Alfred Neander Lansburgh

Location 
Landshuter Straße 15
District
Schöneberg
Stone was laid
15 October 2022
Born
27 March 1872 in London (Kensington)
Occupation
Redakteur, Herausgeber
Escape into death
11 September 1937 in Berlin

James Alfred Neander Lansburgh wurde in London (Kensington) am 27. März 1872 geboren und war jüdischer Herkunft. Mit 14 Jahren wurde er Vollwaise und von Verwandten in der Dorotheenstraße aufgenommen. 1907 heiratete er Frida Neuberg. Am 4. Februar 1908 wurde ihre Tochter Gerda und am 29. Juni 1912 der Sohn Werner Neander geboren.

Spätestens 1895 arbeitete Lansburgh für die Berliner Handels-Gesellschaft (BHG), die damals unter der Leitung von Carl Fürstenberg stand. Lansburgh blieb bei der BHG bis 1903, ehe er als Redakteur zum „Ratgeber auf dem Kapitalmarkt“ wechselte.

Lansburgh verlies im Herbst 1907 den „Ratgeber“ und nutze die Aussteuer seiner Frau zur Gründung des Bank-Verlags. Dabei ging es in erster Linie um die Herausgabe der Zeitschrift „Die Bank“, die von 1908 bis 1929 monatlich und ab 1930 wöchentlich erschien.

Das erfolgreichste journalistische Format von Lansburgh waren die „Briefe eines Bankdirektors an seinen Sohn“, die Lansburgh unter dem Pseudonym „Argentarius“ verfasste. Sie richten sich an einen fiktiven Sohn namens James und ließen den Leser aufgrund des Pseudonyms im Ungewissen über die tatsächliche Autorschaft.

Ab 1933 kritisierte Lansburgh die neuen nationalsozialistischen Machthaber ziemlich unverblümt. Aufgrund des Schriftleitergesetzes vom 4. Oktober 1933, demgemäß ein Hauptschriftleiter „Arier“ sein musste (§6), konnte Lansburgh nicht Herausgeber der „Bank“ bleiben. Daher übernahm mit der Ausgabe vom 20. Juni 1934 Ludwig Mellinger die Aufgabe des Geschäftsführers des Bank-Verlags und des Hauptschriftleiters der Zeitschrift „Die Bank“. Mellinger war seit 1930 Mitarbeiter und ab 1931 Schriftleiter der „Bank“ gewesen.

Der Gesellschaftsvertrag über die Gründung der „Bank-Verlag GmbH“ als Fortführung des „Bank-Verlag Alfred Lansburgh“ wurde am 8. Juni 1934 in den Geschäftsräumen des Centralverbandes der Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes in Berlin geschlossen. Den Kaufpreis leistete ein „Banken-Konsortium zur Erhaltung der Zeitschrift ‚Die Bank‘“ und die GmbH wurde damit nicht belastet. Als Begründung für den Verkauf steht in den Akten: „Lansburgh soll angeblich nicht Deutscher und nicht Arier sein, daher der erfolgte Verkauf.“ Die Stammeinlage von 20.000 Mark wurde zu einem Viertel eingezahlt und zu 95 % von Ludwig Mellinger und zu 5 % vom „Kaufmann Herr Dr. rer. pol. Hans Masel“ bzw. ab Januar 1935 dem Rechtsanwalt Dr. Hans Koch gehalten. 

Gemäß Anordnung der Reichspressekammer vom 5. April 1936 wurde die „Bank-Verlag GmbH“ durch Gesellschafterbeschluss vom 31. März 1937 durch Übertragung ihres Vermögens auf den alleinigen Gesellschafter, den Schriftleiter Dr. Ludwig Mellinger in Berlin-Wilmersdorf, rückwirkend zum 1. Januar 1937 in die Personengesellschaft „Bank-Verlag Dr. Ludwig Mellinger“ umgewandelt. Grundlage war das „Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften“ vom 5. Juli 1934, mit dem eine „Abkehr von anonymen Kapitalformen zur Eigenverantwortung des Unternehmers“ erreicht werden sollte. In diesem Zusammenhang kaufte Mellinger Hans Koch die 5 % GmbH-Anteile für 1.000 Mark ab. Die Umwandlung und der Verkauf des 5 %-Anteils 1937 erfolgte durch die Notare Karl Bennecke und Karl Meidinger, die mit Hans Koch eine gemeinsame Kanzlei betrieben. 

Aus den geschilderten Zusammenhängen lässt sich schließen, dass Otto Christian Fischer die Zeitschrift erhalten wollte und daher die Finanzierung der „Arisierung“ des Verlages durch Ludwig Mellinger mit den Banken des Centralverbandes organisierte. Lansburgh erhielt den Kaufpreis von 49.000 Mark und hielt über einen Strohmann bis 1937 einen Anteil von 5 % am Verlag.

1950 strengte die Witwe Frida Lansburgh ein Wiedergutmachungsverfahren mit dem Ziel einer „Entschädigung für den Verlust beim Zwangsverkauf des Bankverlages Berlin (...), Wert angeblich 175.000 RM, Erlös 25.000 RM“ an. Man teilte ihr mit, dass es den Verlag nicht mehr gebe und Forderungen nur gegen Ludwig Mellinger persönlich möglich seien. Daraufhin verzichtete Frida Lansburgh darauf, Ludwig Mellinger persönlich in Haftung zu nehmen, und zog den Antrag zurück. Hierfür mag eine Rolle gespielt haben, dass Mellinger Lansburgh in den Jahren 1934-1936 mit 5 % an den Gewinnen des Verlags beteiligt hatte.

Über den Unternehmenswert des Verlags im Sommer 1934 lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Leider gibt es nur eine Bilanz vom 31. Dezember 1936. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Bilanzsumme der „Bank-Verlag GmbH“ 75.967 Mark, davon 64.836 Mark Eigenkapitel. Der Umsatz lag 1936 bei 142.047 Mark und der Reingewinn bei 15.156 Mark. Als Gewinnvortrag aus den Jahren 1934 und 1935 werden 29.680 Mark angegeben, so dass die Entwicklung als relativ stabil eingeschätzt werden kann. Von daher ist eine Bewertung in Höhe von 175.000 Mark nicht unrealistisch.

Alfred fand sich zu alt, um eine neue Sprache zu erlernen, in der er schreiben könne, und für ein Rentnerdasein im Ausland reichte das Geld nicht. 1933 hatte er seinen Sohn zum Studium in die Schweiz geschickt.  Im Frühjahr 1937 wurde klar, dass die Familie durch Alfreds Geburt in London einen Anspruch auf einen britischen Pass hatte. 

Lansburgh nahm sich am 11. September 1937 durch Schlaftabletten das Leben. Die Beerdigung fand am 14. September 1937 auf dem Städtischen Friedhof Eisackstraße in Schöneberg nahe der Maxstraße statt. Da drei Grabstätten gekauft wurden, ging die Familie offenbar davon aus, in Deutschland bleiben zu können. Aufgrund der Pläne der Nationalsozialisten für den Südbahnhof zugunsten der Planung einer „Welthauptstadt Germania“ wurde 1939 ein Teil des Friedhofs auf verschiedene Friedhöfe verlegt. In diesem Zusammenhang wurde Lansburgh auf den Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf umgebettet.