Werner Mosler

Verlegeort
Rothenburgstr. 24
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
11. September 2024
Geboren
23. November 1922 in Berlin
Beruf
Kaufmann
Flucht
1939 England
Überlebt

Werner Mosler wurde am 23. November 1922 in Berlin als zweites Kind von Frida und Kurt Mosler geboren. in Berlin-Lichterfelde geboren. Seine ältere Schwester Traud  war am 8. September 1919 zur Welt gekommen.  Die jüdische Bankiersfamilie lebte zunächst einige Jahre in Berlin-Lichterfelde in der Lorzingstraße 4. Da Werners  Vater Kurt Mosler eine erfolgreiche Karriere im Bank- und Versicherungsgeschäft machte, lebte die Familie ohne finanzielle Sorgen. 1923/24 konnte ein großes Grundstück in der Rothenburgstraße 24 gekauft und ein villenähnliches  Doppelhaus gebaut werden, in das die Familie 1925 einzog. Auch Großmutter Lydia Mosler zog nach dem Tod ihres Mannes in den Haushalt ein – so lebten nun drei Generationen unter einem Dach.  

Werner besuchte von 1929 bis 1933 die Volksschule in der Ringstraße und wechselte nach der vierten Klasse in das Paulsen-Gymnasium in Steglitz.  Ab 1933 wuchs der Antisemitismus und die damit verbundenen Einschränkungen für das Leben von jüdischen Menschen wurden immer stärker spürbar.  Auch Werner litt unter Anfeindungen seiner Mitschüler.  Seine Eltern machten sich schon früh Gedanken über eine mögliche Auswanderung aus Deutschland.  1935 wurde ein Versuch unternommen: Werners Vater Kurt ging nach Amsterdam, um dort wirtschaftlich Fuß zu fassen und eine neue Existenz aufzubauen.  Werner kam mit: er sollte in Amsterdam weiterhin das Gymnasium besuchen. Werner wohnte bei einem Cousin seiner Mutter und dessen Familie, lernte die niederländische Sprache und bestand die für den Schulbesuch notwendige Sprach- und Aufnahmeprüfung – erhielt jedoch keinen Zugang zum Gymnasium. Aber Werners Vater konnte beruflich nicht in Amsterdam Fuß fassen. So verließen Vater und Sohn im Sommer 1936 die Niederlande und kehrten nach Berlin zurück.

Allerdings hatten sich in Deutschland die Situation für Juden erheblich verschlechtert: Ein regulärer Schulbesuch war für jüdische Kinder und Jugendliche nicht mehr möglich. Daher meldete Werner sich bei der jüdischen Kaliski-Schule in Dahlem an, die er bis Ostern 1938 besuchte. Als Teenager interessierte sich Werner für das Theater und nahm an einem Theaterclub namens „Theater der jüdischen Schulen“ teil. 

1938 begann Werner eine Ausbildung in der Lehrwerkstatt der jüdischen Gemeinde Diese musste jedoch durch das Novemberpogrom 1938 abrupt beendet werden. Nun konzentrierte sich Werner intensiv auf das Erlernen der englischen Sprache; das Geld für den Unterricht verdiente er sich durch kleine Jobs, wie zum Beispiel Reparaturarbeiten an der Kaliski-Schule und Lieferdienste.

In seinem Lebenslauf, den er 1957 zur Beantragung von Entschädigung für den Verlust von Schul- und Berufsausbildung erstellte, beschrieb Werner die Zeit im Jahr 1939 vor seiner Flucht so:

 „Ich fand dann eine Stelle als Radfahrer bei einem Mann, der Wasserflöhe verkaufte. Meine Aufgabe war es, diese Wasserflöhe früh morgens bei ihm abzuholen und an seine Käufer, d.h. Zoohandlungen, auszuliefern. Ich hatte dafür kein offizielles Arbeitsbuch... Natürlich verdiente ich damit sehr wenig."

