Erna Freudenthal née Dewitz

Location 
Katharinenstr. 2
District
Halensee
Stone was laid
11 April 2024
Born
10 September 1881 in Berlin
Deportation
on 17 May 1943 to Auschwitz
Murdered
1943 in Auschwitz

Erna Freudenthal wurde als Erna Rosa Dewitz am 10. September 1881 in Berlin geboren.  Sie war das jüngste von drei überlebenden Kindern von Sigismund Dewitz, der aus Frankfurt an der Oder stammte, und Marianne geb. Meyer-Israel aus Labes in Pommern (heute Łobez in Polen).  Erna, ihre Schwester Gertrud (geb. 1873) und ihr Bruder Erich (geb. 1879) wuchsen im heutigen Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf.

Ernas Vater, Sigismund Dewitz, ein Bankier und jüdischer Philanthrop, starb 1896, als Erna 14 Jahre alt war.  Ihre Mutter starb im Jahr 1907.  Beide Eltern sind auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee begraben.

Am 8. Januar 1908 heiratete Erna Josef Freudenthal in Berlin.  Sie wohnten in Köln-Bayenthal (Köln), wo Josef geschäftliche Verbindungen hatte.  Er wurde am 5. Oktober 1866 in Memel, Ostpreußen (heute Klaipeda, Litauen) geboren.  Seine Mutter, Charlotte, geborene Cohn, starb, als er 12 Jahre alt war.  Sein Vater, Markus Meyer Freudenthal, wurde 1829 in Danzig (heute Gdansk, Polen) geboren.  Er starb am 5. April 1885, als Josef 18 Jahre alt war.  Josef verstarb am 8. Juni 1922 und ist auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd begraben.

Erna und Josef hatten drei Kinder: Fritz (geb. 1908), Heinz (geb. 1916) und Marianne Charlotte (geb. 1919).  Im Jahr 1926 zog die Familie von Köln in die Katharinenstraße in Berlin-Halensee, um näher bei Ernas älterer Schwester Gertrud Dewitz Grossmann zu sein, die ebenfalls drei Kinder hatte.  

Als sich 1938 die Verfolgung der Juden in Deutschland durch die Nazis verschärfte, insbesondere nach dem Novemberpogrom, auch bekannt als „Kristallnacht“, wurde die Notwendigkeit, aus Deutschland zu fliehen, immer dringlicher.  In jenem Jahr wurde Gertrud von den Nazibehörden aus ihrer Wohnung in der Fasanenstraße vertrieben (im Rahmen der so genannten „Arisierung“).  Sie zog daraufhin in die Wohnung in Halensee, um mit Erna, ihrem Sohn Fritz und dessen Frau Friedel zu leben.  Als im Herbst 1941 die Deportationen begannen, beschlossen Erna und Gertrud, lieber unterzutauchen, als sich der Gestapo auszuliefern, um deportiert zu werden und ein unbekanntes Schicksal zu erleiden. 

Die Schwestern bereiteten sich sorgfältig vor, indem sie fast alle ihre verbliebenen Besitztümer verkauften und verschenkten.  Sie besorgten sich gefälschte Dokumente und Ausweise von Fritz Mynarek und seiner Frau Charlotte, die Juden dabei halfen, nicht entdeckt und verhaftet zu werden.  Die gefälschten Dokumente wiesen sie als arische Jungfrauen mit dem Nachnamen Grothe aus.  Im Mai 1942 verließen sie die Wohnung in der Katharinenstraße, nachdem es ihnen nicht gelungen war, ein Visum für Kuba zu erhalten (ihre letzte Option).  Um zu zeigen, dass sie abgereist waren, schlossen sie ihre Wohnung ab und baten Valeria Wirth (die Haushälterin der Familie Grossmann), die Schlüssel für den Hausmeister in einem Umschlag mit der Aufschrift "die putzfrau" zu hinterlegen, um sie nicht zu identifizieren.  Sie wohnten dann einige Monate bei den Mynareks in der Winterfeldtstraße in Schöneberg, bis sie in das 100 km nördlich von Berlin gelegene Städtchen Lychen umziehen und ihr Leben im Untergrund beginnen konnten, indem sie sich als Nichtjuden ausgaben, deren Haus im Krieg ausgebombt worden war.

