Lola Alexander

Verlegeort
Gritznerstr. 41
Historischer Name
Arndtstr. 12
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
07. Mai 2024
Geboren
20. Juni 1907 in Berlin-Wilmersdorf
Beruf
Geschäftsfrau
Zwangsarbeit
Arbeiterin (Flugzeugmotorenfabrik Alfred Teves GmbH, Wittenau)
Überlebt

Lola Alexander wurde am 20.Juni 1907 in Berlin-Wilmersdorf geboren, zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Hansi. Zu Lolas Familie gehörten die Eltern Robert und Martha Alexander und die Brüder Bernhard (geb. 1904), René (geb. 1905) und Klaus (geb. 1908). Ihr Vater Robert war Kaufmann in der Lederbranche. Während Lolas Kindheit zog die Familie häufig um häufig um, zunächst in Wilmersdorf und 1912 schließlich nach Steglitz. Ab 1919 wohnte die Familie für 10 Jahre in der Grunewaldstr. 18.

Nach ihrem Schulabschluss am Steglitzer Lyzeum II begann Lola wie auch ihre Zwillingsschwester Hansi eine Berufsausbildung im väterlichen Schuhgeschäft.   Lola eröffnete im Jahr 1928 ein Geschäft für Knabenkleidung in der Schadenrute 3 (heute Autobahn "Westtangente") , in dem auch ihre Mutter Martha arbeitete.
Kurz zuvor waren die Eltern Robert und Martha Alexander mit Lolas Zwillingsschwester Hansi und vermutlich auch mit Lola in eine Wohnung in der neuerbauten repräsentativen Wohnsiedlung am Rande des Stadtparks Steglitz in die Vionvillestr. 20 umgezogen. Im Berliner Adressbuch wurde der 64-jährige Vater als "Privatier" geführt und der Umzug zeugte von gewissem Wohlstand.. 

Doch schon 1933/1934 wendete sich das Blatt für die Familie. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten schmälerte sich der finanzielle Spielraum von jüdischen Mitbürgern immer mehr. So musste die Familie wieder eine neue , preisgünstigere Bleibe suchen und fand diese in einer kleineren Erdgeschosswohnung in der Arndtstr. 12 (heute: Gritznerstr. 41). Dort zogen nun Robert und Martha Alexander mit ihren Zwillingstöchtern Hansi und Lola ein.

Im November 1938 wurde das Geschäft von Lola in der Pogromnacht zerstört und geplündert. Die finanzielle Situation der Familie wurde immer prekärer. Lola nahm Näharbeiten an und trug Zeitungen aus, um die Familie über Wasser zu halten, während ihr Schwester Hansi von April bis Oktober 1938  als „Haustochter“ in einem kleinen Landhotel am Röblinsee in der Mecklenburgischen Seenplatte, und dann bis April 1941 als Haustochter bei einem jüdischen Ehepaar arbeitete.

Ab April 1941 mussten sowohl Lola als auch Hansi Zwangsarbeit leisten.  Lola wurde der Flugzeugmotorenbau-Fabrik der Alfred Teves GmbH in Berlin-Wittenau, zugewiesen.  Am 24. Juni 1941 Jahres starb ihr Vater Robert an Herzversagen. Kurze Zeit später wurden  Hansi, Lola und ihre Mutter Martha gezwungen, ihre Wohnung in Berlin-Steglitz zu verlassen und in eine  „Judenwohnung“ in die Gutzkowstraße in Berlin-Schöneberg zu ziehen. Diese mussten sie sich mit weiteren jüdischen Untermietern teilen. Die Mutter Martha nahm sich am 24. Juli 1942 mit einer Überdosis Veronal das Leben, um der bevorstehenden Deportation zu entgehen.

