Ida Schallamach née Jacobsohn

Location 
Jessnerstraße 11
Historical name
Kronprinzenstraße 49
District
Friedrichshain
Stone was laid
10 April 2024
Born
03 June 1875 in Schönlanke (Posen) / Trzcianka
Deportation
on 14 September 1942 to Theresienstadt
Murdered
10 June 1943 in Theresienstadt

Ida Jacobsohn kam am 3. Juni 1875 in Schönlanke in der preußischen Provinz Posen als Tochter des jüdischen Kaufmanns David Jacobsohn und dessen Ehefrau Minna, geb. Cohn, zur Welt. Ihr Vater war Inhaber einer Getreidefirma in der kleinen, 85 km nördlich von Posen gelegenen Stadt Schönlanke (polnisch Trzcianka). Ida hatte mindestens noch fünf Geschwister: Marta (*1870), Max (*um 1875), Sally (*1876), Julius (*1878) und Auguste (*1881). Über die Kindheit und Jugend von Ida Jacobsohn haben sich keine Informationen erhalten.

Um 1898 heiratete sie Louis Schallamach, geb. am 4. November 1866 in Klein Gay (Posen). Er war Landwirt und Kaufmann und gehörte ebenfalls der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Ida zog in den Geburtsort ihres Ehemannes, das etwa 50 km südlich von Schönlanke gelegene Dorf Klein Gay (polnisch Gaj Mały), in dem die fünf Kinder des Ehepaars zur Welt kamen: Artur (*1899), Erna (geb. und gest. 1901), Alice (*1902), Martin (*1905) und Margarete (*1906).

Die Provinz Posen musste nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages an Polen abgetreten werden. Die Familie übersiedelte 1922 nach Berlin, vorher veräußerte Louis Schallamach noch seinen umfangreichen Grundbesitz. Von dem Erlös kaufte er in Berlin mehrere Grundstücke, u.a. das Haus Kronprinzenstraße 49 (heute Jessnerstraße 11). Die Familie bezog im selben Haus eine 5-Zimmer-Wohnung. Louis Schallamach betrieb in Berlin eine Grundstücksvermittlung und -verwaltung, die seinen eigenen und fremden Grundbesitz umfasste. Neben zwei Angestellten arbeitete auch die Tochter Margarete im Büro mit. 

Nach 1933 war auch Idas Ehemann vom zunehmenden Boykott jüdischer Geschäftsleute betroffen: Louis Schallamach wurden viele seiner Grundstücksverwaltungen gekündigt und auch seine Grundstücksvermittlung ging zurück. Bis Anfang 1939 musste er seinen gesamten Grundbesitz zwangsweise verkaufen, auch das Haus Kronprinzenstraße 49. Das Ehepaar Schallamach wohnte aber weiterhin dort. Ihre Kinder waren inzwischen ausgezogen: Die Tochter Margarete hatte 1928 den kaufmännischen Angestellten Siegfried Hirschbruch geheiratet, 1933 kam die Tochter Eva zur Welt. Die Familie wohnte im Schulenburgring 126 in Tempelhof. 

Der Sohn Martin hatte Deutschland bereits im April 1933 verlassen und erhielt nach mehreren Stationen in Frankreich und Jugoslawien im September 1936 die Einreiseerlaubnis für England. Er heiratete 1937 in Stoke Newington Frieda Schuelke und bekam mit ihr drei Kinder: Michael (*1938), Darek (*1940) und Yvonne (*1944).

Der Sohn Artur emigrierte Ende 1938 illegal in die Niederlande. Die Tochter Alice hatte 1930 den Kaufmann Hans Isaac geheiratet und wanderte 1939 mit ihm nach Bolivien aus.

Louis und Ida Schallamach hatten wohl spätestens nach den Pogromen vom November 1938 ebenfalls die Absicht, Deutschland zu verlassen. Sohn Martin schildert nach dem Krieg in den Entschädigungsakten: „Am 10.11.1938 drang eine große Horde in die Kronprinzenstraße 49 ein und zerstörte die gesamte Wohnung […]. Die Wohnung war derart zerstört, dass ein Nachbar Mitleid mit meinen Eltern hatte und ihnen die notdürftigsten Möbel von dritter Seite besorgte.“ 

Doch zur Auswanderung des Ehepaares sollte es nicht mehr kommen: Louis und Ida Schallamach wurden am 14. September 1942 mit dem 2. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Louis Schallamach überlebte dort nicht einmal drei Wochen: Er starb am 3. Oktober 1942 an einer Lungenentzündung. Seine Frau kam am 10. Juni 1943 ums Leben.

Die Tochter Margarete, Siegfried und Eva Hirschbruch wurden am 18. Mai 1943 mit dem 88. Alterstransport nach Theresienstadt verschleppt. Von dort wurden Margarete und Eva am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Siegfried Hirschbruch hatte man bereits am 29. September 1944 nach Auschwitz und von dort am 10. Oktober 1944 nach Dachau verschleppt, wo er im Außenlager Kaufering schwerste Zwangsarbeit leisten musste. Er kam dort am 23. November 1944 ums Leben.

Der Sohn Artur lebte in den Niederlanden in verschiedenen Flüchtlingslagern, seit dem 20. März 1941 war er im Zentralen Flüchtlingslager Westerbork interniert, das zu diesem Zeitpunkt noch von Niederländern verwaltet wurde. Nachdem daraus am 1. Juli 1942 das „polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ unter deutscher Verwaltung geworden war, begannen die Deportationen. Artur Schallamach wurde am 18. Januar 1944 zunächst nach Theresienstadt und am 16. Mai 1944 nach Auschwitz verschleppt, wo er am 7. Juli 1944 ermordet wurde.

Nach dem Tod ihres Ehemanns kehrte Alice Isaac 1955 aus Bolivien nach Berlin zurück. Sie starb 1975, ihr Bruder Martin Schallamach war bereits 1969 in England gestorben.

Idas Bruder Julius Jacobsohn lebte mit seiner Frau Lydia, geb. Stein, in Schönlanke, wo er das Getreidegeschäft seines Vaters weiterführte. Ende Februar 1940 wurden die noch in Schönlanke verbliebenen Juden in die benachbarte Stadt Schneidemühl verschleppt und interniert. Nach der Freilassung ging das Ehepaar nach Berlin. Julius Jacobsohn wohnte seit September 1940 bei seiner Schwester Ida in der Kronprinzenstraße 49. Er wurde am 3. Februar 1943 mit dem 28. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet, seine Ehefrau hatte in Berlin am 28. August 1942 mit einer Überdosis Schlafmittel Selbstmord begangen.

Idas Schwester Auguste, verwitwete Wollstein, war mit ihrem zweiten Ehemann Ernst Heilfron 1938 in die Niederlande geflüchtet. Das Ehepaar wurde am 4. März 1943 in Westerbork eingeliefert und am 31. August 1943 nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Idas Bruder Sally Jacobsohn war mit seiner Ehefrau Yella, geb. Epstein, und der Tochter Dagmar 1939 zunächst nach Kuba und ein Jahr später in die USA ausgewandert.

Der Bruder Max Jacobsohn war bereits 1934 in Danzig, die Schwester Marta, verheiratete Coblenz, 1940 in Großbritannien verstorben.