891 nach Frankfurt am Main. Markus Steiner arbeitete an den jeweiligen Orten als Schriftsetzer in Druckereien, auch sein Sohn Rudolf ergriff diesen Beruf. Therese erlernte den Beruf der Modistin – sie stellte also Hüte und Kopfbedeckungen für Damen her. 

Sie heiratete am 5. April 1893 in Frankfurt am Main den Schriftsetzer Albert Heymann, geb. am 7. September 1867 in Bonn. Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. 

Thereses Familie zog im Mai 1893 nach Münstermaifeld (Kreis Koblenz), wo ihr Vater eine eigene Druckerei gründete. Am 24. August 1893 kam dort ihre Tochter Else zur Welt. Es folgten die Kinder Hermann (*1895 in Breslau), Moritz (*1898 in Twistringen bei Bremen), Sophie und Rosa (*1902 und 1904 in Hagen / Westfalen). Drei weitere Kinder verstarben bereits im Säuglingsalter.

1910 übersiedelte die Familie Heymann nach Rixdorf, das 1912 in Neukölln umbenannt wurde und bis zur Eingemeindung nach Groß-Berlin im Jahr 1920 eine eigenständige Stadt war. Dort starb Thereses Ehemann Albert Heymann am 29. August 1911 im Alter von nur 43 Jahren.

Die verwitwete Mutter von fünf Kindern verdiente ihren Lebensunterhalt laut Berliner Adressbuch fortan als Pflegerin. Die Familie lebte seit 1918 in der Donaustraße 7 in Neukölln. Am 23. Oktober desselben Jahres starb die 15-jährige Tochter Sophie. Therese Heymanns Sohn Hermann verstarb am 11. Oktober 1931 im Alter von 36 Jahren. Nach seinem Tod übernahm sie dessen Wohnung in der Möckernstraße 65 in Kreuzberg.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Heymann. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. 

Thereses Sohn Moritz wurde im Zuge der Pogrome vom 9. November 1938 verhaftet und am 22. Dezember 1938 nach Buchenwald verschleppt. Dort musste er u.a. im Steinbruch Zwangsarbeit verrichten. 

Die Tochter Else, geschiedene Wegener, lebte seit mehreren Jahren mit dem Nichtjuden Alfred Glashagen in einem eheähnlichen Verhältnis. Durch das am 15. September 1935 erlassene Gesetz zum „Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ wurde die Eheschließung und der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und sogenannten „Ariern“ verboten. Verstöße gegen das Gesetz wurden als „Rassenschande“ bezeichnet und mit Gefängnis oder Zuchthaus bedroht. Alfred Glashagen wurde im März 1939 vom Landgericht Berlin zu einer Zuchthausstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Else Wegener wurde am 15. Mai 1939 durch die Gestapo verhaftet und war zunächst im Polizeigefängnis Berlin, seit 25. Mai im KZ Ravensbrück inhaftiert. Es gelang Therese Heymann, Papiere für die Auswanderung ihrer Tochter nach England zu beschaffen, woraufhin diese am 19. August aus Ravensbrück entlassen wurde, mit der Auflage, Deutschland zu verlassen. Da sich Else Wegener noch einen Pass besorgen musste, verzögerte sich ihre Ausreise. Nach dem Kriegsausbruch am 1. September 1939 war es ihr nicht mehr möglich, nach England zu emigrieren. Elses Tochter Edith und ihrem Schwiegersohn Eugen Klingler, die in Den Haag lebten, gelang es schließlich, ihre Ausreise in die Niederlande zu erwirken, wo Else Wegener am 19. November 1939 ankam.

Therese Heymann wohnte etwa seit 1939 zusammen mit ihrer Enkelin Anneliese Wegener, einer sogenannten „Halbjüdin“, in der Gneisenaustraße 15. Sie wurde am 17. August 1942 mit dem 1. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 21. November 1943 ums Leben kam.

Ihr Sohn Moritz Heymann wurde am 17. Oktober 1942 von Buchenwald nach Auschwitz verschleppt. Er musste in Auschwitz III-Monowitz Zwangsarbeit leisten und wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet. 

Therese Heymanns Tochter Rosa hatte 1927 den Nichtjuden Wilhelm Frahm geheiratet und war aufgrund dieser „Mischehe“ vor der Deportation geschützt.

Ihre Tochter Else Wegener wurde in den Niederlanden am 29. Dezember 1943 vom Sicherheitsdienst verhaftet und ins Gefängnis Amsterdam, von dort am 6. Januar 1944 in das Durchgangslager Westerbork überführt, von wo sie am 25. Februar 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde. Else Wegener überstand Misshandlungen, schlechte Ernährung und Krankheiten und erlebte die Befreiung des Ghettos am 8. Mai 1945 durch die Rote Armee. Sie lebte nach dem Krieg zunächst wieder in den Niederlanden, kehrte aber 1952 nach Berlin zurück, wo sie 1965 verstarb.