Dorothea Joffe née Lewin

Location 
Jakobikirchstraße 8
District
Kreuzberg
Stone was laid
07 May 2024
Born
21 May 1878 in Bromberg (Posen) / Bydgoszcz
Deportation
on 06 March 1943 to Auschwitz
Murdered

Dorothea Lewin kam am 21. Mai 1878 in Bromberg in der preußischen Provinz Posen als Tochter des jüdischen Schneiders Bernhard Lewin und dessen Ehefrau Fritze, geb. Michel, zur Welt. Sie hatte mindestens noch zwei Schwestern, die ebenfalls in der Stadt Bromberg (polnisch Bydgoszcz) geboren wurden, die etwa 120 km nordöstlich von Posen liegt: Johanna (*1879) und Rosa (*1881). Über die Kindheit und Jugend von Dorothea Lewin haben sich keine Informationen erhalten. Sie erlernte den Beruf der Putzmacherin – diese fertigen Kopfbedeckungen für Damen – und übersiedelte als junge Frau nach Berlin.

Dort heiratete sie am 23. Dezember 1909 den Geschäftsreisenden Viktor Joffe, geb. am 16. Oktober 1878 in Berlin. Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Dorothea Lewin als Putzdirektrice beschäftigt und wohnte bei ihrer Schwester Johanna und deren Ehemann Sally Gedalje in der Esmarchstraße 22 im Prenzlauer Berg.

Das Ehepaar Joffe bekam drei Kinder: Margot (*1912), Fredy (*1914) und Rudi (*1916). Zunächst lebte die Familie im Bötzowviertel, 1916 zogen sie nach Wilmersdorf. Dort wohnten sie in der Augustastraße 5-6 (heute Blissestraße).

Viktor Joffe war Geschäftsreisender in der Kurzwaren-Branche und als solcher viel in Ostpreußen und Westpreußen unterwegs. Er verdiente sehr gut und konnte seiner Familie einen gutbürgerlichen Lebensstil ermöglichen. Ende 1923 wurde Viktor Joffe jedoch schwer krank und durfte fortan nicht mehr reisen. Er arbeitete dann in Berlin als Vertreter für Stickerei- und Perlenbesätze für die Damenkleiderkonfektion. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise gingen die Umsätze zurück und 1931 war die Familie Joffe gezwungen, in eine kleinere Wohnung in der Jakobikirchstraße 8 in Kreuzberg zu ziehen. Diese Straße befindet sich unweit des Moritzplatzes und verläuft zwischen der Jakobi-Kirche und der Ritterstraße. Keins der 10 Häuser, die einst diese Straße säumten, existiert noch. Dorothea Joffe begann zusätzlich als Schneiderin zu arbeiten, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen.

Die Tochter Margot heiratete 1932 den Schauspieler Richard Tietz und bekam mit ihm im Februar 1933 die Tochter Lisl. Da Richard Tietz ein aktiver Nazigegner war und mit seiner Verhaftung rechnen musste, floh er im April 1933 aus Deutschland. Im Juli desselben Jahres folgte Margot ihrem Ehemann mit der Tochter nach Barcelona. Dort kam 1934 der Sohn Peter zur Welt, 1935 übersiedelte die Familie Tietz nach Paris. 

Dorotheas Ehemann Viktor Joffe starb am 8. Mai 1936 im Alter von 57 Jahren im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde in Berlin.

Der Sohn Rudi verließ Deutschland im März 1938 und emigrierte nach Kolumbien, auch sein Bruder Fredy wanderte im Juli desselben Jahres nach Südamerika aus. Fredy Joffe ließ seine schwangere Frau Helga, geb. Popp (*1919), in Berlin zurück. Im September 1938 brachte Helga die Tochter Bela zur Welt. Fredy wollte, sobald er sich eine Existenz aufgebaut hatte, seine Ehefrau, Tochter und Mutter ebenfalls nach Südamerika holen, doch dazu sollte es nicht mehr kommen.

Dorotheas ledige Schwester Rosa Lewin zog 1939 zu ihr in die Jakobikirchstraße 8, ebenso ihre Schwester Johanna und deren Ehemann Sally Gedalje. Dieser verstarb im Januar 1940. Auch ihre Schwiegertochter Helga und ihre Enkelin Bela lebten in der Wohnung. 

Aufgrund der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sie sich ab dem 19. September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der zunehmenden Entrechtung folgte die Deportation: Johanna Gedalje wurde am 1. November 1941 mit dem 4. Osttransport in das Ghetto Lodz deportiert. Die Schwiegertochter Helga Joffe wurde am 13. Juni 1942 mit dem 15. Osttransport in das Vernichtungslager Sobibor, Dorotheas Schwester Rosa Lewin am 12. Januar 1943 mit dem 26. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Dorothea Joffe wurde mit ihrer 4-jährigen Enkelin Bela am 6. März 1943 mit dem 35. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet.

 Johanna Gedalje war am 10. Mai 1942 aus dem Ghetto Lodz in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) verschleppt worden, wo sie gleich nach der Ankunft ermordet wurde.

Dorothea Joffes Tochter Margot war mit ihrer Familie in Frankreich nach Kriegsausbruch als „feindliche Ausländerin“ zunächst interniert worden. Als politisch anerkannte Flüchtlinge konnten sie aber 1941 über Lissabon in die USA ausreisen. Margot ließ sich 1952 scheiden und heiratete ein Jahr später den Musikgraveur und Verleger Walter R. Boelke, ebenfalls ein deutscher Emigrant. Margot Boelke starb 1967. 

Der Sohn Fredy Joffe lebte in Buenos Aires, hatte erneut geheiratet und ein Kind bekommen. Er verstarb 1983.