Trotz aller Entbehrungen hatte Lola das große Glück, dass ihr ein Fabrikaufseher, Wilhelm Daene, zugewiesen wurde, der Mitglied einer geheimen Widerstandsgruppe war. Im Januar 1943 warnte er sie vor einer Razzia für die noch in Berlin verbliebenen jüdischen Zwangsarbeiter und bot ihr ein Versteck in seinem Haus in Konradshöhe an, das am Waldrand und an der Havel lag und vor fremden Blicken geschützt war. Danae sagte zu auch für Lolas Schwester Hansi Hilfe zu suchen - aber sie kam nicht rechtzeitig. Hansi wurde am 27. Februar 1943  im Rahmen der sogenannten „Fabrikaktion“, einer deutschlandweit koordinierten Razzia von jüdischen Zwangsarbeitern, verhaftet und umgehend - am 1. März 1943 - nach Auschwitz deportiert und ermordet. 

Lola war nach dem Verschwinden ihrer Schwester erschüttert. Die Danaes halfen noch anderen verfolgten jüdischen Menschen. Das Ehepaar nahm auch Ursula Finke bei sich auf. Lola und Ursula wurden enge Freundinnen. Mit gefälschten Ausweispapieren, die Wilhelm Danae für sie besorgt hatte, fuhren sie täglich von Konradshöhe zur Arbeit in die Leihbücherei-Filialen  von Wilhelm Daenes Frau Margarete – Ursula nach Moabit, Lola nach Friedrichshain.
Ein Jahr lang verlief alles glatt. Doch im August 1944 wurden sie am Bahnhof Gesundbrunnen von einem jüdischen „Greifer“ erkannt, der für die Gestapo arbeitete. Um einer Verhaftung zu entgehen, warf sich Ursula unter einen einfahrenden Zug.  Sie überlebte und wurde in das Jüdische Krankenhaus im Wedding, Iranische Str.  gebracht. Lola konnte entkommen und die Daenes warnen.

In den nächsten Monaten musste Lola von einem Versteck zum anderen fliehen, ohne irgendwo länger als ein paar Tage bleiben zu können. Nachdem die Gefahr nachgelassen hatte, erlaubten ihr die Daenes, in die Leihbücherei in Friedrichshain zurückzukehren und dort im Hinterzimmer zu wohnen. Für neugierige Kunden war sei eine "ausgebombte Kriegswitwe". Einmal pro Woche schickte Lola ein Paket an Ursula im Jüdischen Krankenhaus, das neben Lebensmitteln auch Zigaretten enthielt, die Ursula nutzen konnte, um sie gegen kleine Vergünstigungen einzutauschen.
Als sich die sowjetische Armee von Osten nach Berlin näherte, versteckte sich Lola im Luftschutzkeller. Sobald es ihr sicher erschien, machte sie sich auf den Weg durch die verwüstete Stadt, durch Straßen voller Leichen, um Ursula im Jüdischen Krankenhaus zu suchen. Ihre Freundin entdeckte sie in einem schrecklichen Zustand im Keller des Krankenhauses, fast verhungert und nur noch 31 Kilo schwer. Lola pflegte Ursula gesund und fand eine Wohnung in Lichtenberg. Dort lebten Lola und  Ursula zusammen.

Nach dem Kriegsende erfuhr Lola vom Schicksal ihrer Geschwister:  Hansi wurde am 01.03.1943, zwei Tage nach ihrer Verhaftung, mit dem Zug nach Auschwitz transportiert und ermordet. Lolas ältester Bruder Bernhard wurde am 26. September 1942 nach Estland (Raasiku) deportiert und nach der Ankunft in den nahen Kieferwäldern erschossen. Lolas Brüder René und Klaus waren mit nicht-jüdischen Frauen verheiratet und wurden dadurch ivor der Deportation geschützt.

Lola und Ursula blieben bis zu Lolas Tod im Jahr 1965 ein Paar und betrieben eine Schneiderei in Lichtenberg, später in Pankow.  Interviews mit den Nichten von Lola und Ursula bestätigen, dass die beiden Frauen mehr als nur Freundinnen waren: Sie waren Lebenspartnerinnen, die in den dunkelsten Zeiten Liebe fanden.