Käte Rogalli

Verlegeort
Hagelberger Straße 21
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
31. August 2023
Geboren
17. September 1903 in Berlin
Tot
11. April 1943 in Wittenauer Heilstätten

Käte Rogalli kam am 17. September 1903 in Berlin als Kind des Kaufmanns Oswald Rogalli und dessen Ehefrau Alice, geb. Borchart, zur Welt. Bei der Geburt wurde ihr das männliche Geschlecht zugeschrieben. Als Kind trug Käte häufig Kleidchen und ihre Großmutter schenkte ihr im Jugendalter eine Wachstuchschürze, die sie sehr liebte. Käte arbeitete später als technische Zeichnerin und Feinmechanikerin. Am Arbeitsplatz wurde sie häufig für „ein Mädchen in Männerkleidung“ gehalten und habe aufgrund von Diskriminierungen ihre Anstellungen verloren. Auch auf der Straße sei sie häufig diskriminiert worden, da man sie für schwul gehalten habe.

Käte identifizierte sich selbst als „Transvestit“ und „Masochist“ und wünschte sich als Frau zu leben. 1924 beantragte sie eine Namensänderung auf ihren Wunschnamen „Käte“, die ihr allerdings verwehrt wurde. Ende der 1920er Jahre wurde sie mutmaßlich von Magnus Hirschfeld begutachtet und erhielt einen „Transvestitenschein“, ein durch ein medizinisches Gutachten erwerbbares polizeiliches Schreiben. Betroffenen wurde damit bescheinigt, dass sie bei der Polizei als „Transvestiten“ bekannt waren. Eine generelle Erlaubnis für das Tragen der bevorzugten Kleidung war der Schein nicht. Dieser bedurfte es eigentlich auch nicht, denn es gab keine explizite rechtliche Grundlage für ein Verbot von Crossdressing. Vielmehr wurden Betroffene mit dem Schein ermahnt, nicht in der Öffentlichkeit aufzufallen, sich also durch ihre Kleidungswahl nicht der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ oder der „Störung der öffentlichen Ordnung“ strafbar zu machen. Der Schein diente zusätzlich der Registrierung und damit der Überwachung der Betroffenen.

1928 wurde Käte endlich eine Namensänderung genehmigt, jedoch nicht auf ihren Wunschnamen. Personen, die sich selbst als Transvestiten bezeichneten und eine amtliche Namensänderung durchführten, wurde von den Berliner Behörden ein als geschlechtsneutral eingeordneter Zweitname zu ihrem bürgerlichen Namen hinzugefügt. Bisher bekannte Namen, die an Betroffene vergeben wurden, waren Alex, Toni oder Gerd. Ob diese behördliche Praxis dazu dienen sollte, sogenannte Transvestiten besser überwachen zu können oder ob man ihnen nur geschlechtsneutrale Namen erlaubte, weil man annahm, sie würden „zwischen den Geschlechtern“ stehen, ist unerforscht. Für Käte bot die Namensänderung dennoch zuvor versperrte Möglichkeiten. So konnte sie ihre bereits mit Zwillingen schwangere Freundin Gertrud am 23. Februar 1929 auf dem Standesamt in Frauenkleidung heiraten. Auch die Anstellung in ihrem Beruf gestaltete sich so wieder einfacher.

Die Ausstellung des „Transvestitenscheins“ war im Nationalsozialismus rückläufig. Fälle, in denen Personen der Schein entzogen wurde, häuften sich. Ende 1936 wurde auch Käte der „Transvestitenschein“ von der Gestapo entzogen. Die Gestapo zwang sie zudem, sich in Männerkleidung umzukleiden, was Käte nachhaltig traumatisierte. Nachdem sie anschließend erneut Frauenkleidung trug, wurde sie mutmaßlich denunziert und vier Wochen in Schutzhaft genommen. Käte vermutete von ihrer Ehefrau und von der eigenen Mutter mehrfach denunziert worden zu sein. Letztere habe nicht akzeptieren können, dass Käte jahrelang „als Mädchen“ gelebt habe.

1937 wurde sie wahrscheinlich erneut wegen des Tragens von Frauenkleidung denunziert. Die Gestapo verschleppte sie in das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo sie vom 27. Mai 1937 bis 22. März 1938 festgehalten wurde. Ihre Häftlingskategorie dort lautete „Transvestit“, was zeigt, dass Menschen, die für Transvestiten gehalten wurden, Gefahr liefen, wegen ihrer Identität ins KZ verschleppt zu werden. 1937 ließ sich Käte von ihrer Frau scheiden, da diese Ehebruch begangen hatte. Bei der Scheidung seien, laut Käte, jedoch beide Eheleute schuldig gesprochen worden: Gertrud wegen Ehebruchs und Käte, weil sie wegen ihrer „Veranlagung im Konzentrationslager war“. Käte wurde wegen ihrer Geschlechtsidentität also bei der Scheidung benachteiligt. Die Kinder wurden jedoch ihr zugesprochen.

In einem späteren Gerichtsverfahren wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ wurde sie zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Sie war nackt in eine Mülltonne in ihrem Wohnhaus geklettert. Nach Selbstaussage hatte sie eine Zwangshandlung entwickelt, da ihre Frau und die Gestapo sie mehrfach als „Dreck“ beschimpft hätten. Das Gericht legitimierte die Länge der Strafe auch mit der angeblichen „Vergeblichkeit“ der früheren KZ-Haft. Nach der Haft in der Untersuchungshaftanstalt Lehrter Straße und im Strafgefängnis Tegel wurde sie in die Bayerische Ostmark (heute Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken) überstellt und musste dort beim Bau der kriegswichtigen „Ostmarkstraße“ mitarbeiten. Währenddessen war sie in den Strafgefangenenlagern Leuchtenberg, Viechtach und Bischofsgrün untergebracht. In den Jahren nach ihrem ersten Gerichtsverfahren verlor sie das Sorgerecht für ihre Kinder. Nach der Entlassung aus der Haft lebte Käte in der Hagelberger Straße 21 in Kreuzberg.

Als sie 1941 wieder wegen eines ähnlichen Vorfalls wie im ersten Strafverfahren vor Gericht stand, wurde ihr von einem psychiatrischen Gutachter die Zurechnungsfähigkeit abgesprochen. Ihre Identität als Transvestit und Masochist wurde als psychopathisch kategorisiert und sie wurde in die Wittenauer Heilstätten (heute Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) zwangseingewiesen. In der Psychiatrie war Käte transfeindlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. So wurden ihr die Haare abgeschnitten und ihre weiblichen Kleidungsstücke konfisziert.

Während ihres Psychiatrieaufenthalts wurde sie vom Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie begutachtet, einer NS-Institution, die Psychiater*innen und Psycholog*innen unter einem nationalsozialistischen Dach vereinen sollte. Die für ihre Therapierung von Homosexualität bekannte Neurologin und Psychoanalytikerin Marie Kalau vom Hofe machte mit ihrem Gutachten jegliche Chancen Kätes zunichte, bald aus der Psychiatrie entlassen zu werden.

Am frühen Morgen des 11. April 1943 verstarb Käte in den Wittenauer Heilstätten. Sie hatte sich in Wachstuch gewickelt und an Vorhangschnüren in der Toilette aufgehängt. Vom medizinischen Personal der Psychiatrie wurde ihr Tod als unbeabsichtigter Unglücksfall während einer BDSM-Handlung abgetan. Dass sie bereits kurz zuvor Selbstmordgedanken erwähnt hatte, unterschlugen die diensthabenden Ärzt*innen gegenüber der Polizei.