Anna Blankenstein

Location 
Turmstraße 9
District
Moabit
Born
27 January 1880 in Berlin
Deportation
on 14 December 1942 to Riga
Murdered
in Riga

Anna Arna Blankenstein wurde am 27. Januar 1880 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Alfred Alexander Blankenstein (1857–1906) und dessen Ehefrau Olga Joseph, verh. Blankenstein (1858–1942). Ihr Vater stammte aus Neustadt in Westpreußen (heute Wejherowo, Polen), ihre Mutter war gebürtige Berlinerin. Sie heirateten im September 1878 in Berlin und bezogen eine Wohnung in der Neuen Königstraße 93 in Mitte (heute Otto-Braun-Straße). 

Arna wuchs im Kreis von sechs Geschwistern auf: Ihre ältere Schwester Frieda war 1877 in Berlin geboren worden; in den Jahren 1881, 1884 und 1886 kamen Edwin, Georg und Lilli Lea Blankenstein zur Welt; 1888 und 1889 folgten ihre Brüder Jean und Hans Blankenstein. In den 1880er-Jahren zogen die Blankensteins in eine neue Wohnung in der Charlottenstraße 79, Mitte der 1890er-Jahre in die Neue Königstraße 39. Den Lebensunterhalt der Familie sicherte Arnas Vater durch die Eröffnung eines Textilwarengeschäfts, das zunächst auf Weißwaren und Seidenband spezialisiert war und später auch Stroh- und Filzhüte aus eigener Fabrikation vertrieb. Das Geschäft lag in den 1890er-Jahren in der Jerusalemer Straße 44/45, wurde dann um die Jahrhundertwende in die Neue Königstraße 39 verlegt. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Arna und ihren Geschwistern im Berlin der Kaiserzeit haben sich leider keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach der jüdischen Gemeinde Berlins an.

Es ist nicht bekannt, ob und welchen Beruf Arna Blankenstein nach ihrem Schulabschluss ergriff. Ihr Bruder Edwin machte wie auch ihr anderer Bruder Jean eine kaufmännische Ausbildung und handelte später mit Schneiderartikeln, während Jean als Handlungsgehilfe und später als kaufmännischer Angestellter tätig war. Jean und vermutlich auch weitere Brüder von Arna meldeten sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Einsatz oder wurden rekrutiert und als Soldaten auf den europäischen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Jean geriet 1917 in Gefangenschaft und kehrte erst 1919 wieder in die Heimat zurück, wo er noch im selben Jahr die Berlinerin Elise Anna Helene Müller (*1884) heiratete. Arnas Bruder Hans heiratete 1918 Dora Marie Riemer (*1894) und arbeitete in den 1920er-Jahren in den Niederlanden. Edwin heiratete Margarete Bäcker (*1879), Georg eine Frau Wegner und Frieda einen Herrn Hagel. Von den Geschwistern blieben nur Lilli Lea und Arna ledig. Nach dem Tod des Vaters 1906 zog Mutter Olga in die Jablonskistraße 39 im Winsviertel des Prenzlauer Berg. Vermutlich lebte auch Arna in den Folgejahren in dieser Wohnung und kümmerte sich um die verwitwete Mutter. Zumindest ist die gemeinsame Adresse im Prenzlauer Berg durch die Jüdischen Adressbücher Berlins von 1930 belegt. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der beiden Frauen im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Arna und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden, Anfang der 1930er-Jahre nahm die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zu. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Arna zunehmend in die Rechtslosigkeit im eigenen Land. Im Jahr 1936 mussten Arna und ihre 78-jährige Mutter in eine Wohnung in der dritten Etage der Turmstraße 9 in Moabit umziehen. Die Zweizimmerwohnung teilten sie sich später mit zwei jüdischen Untermietern. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für die beiden Frauen in Berlin zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, durften sie sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im Februar 1942 verstarb die 84-jährige Olga Blankenstein und hinterließ ihre Tochter Arna, die noch bis Ende des Jahres in Berlin lebte.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Arna erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1942. Sie wurde im Dezember in der Sammelstelle in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und von dort aus, am 14. Dezember 1942, mit dem „25. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie – vermutlich unmittelbar nach der Ankunft des Transports – ermordet wurde.

Ihr Bruder Georg Blankenstein verstarb 1934 in Berlin, Jean gelang 1938 die Flucht in die Niederlande, wo er wie auch Bruder Hans die Besatzungszeit und die NS-Verfolgung. Überlebte. Das Schicksal der restlichen Geschwister ist ungeklärt.