Lina Stern geb. Giesenow

Verlegeort
Jakobikirchstraße 2
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
07. Mai 2024
Geboren
21. Dezember 1878 in Schloppe (Westpreußen) / Człopa
Eingewiesen
1939 in Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch
Deportation
am 11. Juli 1940 von Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch nach Brandenburg a. d. Havel
Ermordet
in der Tötungsanstalt Brandenburg a. d. Havel

Lina Giesenow kam am 21. Dezember 1878 in Schloppe in Westpreußen als Tochter des jüdischen Pferdehändlers Simon Giesenow und dessen Ehefrau Johanna, geb. Beermann, zur Welt. Die kleine Stadt Schloppe (polnisch Człopa) liegt 108 km östlich von Stettin. Lina hatte mindestens noch vier Geschwister: Hedwig (*1875), Recha (*1876), Elisabeth (*1881) und Meyer Martin (*1885). Über die Kindheit und Jugend von Lina Giesenow haben sich keine Informationen erhalten. Sie erlernte den Beruf der Modistin – diese fertigen Kopfbedeckungen für Damen. Ihre Familie übersiedelte um 1900 in die Reichshauptstadt. Laut Berliner Adressbuch lebten sie in Kreuzberg, an verschiedenen Adressen nahe des U-Bahnhofs Prinzenstraße.

Lina Giesenow heiratete am 5. Januar 1916 Alfred Stern, geb. am 4. November 1884 in Oberbrechen (Hessen). Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Am 18. Mai 1920 kam der Sohn Heinz zur Welt. 

Alfred Stern war eigentlich jüdischer Religionslehrer und Kantor, konnte aber nach seiner Entlassung aus dem Militär nach dem Ersten Weltkrieg nicht gleich wieder eine Anstellung in seinem Beruf finden und war daher vorübergehend als Kaufmann tätig: Er betrieb eine Sack-Reparatur-Werkstatt. Die Familie wohnte in den 1920er Jahren in der Kirchstraße 23 in Moabit. Sie lebten in gutbürgerlichen Verhältnissen und führten einen streng religiösen Haushalt.

Ende der 1920er Jahre erhielt Alfred Stern eine Anstellung als Kultusbeamter bei der Jüdischen Gemeinde in Spandau. Laut Berliner Adressbuch wohnte die Familie Anfang der 1930er Jahre auch in der Spandauer Feldstraße 8.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Stern. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. 

Alfred Stern war weiterhin bei der Jüdischen Gemeinde in Spandau angestellt, zog mit seiner Familie aber um 1935 nach Kreuzberg in die Jakobikirchstraße 2. Diese Straße befindet sich unweit des Moritzplatzes und verläuft zwischen der Jakobi-Kirche und der Ritterstraße. Keins der 10 Häuser, die einst diese Straße säumten, existiert noch. 

Während der Pogrome vom 9. auf den 10. November 1938 wurde auch die Spandauer Synagoge am Lindenufer durch Brandstiftung zerstört. Noch 1938 wurde die Gemeinde offiziell aufgelöst. Es ist nicht bekannt, wo Alfred Stern danach beschäftigt war.

Spätestens seit Mai 1939 lebte Linas geschiedene Schwester Recha Meyerhoff bei der Familie Stern in der Jakobikirchstraße 2.

Lina Stern wurde am 2. September 1939 in die Heil- und Pflegeanstalt in Berlin-Buch eingeliefert. Unbekannt ist der Grund für ihre Aufnahme in einem der größten psychiatrischen Krankenhäuser im Deutschen Reich. Sie war dort bereits 1929 einmal in Behandlung. 

Auch Linas Schwester Hedwig, verwitwete Tucholski, befand sich seit dem 7. März 1940 in der Heil- und Pflegeanstalt Buch. Ob es eine familiäre Disposition gab, ist nicht bekannt.

Ab März 1940 deportierte man im Rahmen der Aktion T4 nahezu alle Patienten. Auch Lina Stern und Hedwig Tucholski wurden aus der Heil- und Pflegeanstalt Buch am 11. Juli 1940 nach Brandenburg an der Havel deportiert und dort in der Tötungsanstalt ermordet. 

Alfred Stern und der Sohn Heinz wurden am 29. November 1942 mit dem 23. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Linas Bruder Martin Giesenow beging am 19. Juni 1942 in seiner Berliner Wohnung mit einer Überdosis Schlafmittel Suizid. Die Schwester Recha Meyerhoff wurde am 15. August 1942 mit dem 18. Osttransport nach Riga deportiert und dort unmittelbar nach der Ankunft am 18. August ermordet. Das Schicksal der Schwester Elisabeth, verheiratete Freimark, ist unbekannt.