Im Juli 1939 gelang es ihm durch ein Sponsoring der englischen Quäker ein Visum für die Auswanderung nach England zu erhalten. Der Start in ein neues Leben in England war nicht einfach. Die ständige Sorge um die Eltern war bedrückend. Nachdem der Briefkontakt ausblieb, lebten Werner und seine Schwester Traud in jahrelanger Ungewissheit über das Schicksal der Eltern. 
Aber auch sich in dem fremden Land und in einer fremden Sprache  alleine "durchzuschlagen" war schwer - zumal auch in England Krieg herrschte und die Bevölkerung unter dem Bombardement der Deutschen litt.  Werner schilderte den deutschen Behörden den Anfang in England so:

„Am 27. Juli 1939 emigrierte ich nach England und wurde vom Flüchtlingskomitee auf eine YMCA-Trainingsfarm bei Henley-on-Thames gebracht. Im November 1939 wurde ich von dort auf eine andere Farm, genauer gesagt ein Lager, in Great Bartfield/Essex gebracht. Dieses wurde im Januar 1940 geschlossen, und ich kam nach Bicester/Oxfordshire, um bei der Betreuung von schwer erziehbaren, evakuierten Kindern zu helfen. Zu Ostern 1940 brachte mich das Flüchtlingskomitee in ein Internat in Leeds und dann in ein Hostel in Leeds.

Von Mai 1940 bis Oktober 1941 wurde ich als „feindlicher Ausländer“ interniert. 
Nach meiner Entlassung ging ich nach London, um bei der Firma Brandt, 27 Percy Street, als Hilfsarbeiter zu arbeiten, wobei ich £ 2.10 in der Woche verdiente. Nach 6 Monaten wechselte ich zu Cinetechnic Ltd. in Greenford. Nach 2 oder 3 Monaten ging ich zur Firma Mechanical Utilities in Hammersmith, Brook Green Road, wo ich bis Dezember 1943 blieb. Anschließend arbeitete ich bis September 1944 als Sachbearbeiter bei der Stanford Trading Co und verdiente £ 3 die Woche, danach bei der Buchverlagsgesellschaft Alliance Press als Verkaufsvertreter und verdiente £ 4. Schließlich übernahm ich eine Position als Verkaufsvertreter bei Books of Today Ltd, sodass ich £ 12-15 in der Woche verdiente. Im August 1946 machte ich mich selbstständig, indem ich ein Druckereigeschäft eröffnete, das ich bis heute (1957) betreibe.“

1943 heiratete Werner seine Jugendliebe Anneliese Saloman,  die Tochter eines Familienfreundes. Die Ehe endete in Scheidung, und Anneliese verließ England, um mit ihren Eltern in Cleveland, Ohio, USA, zu leben. 
Für seine Dienste als Hilfsfeuerwehrmann wurde Werner mit einer Civil Defense Medal ausgezeichnet, weil er half, die durch die Bombardierung Londons verursachten Brände zu löschen.

In Deutschland nahmen die Dinge ihren traurigen Lauf:  
Großmutter Rosalia starb im Dezember 1940, Großmutter Lydia im Juli 1941. 
Am 2. März 1943 wurde Werners Vater Kurt nach Auschwitz deportiert.
Am 4. März 1943 wurde Werners Mutter Frida nach Auschwitz deportiert.
Beide Eltern wurden nach ihrer Ankunft in den Gaskammern von Auschwitz- Birkenau ermordet.

Nach Kriegsende kehrte Werner nicht nach Deutschland zurück. Er heiratete im August 1952  Sylvia Lewis. Ihr Sohn Nicholas Kurt wurde im April 1953 geboren. Diese Ehe wurde geschieden;  Nicholas (Nicky) wurde von Sylvias zweitem  Ehemann, Wally Margolis, adoptiert. Werner und Nicky verloren den Kontakt zueinander. 1959 heiratete Werner Anne-Marie Gross, geboren am 6. Juni 1929 in Wien. Anne-Marie war tschechische Staatsbürgerin und wie Werner vor den Nazis geflohen. Das Paar bekam zwei Kinder: Lynne, geboren im Mai 1961, und Jeremy im August 1964. Werner wurde auch  Großvater von Laura.  

Werner führte in England mehrere Jahre erfolgreich eine Schauspielagentur namens „Anglo German Artists“ und genoss die Möglichkeiten, die ihm dieses Geschäft bot. Er war an der Synchronisation von Filmen und Werbespots ins Deutsche beteiligt,  gelegentlich trat er als Schauspieler auf. Mehrere Jahre war er Mitorganisator der England-Tourneen der Wiener Sängerknaben. 

1998 gab Werner ein Interview für Steven Spielbergs Shoah-Projekt als Zeitzeuge und trug so zur Dokumentation der Erinnerungen der Verfolgten des Nationalsozialismus bei. 

Werner starb am 27. April 2000 in London. Seine Asche ist im Garden of Remembrance des Hoop Lane Crematoriums in Golders Green, London, beigesetzt.