Julius Preuss

Verlegeort
Georgenkirchstraße 4
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
11. Mai 2023
Geboren
24. Oktober 1889 in Schloppe (Westpreußen) / Człopa
Beruf
Kürschner
Flucht
1942 Untergrund
Überlebt

Josef Julius Preuss kam am 24. Oktober 1889 in Schloppe (Westpreußen) als Sohn des jüdischen Handelsmanns Moses Preuss und seiner Ehefrau Cäcilie, geb. Löwenthal, zur Welt. Julius hatte sechs Schwestern, die ebenfalls alle in der kleinen Stadt Schloppe (polnisch Człopa), etwa 100 km südöstlich von Stettin gelegen, zur Welt gekommen waren: Johanna (*1886), Rosa (1888–1913), Helene (1891–1892), Emma (*1893), Gertrude (*1897) und Dora (*1898). Um die Jahrhundertwende übersiedelte die Familie Preuss nach Berlin. Dort wohnten sie in verschiedenen Adressen östlich und nördlich des Alexanderplatzes. 

Nach dem Besuch der Gemeindeschule in der Friedenstraße absolvierte Julius Preuss von 1903 bis 1906 eine Lehre in der Kürschnerei-Abteilung der Wäschefabrik S. Bendit in der Klosterstraße 84-85. Im Jahr 1909 machte er sich selbstständig. Während des Ersten Weltkriegs wurde er 1915 zur Armee eingezogen, nach seiner Entlassung 1917 nahm Julius Preuss seine alte Tätigkeit als Kürschner wieder auf. Er zog mit seinen Eltern und den beiden jüngsten Schwestern um 1919 in die Georgenkirchstraße 21.

Am 20. März 1923 heiratete Julius Preuss Gisela Maria Lebl, geb. am 30. April 1898 in Settenz (Böhmen). Sie war katholisch. Um 1934 zogen sie in eine 3 ½-Zimmer-Wohnung in der Georgenkirchstraße 4. In einem der Zimmer betrieb Julius Preuss seine Kürschnerwerkstatt, die dem Ehepaar einen guten Lebensstandard ermöglichte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Julius Preuss. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Auch die Kürschnerwerkstatt litt zunehmend unter dem Boykott jüdischer Geschäftsleute, bis Julius Preuss 1940 endgültig die Gewerbeerlaubnis entzogen wurde. Er musste fortan Zwangsarbeit bei der Firma „Walter Hübner, Modische Pelzbekleidung, Rauchwaren“ in der Charlottenstraße 29-30 leisten.

Seine Ehefrau Gisela erkrankte schwer und starb am 15. Mai 1942 an Unterleibskrebs. Sie wurde auf dem Jüdischem Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. Durch den Tod seiner „arischen“ Ehefrau war Julius Preuss nun nicht mehr vor der Deportation geschützt. Als am 27. August 1942 die Gestapo zu ihm kam, entzog er sich durch Flucht seiner Verhaftung. Er lebte bis Kriegsende illegal, unter den schwierigsten Umständen, in Berlin: Er musste sehr oft seine Unterkunft wechseln und versteckte sich bei verschiedenen Bekannten in Laubenkolonien, Kellern und bei KPD-Leuten. Er konnte keine Lebensmittelkarten beziehen und hatte kein regelmäßiges Einkommen mehr. Im letzten Kriegsjahr wurde Julius Preuss von den von der Gestapo rekrutierten Mitarbeitern des „jüdischen Fahndungsdienstes”, den sogenannten „Greifern“, besonders verfolgt, nachdem jemand seinen Aufenthaltsort verraten hatte.

Seine Schwester Gertrude, verheiratete Striem, war am 28. März 1942 mit dem 11. Osttransport nach Piaski, die Schwester Emma, verheiratete Schwarz, am 5. September 1942 mit dem 19. Osttransport nach Riga deportiert worden. Beide wurden ermordet. Julius' Schwestern Johanna, verheiratete Prause, und Dora, verheiratete Köhler, überlebten die Shoah, da sie sich mit Nicht-Juden verehelicht hatten. 

Nach Kriegsende machte sich Julius Preuss als Kürschner wieder selbstständig. Er wohnte in der Chodowieckistraße 23 und betrieb eine Pelzkonfektionswerkstatt in der Winsstraße 54 im Prenzlauer Berg. 

Julius Preuss gibt in seiner Entschädigungsakte an, mit den DDR-Behörden Schwierigkeiten gehabt zu haben: Er weigerte sich, in die SED einzutreten und man hatte ihn denunziert, den West-Berliner Rundfunk zu hören und dessen Nachrichten zu verbreiten. Er wurde deshalb von der Polizei verhört und erhielt, weil man ihm vorwarf, „westlich eingestellt“ zu sein, von der Kürschnerei-Genossenschaft nur kleinste Zuteilungen von Fellen, so dass er nur Reparaturen ausführen konnte, bis er schließlich sein Geschäft ganz aufgab. Julius Preuss heiratete am 13. Dezember 1963 seine zweite Ehefrau Elise Rosenfelder, geb. am 19. Oktober 1911.

Ende 1964 übersiedelte das Ehepaar Preuss nach Westdeutschland. Dort lebten sie zunächst in Walsdorf im Taunus, kehrten im August 1965 jedoch nach Berlin zurück und wohnten fortan in der Kaiserin-Augusta-Straße 63 in Tempelhof.

Julius Preuss verstarb am 16. Dezember 1971 in Berlin.