Simon Altkorn

Verlegeort
Petersburger Straße 31
Historischer Name
Petersburger Straße 36
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
30. August 2023
Geboren
Oktober 1887 in Kamienobród (Galizien)
Flucht
1939 Polen
Abgeschoben
28. Oktober 1938 nach Bentschen / Zbąszyń
Schicksal unbekannt

Simon (Schame) Altkorn kam im Oktober 1887 in Kamienobród in Galizien (damals Teil des Habsburgerreichs) als Sohn von Yitzkhak Altkorn und dessen Frau Rivka Holz zur Welt. Das Dorf Kamienobród liegt 30 km westlich von Lemberg, dem heutigen Lwiw, in der Westukraine.

Da seine Eltern nur jüdisch rituell verheiratet waren, wurde sein Familienname „Altkorn“ von den Behörden teilweise nicht anerkannt und er trug die Nachnamen „Altkorn recte Holz“ oder „Altkorn, genannt Holz“.

Über die Kindheit und Jugend von Simon Altkorn haben sich keine Informationen erhalten. Er erlernte den Beruf des Kaufmanns und heiratete zu einem unbekannten Zeitpunkt Rosa (Ester Reisel) Schwimmer, geb. am 23. Januar 1883 im galizischen Dorf Uherce (heute Uhry im Westen der Ukraine). Das Ehepaar übersiedelte vermutlich um 1910 nach Berlin. Dort kamen die beiden Töchter zur Welt: Regina Lea (*6. Januar 1912) und Margot (*11. Februar 1913).

Zunächst war Simon Altkorn mit seinem Schwager Chaim Schwimmer Inhaber der Eiergroßhandlung Schwimmer & Altkorn in der Blumenstraße (diese Straße existiert nicht mehr, sie befand sich südwestlich des heutigen Strausberger Platzes). Diese Geschäftspartnerschaft währte aber nur kurz, dann betrieb er eine eigene Eierhandlung, später arbeitete er in der Textilbranche. Seine Frau Rosa arbeitete nicht, sie war häufig krank und teilweise auch pflegebedürftig.

In den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg wohnte die Familie in der Mommsenstraße 34 in Charlottenburg, das bis zur Eingemeindung nach Groß-Berlin im Jahr 1920 eine eigenständige Großstadt war. Zu Beginn des Krieges, an dem Simon als Soldat der österreichischen Armee teilnahm, zogen die Altkorns nach Friedrichshain, wo sie in den nächsten Jahrzehnten an verschiedenen Adressen leben sollten. Seit etwa 1935 wohnten sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Petersburger Straße 36 (heute Nr. 31).

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Altkorn.

Die Tochter Regina konnte ihre Ausbildung als Kindergärtnerin nicht abschließen, weil sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung nicht zur Abschlussprüfung zugelassen wurde. Auch Simon Altkorn hatte sicherlich unter dem zunehmenden Boykott jüdischer Geschäftsleute zu leiden.

Regina Altkorn wanderte im August 1936 nach Palästina aus und trat dort in einen Kibbuz ein, ihre Schwester Margot ging im selben Jahr nach Spanien, um dort am Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner teilzunehmen.

Simon Altkorn wurde am 28. Oktober 1938 im Rahmen der „Polenaktion“ aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit verhaftet und in die Grenzstadt Bentschen (Zbąszyń) abgeschoben. Seine kranke Frau musste er in Berlin zurücklassen. Er reiste weiter zu seinen Angehörigen, die noch in Lemberg (Lwow), das zum damaligen Zeitpunkt polnisch war, und dessen Umgebung wohnten. 

Simon Altkorn lebte dort unter ärmlichsten Bedingungen und war auf die Unterstützung vom Hilfskomitee angewiesen. An seine Tochter Regina in Palästina schreibt er am 4. Mai 1939 aus Lwow: „Verdienen kann man hier nichts. Deshalb muss jeder von uns zusehen von hier herauszukommen, was auch jeder tut, es sind schon viele weg nach Amerika, Bolivien usw., auch nach Erez [Land Israels] sind schon viele gefahren, [...]. Wenn ich noch lange hier bleibe, so muss ich mich hier unter die elendsten Bettler einreihen lassen.“ Er bat seine Tochter in seinen Briefen immer wieder eindringlich, für ihn und seine Frau die Einreise nach Palästina zu erwirken.

Es gelang Simon Altkorn, Ende Mai 1939 nochmals eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland zu erhalten, um seine Frau aus Berlin abzuholen. Diese war kurz vorher von einem Motorrad angefahren worden und lag mit einem Beinbruch, einer Gehirnerschütterung und Quetschungen im Krankenhaus. 

An Regina schreibt er am 30. Mai 1939 aus Berlin: „Ich bleibe nun 8 Wochen hier und muss dann zurück mit Mama nach Polen und dort können wir betteln gehen, denn ich habe alles, was ich erarbeitet habe, in den letzten Jahren verloren. Die guten Kunden haben an Mutter gezahlt und davon hat sie gelebt, und die anderen wollen nicht zahlen. So sind die ganzen Außenstände verloren. Ich will dir nicht das Herz schwer machen, gebe Gott, dass es uns gelingt, nach Erez zu kommen, worauf wir unsere ganze Hoffnung setzen.“ 

Ende Juli reisten Simon und Rosa Altkorn zurück nach Lwow. Ihre Hoffnung, nach Palästina auszuwandern, sollte sich nicht erfüllen. Ihr letztes Lebenszeichen ist ein Brief an ihre Tochter vom 14. August 1939, danach verliert sich ihre Spur. 

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 eroberten deutsche Truppen die Stadt, aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts zogen sich diese aber zurück und überließen Lwow den Sowjets. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion nahm die Wehrmacht die Stadt am 30. Juni 1941 ein, Lwow wurde Teil des Generalgouvernements. Fast alle jüdischen Bewohner der Stadt wurden in der Folgezeit ermordet.

Margot Altkorn hatte Ende März 1939 in Madrid einen Sohn zur Welt gebracht. Sie floh kurz darauf nach Frankreich, wo sie sich während des Krieges dem Widerstand anschloss. Margot, verheiratete Gauvrit, lebte nach dem Krieg in Paris und starb dort 1976.

Die Tochter Regina heiratete 1947 im Kibbuz Aaron Rona-Reissmann, mit dem sie den Sohn Emanuel bekam. Aus einer früheren Beziehung hatte sie bereits die Tochter Miriam (*1943). Regina Rona verließ den Kibbuz und verbrachte ihre letzten 10 Lebensjahre in der Nähe ihrer Tochter in Aseret. Dort starb sie am 21. Dezember 1990.

Rosa Altkorns Bruder Chaim Schwimmer war im Rahmen der „Polenaktion“ im Oktober 1938 ebenfalls nach Bentschen deportiert worden, er wanderte aber im Mai 1939 nach China und später nach Israel aus.