Am 24. Juni 1942 kam der unvermeidliche Deportationsbefehl der Gestapo, sich zur „Abwanderung“ zu melden.  Mit bemerkenswertem Mut widersetzten sich Erna und Gertrud den antisemitischen Nazi-Behörden und weigerten sich, sich wie befohlen zu ergeben.  Stattdessen flüchteten sie in ihr Haus in Lychen, Mecklenburg.

Sie hielten Kontakt zu Gertruds nicht-jüdischer Schwiegertochter Maria (Maya) Grossmann, die sie im März 1943 in der Wohnung der Mynareks in Berlin besuchte.  Maya war das letzte Familienmitglied, das die Schwestern sah, während sie noch untergetaucht waren.

Die beiden älteren Frauen entgingen fast ein Jahr lang der Entdeckung, bis die Mynareks, möglicherweise durch eine Nachbarin, denunziert wurden.  Die Gestapo verhaftete die Mynareks und auch Valeria am 22. April 1943.  Tragischerweise entdeckte die Gestapo bei der Durchsuchung der Wohnung in der Winterfeldtstraße in Schöneberg Dankesbriefe und Lebensmittelkarten, die den Aufenthaltsort der Schwestern und ihre falschen Identitäten verrieten.  Daraufhin wurden auch sie in Lychen von der Gestapo verhaftet und direkt in die Große Hamburger Straße 26 in Berlin gebracht, der "Sammelstelle" für die Deportation.

Fritz Mynarek, der Retter, wurde nach Buchenwald geschickt, wo er getötet wurde.  Seine Frau Charlotte und Valeria wurden beide verhaftet und wegen wissentlicher Hilfe für Juden und anderer Wirtschaftsverbrechen angeklagt.  Beide Frauen wurden zu einem Geständnis gezwungen und nach Ravensbrück geschickt.  Beide überlebten in der Nachkriegszeit.  

Erna Freudenthal wurde am 17. Mai 1943 in einem Zug mit der Bezeichnung "Osttransport 38" mit 406 anderen jüdischen Berlinern nach Auschwitz gebracht, von denen die meisten bei der Ankunft am 19. Mai ermordet wurden.  Sie war 61 Jahre alt.

Am 28. Juni 1943 wurde Gertrud Grossmann mit dem Osttransport 39 und 346 jüdischen Berlinern nach Auschwitz deportiert, wo auch sie bei der Ankunft ermordet wurde.  Sie war 70 Jahre alt.

Fritz Freudenthal und seine Frau Friedel (geb. Finkelstein) erhielten Visa für Nordrhodesien und verließen Deutschland im Jahr 1939. Sie hatten zwei Kinder.

Heinz verließ Deutschland 1935 und ging in die Niederlande.  Er heiratete 1939 Karola Elly (geborene Spinner).  Am 9. Oktober 1942 wurden Heinz, Karola und ihre Tochter Miriam Alice vom Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz-Birkenau deportiert.  Karola und Miriam wurden bei ihrer Ankunft am 12. Oktober 1942 ermordet.  Heinz starb am 31. Januar 1943, einen Tag nach seinem 27. Geburtstag.  Das Schicksal der zweiten Tochter ist unbekannt.

Ernas Tochter Marianne verließ Berlin 1937 in Richtung England.  Während des Krieges lebte sie in London, wo sie eine Ausbildung zur Hebamme machte und in verschiedenen Krankenhäusern arbeitete.  Am 24. April 1943 heiratete sie Edmund Davidson.  Marianne und Edmund hatten sechs Kinder.

Aus einem Brief von Frau Freudenthal vom 14. November 1941 an ihre Tochter in England.

Tag und Nacht denke ich an Euch ...
Gebe Gott, dass bald bessere Zeiten kommen ...
Trotz Allem lassen wir den Mut nicht sinken ...

Erna Freudenthal lebte von 1926 bis zu ihrer erzwungenen Flucht im Juni 1942 in der Katharinenstraße 2.  Ab der Verlegung des Stolpersteins im April 2024 hat sie mehr als 50 lebende direkte Nachkommen auf vier Kontinenten. 

 

זכרונה לברכה
Möge ihr Andenken ein bleibender Segen sein.

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