Johanna Bogen geb. Bonwitt

Verlegeort
Fontanepromenade 16
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
11. März 2024
Geboren
28. November 1874 in Rodenberg
Flucht
1938 Holland
Interniert
11. Dezember 1942 in Westerbork
Deportation
am 10. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
21. Januar 1943 in Auschwitz

Johanna (eigentlich Johanne) Bonwitt kam am 28. November 1874 in Rodenberg als Tochter des jüdischen Kaufmanns Louis Bonwitt und dessen Ehefrau Karoline, geb. Behrend, zur Welt. Sie hatte noch fünf jüngere Geschwister, die ebenfalls in der kleinen Stadt Rodenberg, ca. 35 km westlich von Hannover gelegen, geboren wurden: Anna (*1876), Wilhelm Louis (*1877), Paul (geb. und gest. 1879), Gustav (*1881) und Ida (*1885). Außerdem hatte Johanna aus der ersten Ehe ihres Vaters noch zwei ältere Halbbrüder: Berthold Burghard (*1869) und Jacobi (*1870). Deren Mutter war kurz nach der Geburt des zweiten Kindes verstorben.

Über die Kindheit und Jugend von Johanna Bonwitt haben sich keine Informationen erhalten. Ihre Familie übersiedelte Anfang der 1890er Jahre in die Reichshauptstadt, wo sie zunächst in der Camphausenstraße 20 (heute Körtestraße 35) lebte. Um 1899 zog Louis Bonwitt, der Mitinhaber der Maschinenfabrik Kowitzke & Co. war, mit seiner Familie in das Haus Hasenheide 61.

Johanna Bonwitt, die keinen Beruf erlernt hatte, heiratete am 19. März 1908 den jüdischen Kaufmann Ferdinand Bogen, geb. am 28. November 1872 in Wien. Er war erster Einkäufer der Konfektionsfirma für Damenmäntel D. Levin am Hausvogteiplatz. 

Das Ehepaar bekam zwei Kinder: Franz (*8. Februar 1909) und Marianne (*1. März 1911). Um 1916 bezog die Familie eine 4-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock des Hauses Fontanepromenade 16.

Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem Johannas Ehemann in den Reihen der österreichischen Armee teilgenommen hatte, verließ Ferdinand Bogen die Firma D. Levin und machte sich als Vertreter großer Damenstoff-Fabriken Thüringens, Sachsens und des Rheinlandes in Berlin selbständig. Sein Geschäft florierte und er verdiente gut, die Familie hatte einen hohen Lebensstandard. Sie beschäftigten ein ständiges Dienstmädchen und konnten ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen: Der Sohn besuchte das Friedrichs-Realgymnasium in der Schleiermacherstraße, die Tochter das Lyzeum in Neukölln.

Seit 1933 begann auch Ferdinand Bogen zunehmend unter dem Boykott jüdischer Geschäftsleute zu leiden. Sein Sohn Franz, der an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) Jura studiert hatte, entschloss sich zur Auswanderung nach Palästina. Voraussetzung für eines der von der britischen Mandatsmacht ausgestellten Einreisevisa war aber eine landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung. Franz Bogen absolvierte also eine Lehre als Rohrleger und erhielt eine Einreiseerlaubnis für Palästina, die allerdings für ein Ehepaar ausgestellt wurde. Er heiratete daraufhin die ebenfalls auswanderungswillige landwirtschaftliche Praktikantin Hilda Hennig, geb. 1915 in Neukölln, und emigrierte mit ihr 1934 nach Palästina. Das Paar ließ sich gleich nach der Ankunft wieder scheiden und Franz heiratete später Hanni de Winter, eine aus den Niederlanden stammende Jüdin.

Die Tochter Marianne hatte 1931 ihre Ausbildung als Kindergärtnerin und Hortnerin abgeschlossen und war als solche bei der Jüdischen Gemeinde Berlin angestellt. Im März 1939 wanderte sie nach England aus, wo sie zunächst als Hausangestellte arbeitete.

Ferdinand und Johanna Bogen waren Ende 1938 / Anfang 1939 in die Niederlande geflüchtet, wo sie von den Schwiegereltern ihres Sohnes, Samuel de Winter und dessen Ehefrau, Sophia Francisca geb. de Leeuw, in Arnheim aufgenommen und unterstützt wurden. 

Am 11. Dezember 1942 wurde das Ehepaar Bogen von seinem letzten Wohnort, dem „Heim für alte israelitische Männer“ in Arnheim in das „polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ eingeliefert. An ihre Tochter Marianne schrieben sie an diesem Tag in einem Rot-Kreuz-Brief: „Heute werden wir umgesiedelt. Sind gesund und guten Muts. ...“ – offenbar hatten sie noch bis zuletzt gehofft, eine Einreiseerlaubnis nach Palästina zu bekommen, doch diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Am 18. Januar 1943 wurden Ferdinand und Johanna Bogen nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Johannas Schwester Anna, verwitwete Aaron, wurde am 15. August 1942 mit dem 18. Osttransport von Berlin nach Riga deportiert und dort am 18. August ermordet. Ihre Schwester Ida, verheiratete Friedländer, war bereits 1932 in Berlin, ihr Halbbruder Berthold Burghard Bonwitt 1938 in Den Haag verstorben. Ihre anderen Brüder waren rechtzeitig ausgewandert.

Nachdem Franz Bogens zweite Ehefrau 1950 an Tuberkulose gestorben war, heiratete er Judith Kroch, geb. 1924 in Leipzig, und gründete mit ihr eine Familie. Er änderte seinen Namen in Moshe Kashti und arbeitete für das israelische Verteidigungsministerium. Er starb 1994.

Die Tochter Marianne arbeitete ab 1943 in ihrem alten Beruf als Kindergärtnerin in einem Kriegskindertagesheim in London, 1946 wurde sie bei der Stadt London als Kindergartenlehrerin angestellt. Sie heiratete 1947 den deutsch-jüdischen Flüchtling Bernhard Kristeller (*1904), der von Beruf Apotheker war. Er starb 1956 in London, Marianne Kristeller verstarb 2010.