Zerline Fliess

Verlegeort
Bundesallee 79
Historischer Name
Bundesallee
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
05. März 2024
Geboren
12. September 1872 in Berlin
Beruf
Mitarbeiterin im Berliner Frauenverein gegen Alkoholismus, Buchhalterin
Deportation
am 14. September 1942 von der Sammelstelle ehemaliges Gemeindezentrum und Rabbinerserminar von Addas Jisroel in der Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40) nach Theresienstadt
Ermordet
06. Februar 1943 in Theresienstadt

Zerline (Linchen) Fliess kam am 12. September 1872 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Moritz Fliess und seiner Frau Bernhardine geborene Fernbach zur Welt. Ihre Schwestern waren Jenny (1869) und Catharina (1876). Einer ihrer Cousins war der bekannte Dirigent Bruno Walter (ursprünglich Schlesinger). Um 1895 lebte die Familie vermutlich beruflich bedingt vorübergehend in Minden, Westfalen. Dann kehrte die Familie zurück nach Berlin, wo Moritz Fliess 1896 starb. Alle Schwestern blieben ledig, Catharina starb 1903. Über den beruflichen Werdegang von Zerline Fliess wissen wir kaum etwas. Die ältere Schwester Jenny zog von zu Hause aus, sie wohnte 1910 in der Neuen Winterfeldstraße bzw. 1915 in der Sybelstraße. Ihre verwitwete Mutter Bernhardine Fliess lebte bis ca. 1915 in der Menzelstraße 10, ab dann mit Zerline in der Wiesbadenerstraße 4 im Erdgeschoss.

1916 arbeitete Zerline im Berliner Frauenverein gegen den Alkoholismus, schied dann aber aus wegen Differenzen mit ihrer Chefin und arbeitete in einem alten Bankhaus als Buchhalterin. Diese Beschäftigung sagte ihr nicht sonderlich zu, sie schrieb einer Freundin, dass sie aber dabei bleiben müsse, bis sie etwas fände, was sich für ihr Herz eignen würde.

Gemeinsame Urlaube der Mutter mit ihren Töchtern fanden u.a. in Ahlbeck statt, in der Sächsischen Schweiz, in Schreiberhau und Krummhübel in Niederschlesien.

Als die Mutter 1922 starb, blieb Zerline in der Wiesbadener Straße 4 wohnen, ab 1939 lebte sie dann zusammen mit ihrer Schwester Jenny in der Kaiserallee 79 (heute Bundesallee). Die Schwestern waren wohl gut gestellt, das Haus Kaiserallee 79 ist von überdurchschnittlicher Wohnqualität. Es hatte bereits damals einen Aufzug, der Zuschnitt der Wohnungen ist ausgesprochen großbürgerlich. Zerlines Schwester Jenny starb am 13. Februar 1940 an Herzmuskelschwäche, Embolie und einem Gangrän im Jüdischen Krankenhaus. Zerline musste ihre Wohnung aufgeben und als Untermieterin zu Heinrich Peiser an den Victoria-Luise-Platz Nr. 5 IV ziehen. Heinrich Peiser war der Eigentümer des Hauses, er war von den Nazis gezwungen worden, aus seiner großen Wohnung in eine Drei-Zimmer- Wohnung in seinem Haus zu ziehen. In dieser Wohnung lebte auch die Tochter von Heinrich Peiser, Lotte Alice Peiser, ihre Mutter war 1939 gestorben. Für das Leerzimmer zahlte Zerline Fliess 40 RM monatlich, ihre Einrichtung bestand aus einem Kleiderschrank, 1 Nachttisch, 3 Stühlen, 1 Couch, 1 Bettvorleger und Gardinen. Am 4. September 1942 musste Zerline Fliess die Vermögenserklärung ausfüllen, sie hatte noch ein Bankguthaben von 110 RM, ihre monatliche Rente von der Reichsversicherung für Angestellte betrug 120 RM. Nach dem 4. September 1942 wurde Zerline Fliess in das ehemalige Gemeindezentrum und Rabbinerserminar von Addas Jisroel in der Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40) gebracht, das Anfang der 1940er Jahre als Unterkunft für alte Personen diente und dann als Sammelstelle für die umfangreichen Deportationen nach Theresienstadt genutzt wurde. Von dort wurde Zerline Fliess am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie wohnte in Theresienstadt im Gebäude Q 507, Zimmer 123. Am 6. Februar 1943 wurde sie ermordet. Die angebliche Todesursache lautete wie so oft Darmkatarrh.

Ihr Zimmer am Victoria-Luise-Platz wurde am 24. Oktober 1942 geräumt, der Händler Gerhard Westphal erwarb ihren ganzen Besitz für 60 RM von der Vermögensverwertungsstelle.